Der
Glaube an einen ewigen Seelenkern, der im alten Indien Atman genannt wurde,
wurde von Gautama Buddha abgelehnt. Auch Nagarjuna kritisiert die Atman – Lehre
in diesem Kapitel.
Vers
1
Die
fünf Komponenten des Menschen (Skandas)
entstehen, dauern an und vergehen nach der buddhistischen Lehre. Wenn die
Atman – Seele in gleicher Weise existieren würde, müsste sie auch diese
Eigenschaften haben.
Auch
das Universum besteht aus den fünf Skandas. Wenn es eine Atman – Seele gäbe,
müsste die sich jedoch von den Skandas unterscheiden, aber das ist nicht
möglich.
Vers
2
Nagarjuna
beschreibt hier die Atman – Seele als Erfindung
und Fantasie.
Wenn
man sich selbst ablehnt, bedeutet dies, dass man sich opfert. In diesem Sinne
hatte Gautama Buddha extreme Askese geübt, aber dabei die Einheit seines Geistes verloren.
Nagarjuna
beschreibt, dass sich eine Art Urseele mit einer anderen in der Askese treffen
soll, aber beide dabei zugrunde gehen. Dies sei ähnlich der Situation, in der
man sich selbst opfert.
Vers
3
Sich
für etwas Wichtiges und einen anderen Menschen einzusetzen bedeutet aber, dass
wir unser kleines Ego opfern. Das ist
eine Wirklichkeit des selbstlosen Handelns, die im Buddhismus sehr wichtig ist.
Ein
solches Handeln kann sichtbar oder unerkannt sein. Beim wahren Bodhisattva –
Handeln gibt es kein Streben nach Vorteil für sich selbst und keine ostentative
Darstellung des Handelns.
Vers
4
In
diesem Vers wird herausgearbeitet, dass die Worte „ich“, „mein“ usw.
suggerieren, dass wir uns selbst von
außen sehen. Wir trennen dann in ein Ich ab, das ein anderes Ich von uns
selbst wie von außen beobachten kann.
Dies
ist natürlich eine fehlerhafte Hilfskonstruktion. In Wirklichkeit gibt es nur eine
Einheit, die im Zustand des Gleichgewichtes verwirklicht wird.
Vers
5
Im
täglichen Leben und auch in der Praxis des Samadhi (Zazen) gibt es Schmerzen
und Leiden. Aber durch die buddhistische Praxis erreichen wir einen völlig freien Zustand. Dieser ist
gewissermaßen die Umkehr der Schwierigkeiten in der Praxis.
Im
Zustand des Gleichgewichtes wird die abstrakte
Vorstellung von der sichtbaren Welt aufgelöst und durch die Wirklichkeit
ersetzt.
Vers
6
Wer
an eine Atman – Seele glaubt, unterteilt die Welt in die eigene Seele und den
Rest der Welt. Es ist realistischer und besser, beides in Frage zu stellen und
nicht als Wirklichkeit anzusehen.
Ein
solches Konzept erleichtert den Umgang mit der Wirklichkeit in unserem Leben nachhaltig
gegenüber der Vorstellung eines dauerhaften Seelenkerns nach der Lehre des
Atman.
Vers
7
Abstrakte
Vorstellungen und Welten können den menschlichen Geist in gewissem Umfang beruhigen
und besänftigen. Aber sie sind nicht die Wirklichkeit und nicht stabil.
Im
Zustand des Gleichgewichts zeigt sich demgegenüber die wahre Welt in ihrer
ganzen Ruhe, Ausgeglichenheit und Schönheit, und wir sind ein Teil von dieser
Welt. In der Balance werden wir nicht gestört und beunruhigt.
Vers
8
Die
Wirklichkeit dieser Welt lässt sich rein intellektuell nicht beweisen und auch
nicht verneinen. Deshalb hat Gautama Buddha die Frage, ob wir die Existenz der
Welt mit dem Verstand erfassen können, als unsinnig beiseite gelassen.
Im
Buddhismus ist es klar, dass es eine Einheit zwischen Körper und Geist gibt,
und ein isolierter Geist kann die wahre Existenz oder das Gegenteil überhaupt nicht
erfassen.
Vers
9
Die
im Kapitel 1 genannte Vierfache Wahrheit manifestiert sich im Gleichgewicht und
in Ruhe. Sie ist nicht außergewöhnlich und erfreulich. Was nicht gesehen werden
konnte, wird sichtbar werden.
Die
ursprüngliche Existenz gibt es wirklich, sie kann nicht durch etwas anderes
verändert werden. Sie hat ihre eigenen Charakteristika der Wirklichkeit: Die
Wirklichkeit der Welt ist so, wie sie ist
Vers
10
In
dieser Welt hat jedes einzelne Ding seine besondere und eigene Existenz und
setzt sie ohne Unterbrechung fort. Es kann niemals identisch mit etwas anderem
sein. Im gleichen Sinne hat jeder Augenblick eine eigene Entität und
unterscheidet sich vom anderen.
Ohne
die vollständige Trennung jedes Augenblicks vom anderen kann die Ewigkeit nicht
existieren.
Vers
11
Diese
Welt hat nicht mehr als ein Ziel und hat nicht mehrere Ziele. Sie ist niemals
unterbrochen und niemals ewig.
Solche
Sichtweisen könnten die Wirklichkeit nicht angemessen erklären.
Nagarjuna
sagt hier, dass die wirkliche Welt nicht den Göttern gehört. Das Universum ist
nichts Übernatürliches: das sagen alle Buddhas.
Vers
12
Die
Idee der Atman – Seele gibt es nicht bei denen, die Buddhas genannt werden und
auch nicht bei denen, die Shravakas (direkte Schüler und Hörer Buddhas) genannt
werden.
Auch
bei den Buddhas, die aus sich selbst erwacht sind, wird das Problem der Atman –
Seele als theoretisch angesehen.
Nagarjuna
zählt hier also die drei in den frühen Sutras genannten Formen der Heiligen und
Erwachten auf: die Buddhas selbst, die von ihnen unmittelbar Lernenden und die
aus sich selbst Erwachten.
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