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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Samstag, 23. Juni 2007

Buddhismus und Humanismus


1. Verwandtschaft von Buddhismus und Humanismus

Wenn wir an den Buddhismus denken ist es nicht üblich, dass wir dabei von einer engen Beziehung, Ähnlichkeit oder gar Verwandtschaft mit dem Humanismus ausgehen. Aber in der letzten Zeit habe ich immer klarer erkannt, dass es sehr wohl eine starke Verwandtschaft und Ähnlichkeiten zwischen Buddhismus und Humanismus gibt und ich bin der Ansicht, dass die seit kurzem so fruchtbare Annäherung der euro-amerikanischen Kultur an den Buddhismus eng damit zusammenhängt. Allgemein können wir im 21. Jahrhundert der Weltgeschichte eine starke humanistische Entwicklungsrichtung beobachten.
Als ich Schüler auf der Highschool war, habe ich einiges der Weltgeschichte studiert und wurde dabei sehr von dem deutschen Historiker Leopold von Ranke (1795 bis 1886) angezogen, der eine objektive und wissenschaftliche Forschungsrichtung der Weltgeschichte vertrat und auf konkreten Daten und Dokumenten aufbaute. Ich erinnere mich, dass seine geschichtlichen Beschreibungen aber immer sehr humanistisch waren. Daher nehme ich jetzt normalerweise an, dass die Geschichte der Menschen auf natürliche Weise humanistisch ist und auch sein sollte, weil ich der Ansicht bin, dass alle geschichtlichen Beschreibungen immer auf den Daten und Unterlagen der Menschen selbst beruhen sollten.
Wenn ich an die verschiedenen Arten von Geschichte und Geschichtsbetrachtung denke, glaube ich in diesem Sinne also, dass alle geschichtliche Forschung und Betrachtung humanistisch geprägt sein sollte, und ich gehe davon aus, dass eine solche Richtung in den verschiedenen Zeitaltern nach humanistischen menschlichen Kennzeichen gestaltet werden sollte. Wenn der Humanismus nur im Bereich der Theorie, Philosophie oder Religion angesiedelt wäre, könnte man leider nicht die negativen typischen Merkmale einer absoluten und damit einseitigen Religion und Philosophie vermeiden. Ich bin fest davon überzeugt, dass es für uns und die gesamte Menschheit notwendig ist, vollständige Freiheit bei der Wahl der eigenen Religion zu haben und wir sollten daher unserer eigenen Überzeugung und Religion vollständig frei und nach eigener Wahl folgen. Deswegen ist es für uns unbedingt erforderlich zu klären, ob auch der Buddhismus als wahre Religion gelten und verwendet werden kann oder nicht.
Auf der Grundlage von Meister Dogens buddhistischer Lehre, von Meister Bodhidharmas Zazen und Meister Nagarjunas Mahayana-Buddhismus und nicht zuletzt wegen der vier edlen Wahrheiten von Gautama Buddha selbst bin ich ganz sicher, dass wir den Buddhismus als eine vollkommene Religion einführen können, die sogar als umfassende tolerante und humanistische Religion für die globale moderne Welt geeignet ist. Ich vermute allerdings, dass manche Menschen in der Welt vielleicht Zweifel daran haben, ob sie meinen fast begeisterten Glauben an den Wert des Buddhismus für alle Menschen bestätigen können oder nicht. Aber ich glaube, dass der Buddhismus überhaupt nicht als wahre Religion Bestand hatte und noch hat, wenn er nicht eine solche vollständige Echtheit und Kraft besitzen würde.
Dabei gibt es die große andere Frage, ob der Buddhismus humanistisch ist oder nicht. Nach nun siebzig Jahren des Studiums der buddhistischen Lehre und Praxis hat sich bei mir die feste Überzeugung herausgebildet, dass er wirklich ganz genau eine humanistische Philosophie und Lebenspraxis ist und daher können wir mit Nachdruck sagen, dass Buddhismus dasselbe wie Humanismus ist und sich mit der humanistischen Philosophie deckt. Wir können es also wirklich als geklärt ansehen, dass der Buddhismus mit der humanistischen Philosophie übereinstimmt.
Bei dieser Frage muss man sich unbedingt an die hohe Wertschätzung für den mittleren Weg und das Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems im Buddhismus erinnern. Wie ich häufig wiederholt habe, schätzt der Buddhismus dieses Gleichgewicht außerordentlich und besteht darauf, dass es der Grund für die große Bedeutung des Zazen für uns als Buddhisten ist. Durch die Übung des Zazen kommt nämlich das vegetative Nervensystem und der ganze Mensch ins Gleichgewicht. Man kann sogar sagen, dass wir erst dann die Wirklichkeit und Wahrheit eines Menschen verkörpern, wenn dieses Gleichgewicht erreicht ist. Diese Tatsache wird von dem Buddhismus auch in aller Klarheit gelehrt. Wenn ein Buddhist mit anderen Worten ein etwas stärkeres sympathisches Nervensystem hat, wird er Sravaka genannt und hat eher die Tendenz zu einem verstandesmäßigen Welt- und Lebensbild und dies ist in buddhistischen Gruppen nicht so sehr geschätzt. Ein anderer Typ der Buddhisten wird Pratyeka-Buddha genannt und hat eine eher sensible gefühlsmäßige Ausrichtung. Er ist ebenfalls in buddhistischen Gruppen nicht so sehr geachtet. Wir können also feststellen, dass in buddhistischen Gruppen und Gesellschaften weder eine zu starke intellektuelle Ausrichtung noch eine Tendenz zur sehr gefühlsmäßigen Sensibilität hoch geschätzt wird. Die Buddhisten, die immer ein ausbalanciertes vegetatives Nervensystem haben und sich entsprechend ausgeglichen, realistisch und menschlich verhalten, werden bei den Buddhisten besonders geachtet.
Ich denke, dass wir annehmen können, dass dieser Gleichgewichtszustand in buddhistischen Gruppen einen hohen eigenständigen Wert hat und daher ist die Praxis des Zazen tatsächlich so außerordentlich wertvoll.
Daher werden Buddhisten, die auf der Grundlage der Praxis des Zazen mit Ausdauer und Fleiß nach der Wahrheit streben und sie erreichen, als Bodhisattvas sehr geschätzt. Buddhisten, die Buddha genannt werden und dieses Gleichgewicht erreicht haben, werden in buddhistischen Gruppen am höchsten geachtet.
Wir können damit sagen, dass im Buddhismus diejenigen als Buddhas verehrt werden, die vollkommen und andauernd im Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems sind und ich gehe davon aus, dass mit diesem Gleichgewicht der höchste Wert in buddhistischen Gruppen erreicht wird.
In Sanskrit bedeutet das Wort „Buddha“, dass ein Mensch zur Wirklichkeit erwacht ist und dies bedeutet auch, dass er im Zustand des Gleichgewichts normal und natürlich verweilt und handelt. Ein solches Gleichgewicht wird im Buddhismus als wirklich menschliches Dasein und Handeln verehrt. Auch die buddhistische Lehre und Philosophie schätzt den wahren Menschen, der vollkommen im Gleichgewicht ist und so handelt.

2. Humanismus in der Geschichte der Welt

Sicher bin ich kein Spezialist geschichtlicher Studien und daher mag meine Beschreibung des Humanismus etwas einfach und vielleicht auch einseitig sein. Aber es ist schon etwas seltsam, dass ich seit meiner Kindheit eine starke Zuneigung zum Humanismus habe. Ich vermute, dass diese besondere Vorliebe eng mit der recht unüblichen täglichen Übung des sportlichen Lauftrainings in meiner Kindheit unter der Aufsicht meines Vaters zusammenhängt. Ich vermute, dass ich u.a. dadurch in meiner Kindheit ein ausgeglichener Junge war und obgleich ich damals noch sehr jung war, muss sich in dieser Richtung eine Grundlage entwickelt haben, auf der sich später die Neigung zum Humanisten ausgebildet hat. In diesem Sinne möchte ich meine sicher unvollständige Beschreibung des Humanismus auf der Basis meines vorhandenen Wissens darlegen.

a) Die Zeit vor der griechisch-römischen Kultur
Ich denke, dass es nur sehr geringe Spuren des Humanismus vor der griechisch-römischen Kultur gibt, so dass ich diese Zeit hier übergehen möchte.

b) Das antike Griechenland
m antiken Griechenland gab es viele Stadtstaaten und nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Grundlage durch die Sklaverei hatten die Bürger, die in diesen Städten lebten, ein verhältnismäßig reiches, wohlhabendes und freies Leben. Sie konnten ihr freie Zeit genießen und sie für ihre philosophischen und wissenschaftlichen Untersuchungen nutzen. Sie konnte sich der Kunst widmen und sich an ihrem humanistischen täglichen Leben erfreuen. In einer solchen Lage öffnete die antike griechische Kultur die überaus wertvollen Blumen der humanistischen Kultur.
Zu allererst gab es die berühmten idealistischen Philosophien, die von Plato (427 bis 346 B.C.) und Aristoteles (385 bis 322 B.C.) vertreten wurden. Plato lehrte, dass in dieser Welt nicht primär die Materie existiert, sondern Ideen und Gedanken. Auf der Grundlage der Mathematik vertrat er die Lehre, dass diese verlässlicher ist als die materiellen Dinge. Insgesamt glaubte er also fest daran, dass Ideen sehr viel zuverlässiger sind, als die Materie und die Wahrnehmung. Eine solche idealistische Philosophie wurde von seinem Schüler Aristoteles weitergeführt und systematisch ausgebaut.
Aber gleichzeitig gab es den Philosophen Demokrit (ungefähr 460 bis 360 B.C.), der im Gegenteil behauptete, dass die wirkliche Existenz durch die Materie und die Dinge vorgegeben ist. Er lehrte, dass diese Welt eine Ansammlung und Kombination von Atomen sei, und dass daher nur die Materie wirklich existiert. Daneben vertrat der Philosoph Epikur (341 bis 270 B.C.) die Ansicht, dass es das Ziel des menschlichen Lebens sei, persönliches Glück und persönliche Freude zu erlangen, so dass wir daraus schließen können, dass er ebenfalls eine Art von materialistischer Philosophie vertrat.
Später entwickelte die griechische Philosophie den Stoizismus. Ein Philosoph mit Namen Zenon (etwa 340 bis 265 B.C.) eröffnete eine Schule in Athen, die Stoizismus genannt wurde, die dann von Kleanthes und Chrisippos fortgesetzt und vertieft wurde. Später wurde diese Denkschule durch Panaitios in die römische Kultur eingeführt.
Ihr zentraler Ansatz bestand darin, dass es im Stoizismus das Ziel sei, ein Leben als sog. Weiser Mensch zu führen. Wir können daher annehmen, dass der wesentliche Ansatz des Stoizismus nicht das Denken und eine gedachte Theorie ist, sondern wie wir unser menschliches Leben gestalten und welches Handeln und Verhalten wir an den Tag legen. Der Stoizismus legt daher großen Wert darauf, einen Zustand von "Apatheia" zu erreichen, und damit ist ein Leben ohne überschießende positive und vor allem negative Emotionen gemeint. Außerdem soll die Lebensweise im täglichen Dasein und Handeln des Weisen Menschen davon geprägt sein, immer den natürlichen Regeln zu folgen. Diese natürlichen Gesetze, mit denen die Menschen harmonieren sollen, werden Logos oder Vernunft genannt, die nach dieser Lehre das ganze Universum und die ganze Welt gestalten und auch im Geist und im Körper des Menschen wirksam sind. Wir können daher annehmen, dass dies die Humanität selbst ist.
Offen gesagt denke ich, dass die Theorie des richtig verstandenen Stoizismus der buddhistischen Lehre sehr ähnlich ist. Der wichtigste Bereich des Stoizismus ist nämlich nicht nur eine philosophische Theorie, sondern dass man das Leben eines Weisen Menschen selbst erlangt, also eines Menschen, der vollständig frei von den labilen unzuverlässigen Situationen der sozialen Gesellschaften ist. Um in diesen Zustand zu gelangen, bemühten sich die Stoiker sorgfältig, den Zustand von Apatheia zu erreichen und ich denke, dass dies etwa dasselbe wie das buddhistische Samadhi der heutigen Zeit ist, also das Gleichgewicht des mittleren Weges.
Ich möchte dabei anmerken, dass die Menschen im antiken Griechenland viel Freude an einer freien und offenen Lebensweise hatten und ihre Lebensphilosophie selbst wählen konnten. Gerade diese Wahlmöglichkeit ergibt eine große Freiheit, in der man seinen eigenen Glauben aus verschiedenen vorhandenen Lebensphilosophien oder Religionen aussucht. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen in ihren jeweiligen Gruppen und Gesellschaften sich an ihrer eigenen Freiheit erfreuen sollten und ihren Glauben auch vollständig selbstständig auswählen sollten.

c) Rom und das römische Weltreich
Die humanistische Kultur des antiken Griechenland wanderte nach Rom und eröffnete ein großartiges Zeitalter der humanistischen Kultur.
Die idealistische Philosophie von Plato und Aristoteles wurden nach Rom eingeführt, aber gleichzeitig wurden auch der Materialismus von Epikur und der stoische Humanismus mit Nachdruck nach Rom gebracht. Nach meiner Ansicht handelte es sich zu jener Zeit um eine außerordentlich wichtige geschichtliche Tatsache, dass nämlich die verschiedenen humanistischen Kulturströmungen von Griechenland mit der Ausbreitung des römischen Weltreiches sich in fast ganz Europa auswirkten und auch den Nordteil Afrikas erfassten.
Wir können annehmen, dass die römische Bevölkerung hervorragende Fähigkeiten als Militärmacht, im Bereich des Rechtes und der Gesetze sowie bei der stoischen Selbststeuerung und Beherrschung hatte. Daher war die Eroberung anderer Ländern meist erfolgreich und sie haben dort wesentlich zur weiteren Entwicklung beigetragen, die dort dann eine eigene jeweilige nützliche und humanistische Kultur zur Folge hatte.
Auf der Grundlage dieser geschichtlichen Tatsache hat sich die griechisch-römische Kultur mit dem Humanismus über das gesamte römische Weltreich verbreitet und traf mit der Religion, die wir als Christentum bezeichnen, zusammen.
Das Christentum hatte sich aus einer ethnischen Religion, dem Judaismus in Israel, entwickelt, und ihr Religionsgründer Jesus Christus machte das Christentum zu einer Weltreligion, die vor allem Eingang in das große römische Reich fand. Zunächst wurde in Rom das Christentum allerdings streng verboten und stark verfolgt und viele Gläubige waren in diesen Jahren grausamer Unterdrückung ausgesetzt. Schließlich war es jedoch für die römische Regierung unmöglich, das Christentum weiter zu bekämpfen und es entwickelte sich dann die kraftvolle katholische Kirche in Rom. Unter dem großen Kaiser Konstantin wurde im Jahre 391 der Katholizismus zur nationalen Religion des römischen Weltreiches, und die Autorität des Papstes im Katholizismus wurde sogar stärker als die Macht des römischen Kaisers.
Nach meiner festen Überzeugung hat diese Tatsache eine außerordentlich große Bedeutung für die menschliche Geschichte, weil dadurch nicht nur Rom und Italien selbst, sondern fast ganz Europa vom Christentum ganz entschieden beeinflusst wurden. Die europäischen Menschen fingen damals an zu erkennen, dass die wirkliche Existenz der Welt auf dem Glauben an Gott beruht und sie entwickelten sich schrittweise in die Richtung einer außerordentlich religiösen Kultur. Sie glaubten an die Lehre der Ursünde und wollten physische Begierden, insbesondere sexuelle Gier, unterdrücken. Eine solche Entwicklungsrichtung scheint sehr gut in die gesamte damalige soziale Umgebung zu passen. Obgleich sich nämlich die Bevölkerung immer mehr vermehrte, nahm im Verhältnis dazu das in der Landwirtschaft kultivierbare Land immer ab, so dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu einem großen Problem wurde. Eine Zunahme der Bevölkerung war also wegen der Knappheit an Nahrungsmitteln gar nicht möglich.

d) Das Zeitalter des Feudalismus
Nachdem das römische Weltreich im Jahre 476 zu Ende gegangen war, erkannte man in vielen Ländern Europas, dass es sehr wichtig war, das knappe Land zu pflegen und zu bebauen, um die notwendigen Nahrungsmittel für den Lebensunterhalt zu sichern. Daher mussten viele Völker auswandern, weil sie wegen der Landknappheit erkannt hatten, dass sie das erforderliche und geeignete Land für sich in anderen Regionen suchen mussten. Dies war der Beginn der europäischen Völkerwanderung. Wenn sie dann solches Land in Europa für sich gefunden hatten, wanderten die Völker und Stämme dort hin, um sich ernähren zu können. Die bewährten Führer wurden dann ihre Könige, so dass sich in verschiedenen Ländern Europas entsprechende Königreiche herausbildeten.
Diese Länder waren durch die jeweilige Größe des verfügbaren und bebaubaren Landes begrenzt. Damit begann das Zeitalter der feudalistischen Gesellschaften.
Üblicherweise wird dieses Zeitalter als Mittelalter bezeichnet. Darin kommt die Bedeutung zum Ausdruck, dass dies in der Mitte zwischen der Antike und dem modernen Zeitalter liegt. Diese Bezeichnung hat demnach eigentlich keine eigenständige Aussage, sondern bezieht sich auf die zeitliche Mitte zwischen antiker und moderner Welt. Nach meiner Ansicht handelt es sich beim Feudalismus aber um ein eigenständiges neues Zeitalter, in dem sich die Menschen der bedeutenden geschichtlichen Tatsache bewusst wurden, dass es für sie unbedingt notwendig ist, ausreichend Land zu besitzen und zu pflegen, das für die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln unbedingt erforderlich ist. Im Zuge dieser Entwicklung wurde die Tatsache also immer deutlicher, dass das Land zur Erzeugung der Nahrungsmittel für die Menschheit von zentraler Bedeutung ist. Durch diese geschichtlichen Tatsachen fanden die Menschen die Einheit und Einheitlichkeit des Ackerlandes und ihnen wurde klar, dass alle Länder miteinander verbunden sind und dass die ganze Welt eine Einheit ist.
Die Erkenntnis der geografischen Einheit der Welt ging Hand in Hand mit dem Glauben, dass es einen einzigen Gott gibt, der diese Welt steuert. Solche Überlegungen haben bei den Menschen dazu geführt, dass der monotheistische Glaube an Gott sich verstärkte und zu einer außerordentlich starken geschichtlichen Kraft wurde. Auf dieser Grundlage haben sich das Christentum und der Islam sehr stark entwickelt.
Daher glaube ich, dass das feudalistische Zeitalter nicht die isolierte Mitte von Antike und Moderne ist, sondern dass es der Beginn und die Grundlage der modernen Zeit ist.
Im feudalistischen Zeitalter war die Knappheit an Nahrungsmitteln sicher das ernsteste Problem und daher waren die spirituellen Religionen des Christentums und des Islam durchaus angemessen, um die physischen Bedürfnisse des Essens und der Reproduktion zu steuern. Dieses Kennzeichen des feudalistischen Zeitalters ist nicht unbedingt als Humanismus zu sehen, sondern beruht vielmehr auf der unbedingten Notwendigkeit, die sich zwangsläufig daraus ergibt, mit der Nahrungsmittel-Knappheit für die menschliche Gesellschaft fertig zu werden.
Die Menschen, die ein überaus hartes und arbeitsreiches Leben in der damaligen Gesellschaft hatten, konnten sich allerdings an Festen und beim Tanzen erfreuen, nachdem sie ihre schwere Arbeit in der Landwirtschaft und besonders bei der Ernte der Agrarprodukte beendet hatten und sich dann eine gewisse Zeit erholten. Obgleich also die Gesamtsituation im feudalistischen Zeitalter hart für die Menschen war und ihnen wenig Freude am Leben ermöglichte, ergab sich dies zwangsläufig aus den Bedingungen der Knappheit an Nahrungsmitteln. Es gab damals keine andere Möglichkeit als dies so zu bewältigen. Nach meiner Ansicht ist diese erste schwere Epoche der Beginn des modernen Zeitalters und zwar mit den bitteren Erfahrungen, die sich aus der damaligen Not und Entbehrung ergeben hatten.
Ich denke, dass daher die erste Phase des modernen Zeitalters sehr spirituell und idealistisch war. Man kann sagen, dass die Grundlage der christlichen Theologie, die durch den heiligen Augustinus geschaffen wurde, auf dem platonischen Idealismus beruht und dass die höchste Autorität der katholischen Theologie von Thomas von Aquin (1225/6 bis 1274) auf dem Idealismus von Aristoteles aufbaute. Aus meiner Sicht ist es ganz natürlich, dass sich der erste Schritt in das moderne Zeitalter aus der idealistischen Philosophie entwickelte und es liegt in der Natur der Sache, dass alles mit einer ersten Phase des Idealismus beginnt.

e) Die Renaissance
Im ausgehenden feudalistischen Zeitalter gab es zwischen 1096 und 1270 schwere Konflikte zwischen den islamischen und christlichen Ländern, die Crusades genannt wurden. Italienische Stadtrepubliken wie Venedig, Genua, Florenz, Mailand usw. konnten erheblichen Reichtum ansammeln, weil die Armeen dort hindurchzogen und der Handel blühte. Diese Stadtrepubliken waren vor allem sehr erfolgreich beim Handel auf den Seewegen, in der Textil-Herstellung und auch bei sonstigen handwerklichen Tätigkeiten und sie wurden sehr reich. Sie unterstützten auch in erheblichem Umfang Schriftsteller, Wissenschaftler und Künstler. Vor allem Wissenschaftler untersuchten die antike griechisch-römische Kultur,und dieser gesamte Bereich der Wissenschaft entwickelte sich kräftig und breitete sich schrittweise über ganz Europa aus. Das Wort Renaissance bedeutet "Wiedergeburt" und damit ist die Wiederbelebung des Humanismus gemeint, der in der griechisch-römischen Kultur so außerordentlich lebendig und kraftvoll gewesen war. Der Humanismus hatte damit den Anschluss an die moderne Zeit gefunden, nachdem er im feudalistischen Zeitalter eine gewisse Unterdrückung erfahren hatte.

f) Die Reformation
Die humanistische Bewegung entwickelte sich auch im Bereich der Religion selbst weiter. Der deutsche Theologe Martin Luther (1483 bis 1546) kritisierte das damalige Verhalten der katholischen Kirche mit aller Entschlossenheit und dabei insbesondere die Trägheit, Gewinnsucht und den Ablasshandel. In seinen 95 Thesen, die er an die Tür der Kirche zu Wittenberg anheftete, bestand er darauf, dass der christliche Glaube sich nur nach der Schrift der Bibel richten sollte und damit nicht von anderen Interessen gesteuert wurde. Diese Auffassung wurde von feudalen Fürsten, liberalen Bürgern, humanistischen Schriftstellern und Bauern, die so sehr unter den schweren Lebensbedingungen gelitten hatten, unterstützt.
Fast zur gleichen Zeit musste der humanistische Theologe Jean Calvin (1509 bis 1564) aus Frankreich fliehen, um der Verfolgung durch die katholische Regierung zu entkommen und ging in die Schweiz. Seine Gedanken hatten große Ähnlichkeit mit Luthers Glauben, dass das Christentum immer der Bibel folgen sollte und daher unterscheiden sich seine Annahmen ein wenig vom Humanismus. Die protestantische Religion unterstützte religiöse Anstrengungen insbesondere in Bezug auf die menschliche Arbeit und auf diese Weise wurden die Aktivitäten des modernen Handels und der modernen Produktionsweise und Industrien ganz erheblich unterstützt. Dies ist die protestantische Arbeitsethik. In diesem Sinne können wir annehmen, dass der Protestantismus im modernen Zeitalter die neuen kapitalistischen Gesellschaften ermutigte und unterstützte und dies war ihrerseits die Kräftigung der humanistischen Entwicklungslinien in der modernen Gesellschaft.
Wenn ich an die wechselseitigen Beziehungen zwischen Katholizismus und Protestantismus denke, wird mir klar, dass deren Unterschiede nicht so gewaltig sind, sondern dass es eher um relative Verschiedenheiten geht. Dies gilt vor allem in der Beziehung zwischen Menschen und Gott. Beim Katholizismus wird diese Beziehung durch die Katholische Kirche vermittelt, während beim Protestantismus eine unmittelbare Bindung zwischen Gott und den Menschen besteht. Aus meiner Sicht handelt es sich demnach nicht um einen unüberbrückbaren grundsätzlichen Unterschied zwischen beiden Kirchen, denn es geht lediglich darum, ob die Kirche die Vermittlung zwischen Menschen und Gott übernimmt oder nicht.

g) Unabhängigkeit der USA
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts waren Gruppen der Puritaner aus England zur Ostküste von Nordamerika ausgewandert, um ihren religiösen Glauben dort frei ausüben zu können. Die Zahl dieser Auswanderer stieg dann fortlaufend an. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatten sich dort bereits dreizehn einzelne Kolonien gebildet.
Die englische Regierung kontrollierte diese Kolonien jedoch in restriktiver Weise, so dass die Menschen immer mehr zu der Überzeugung kamen, sich von England unabhängig zu machen, und schließlich der Unabhängigkeitskrieg in USA ausbrach.
Am Anfang des Krieges war die Armee der Unabhängigkeit noch nicht so stark, aber später wurde sie von den Armeen Frankreich, Spanien und Holland unterstützt, so dass sie immer stärker wurden und zusätzlich die Länder Russland, Schweden, Dänemark, Portugal und Preußen die Zusicherung gegeben hatten, sich neutral zu verhalten. Dadurch wurde England weit gehend isoliert und beendete den Krieg mit dem Friedensvertrag in Paris im Jahre 1783. nach meiner Einschätzung können wir dies als geschichtliche Tatsache von großer Bedeutung ansehen, weil es ein hervorragendes Beispiel für den Fortschritt des Humanismus ist. Die Unabhängigkeit der USA hat zudem die Französische Revolution wesentlich ermutigt.

h) Die Französische Revolution
Der französische politische Philosoph mit dem Namen Jean Bordin hatte im 16. Jahrhundert die Meinung vertreten, dass die Herrschergewalt des Königs von Gott selbst gegeben und dass sie heilig und absolut sei. Aber im 17. und 18. Jahrhundert wurde diese Frage neu aufgerollt und vor allem durch Voltaire (1694 bis 1778), Montesquieu (1689 bis 1755) und Rousseau (1712 bis 1778) gründlich und vertieft behandelt. Die neue Diskussion dieser Fragen und Probleme wurde zunehmend auf der Grundlage des Humanismus selbst geführt. Auf diese Weise gelangten Gedanken und Überzeugungen des Humanismus in weite Kreise des Landes und man war nicht mehr bereit, das alte Königtum ohne jede Einschränkung anzuerkennen.
Durch diese Entwicklung fingen die Menschen in Frankreich an, sich über die wirkliche Situation ihrer Regierung, des Adels und der Gesellschaft Klarheit zu verschaffen und die Wirklichkeit schärfer zu erkennen. Daraus entstand eine außerordentlich starke Kritik an der Politik der Regierung. Diese reagierte mit der Gefangenennahme so genannter politischer Verbrecher, so dass sich die Gefängnisse des Landes immer mehr mit Oppositionellen füllten. Am 14. Juli 1789 marschierte dann eine große Gruppe von Frauen zur Bastille und klagten die Regierung wegen der unerträglichen Knappheit an Nahrungsmitteln an. In der Bastille war das Gefängnis untergebracht und sie wollten die Gefangenen befreien. Dies war der Beginn der Französischen Revolution.
In der Folge wurde das ganze Land tief aufgewühlt und in Unruhe versetzt. Obgleich ein neues Parlament im Oktober 1791 seine Arbeit aufnahm, gab es heftige Kämpfe zwischen einer gemäßigten Gruppe, den Girondinern und den radikalen Jacobinern. Die gemäßigte Gruppe hatte zwar ein Kabinett gebildet, aber sie waren nicht in der Lage, einen politischen Kompromiss mit Österreich und Preußen zu erzielen und erklärten ihnen den Krieg. Die Armee Frankreichs war damals jedoch nicht sehr stark, so dass die fremden Armeen Frankreich eroberten und die radikale Gruppe dort wieder an politischer Macht gewann. Schließlich wurden Louis der 16. und seine Familie hingerichtet. Frankreich war durch die Revolution also in eine außerordentlich schwierige Lage geraten und es war notwendig, dass sie durch die militärische Kraft Napoleons im Jahre 1802 sich erholte und die Unabhängigkeit zurück gewann.
In jedem Fall war Frankreich ein demokratisches Land geworden und die Menschen erfreuten sich viel größerer humanistischer Freiheit als vorher.

i) Der Bürgerkrieg in USA
Im Jahre 1854 hatte sich eine republikanische Partei zum ersten Mal in den USA organisiert und Abraham Lincoln wurde als 16. Präsident von seiner Partei gewählt. Er wurde zu einem berühmten Staatsmann, der darauf bestand, das System der Sklaverei abzuschaffen und es entwickelte sich eine starke Bewegung gegen das Sklaventum in USA.
Im Gegensatz zum Norden hatte sich im Süden der USA ein System großer Farmen zur Erzeugung von Baumwolle entwickelt für welche die Sklavenarbeit damals unerlässlich waren. Aus diesem Grund beschlossen elf Staaten der südlichen USA, sich unabhängig zu machen, um die Sklaverei beibehalten zu können.
Der Bürgerkrieg begann 1861 und zunächst eilte die Armee des Südens von Sieg zu Sieg, weil sie militärisch erheblich stärker als der Norden war. Aber allmählich erstarkte die Armee der Nordstaaten nicht zuletzt wegen einer leistungsfähigen Produktion von Waffen, ausreichender Bevölkerung, so dass der Norden schließlich im Jahre 1865 Sieger des Bürgerkrieges wurde.
Auch in diesem Bürgerkrieg können wir eine klare humanistische Entwicklung erkennen und wir können annehmen, dass die humanistische Kraft in der menschlichen Gesellschaft sich immer klarer in der ganzen Welt zeigte.

j) Der erste Weltkrieg
Am 28. Juni 1914 verübte ein serbischer Student ein Attentat auf den Kronprinzen und die Prinzessin von Österreich, so dass Deutschland und Österreich das serbische Gebiet angriffen. Aber Großbritannien, Frankreich, Russland, Japan, Serbien selbst und andere Länder erklärten Deutschland, dem ungarisch-österreichischen Reich und der Türkei sowie weiteren Staaten den Krieg.
Der erbitterte Weltkrieg dauerte bis 1918 und endete am 11. November, als die unterlegenen Armeen kapitulierten. Es kam zu dem Friedensvertrag von Versailles im Jahre 1919.
Obgleich Österreich und Deutschland und weitere Staaten mit erheblicher Energie ihren Militarismus und Imperialismus entwickelt hatten, kann man sagen, dass diese Art von Anstrengung geschichtlich veraltet, wenn man sie mit den neuen humanistischen und demokratischen Entwicklungen der siegreichen Länder vergleicht.

k) Der zweite Weltkrieg
Im Jahre 1931 hatte Japan den nordöstlichen Teil Chinas erobert, der Mandschurei genannt wird und dabei ungerechte Methoden verwendet, in dem es einen Puppenstaat errichtete, der Manchukuo genannt wurde. Im Jahre 1932 und 1936 ereigneten sich in Japan große politische Umwälzungen und es wurden der Premierminister, Finanzminister und bekannte Führungspersönlichkeiten der Wirtschaft getötet. Seit dieser Zeit konnte sich Japan immer weniger den radikalen Zielen der militärischen Machthaber entgegenstellen.
Zur gleichen Zeit kam in Deutschland der Führer Adolf Hitler der Nazi (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) in kurzer Zeit an die Macht und wurde von dem Präsidenten Hindenburg trotz inneren Widerstandes als Führer der Regierung im Jahre 1933 ernannt.
In Italien hatte Benito Mussolini die italienische faschistische Partei im Jahre 1919 gegründet. Drei Jahre später organisierte er den Marsch auf Rom mit seinen Schwarzhemden und wurde Premierminister. Er gestaltete die Regierung zunehmend nach diktatorischem Muster. Die so genannten Achsenmächte, also Italien und Frankreich, begannen einen Krieg gegen die Alliierten, vor allem gegen Großbritannien, die UDSSR und die USA. Hitler hatte Deutschland bereits heimlich wieder aufgerüstet und besetzte 1936 im Gegensatz zum Versailler Vertrag das Rheinland. Im selben Jahr schlossen sich der italienische faschistische Diktator Benito Mussolini und Hitler in einer Achse Rom-Berlin zusammen und 1937 wurde ein Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Japan unterzeichnet.
Deutschland besetzte dann verschiedene Länder in Europa und Italien eroberte Äthiopien im Jahre 1935 und 1936. Japan hatte die amerikanische Flotte von Pearl Harbor im Dezember 1941 angegriffen und provozierte die USA an der Seite von Großbritannien zum Krieg.
Die alliierte Invasion Westeuropas wurde in der Normandie in Frankreich im Juni 1944 durchgeführt und damit die Niederlage Deutschlands eingeleitet. Nach Hitlers Selbstmord in Berlin im Mai 1945 erklärte Deutschland die bedingungslose Kapitulation. Der pazifische Krieg hatte die japanische Flotte ausgeschaltet, und die schweren strategischen Bombenangriffe auf Japan durch die USA und vor allem die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 erzwangen einen Monat später die Kapitulation Japans.
Nach meiner Einschätzung hatten Japan, Deutschland und Italien eine grundsätzlich falsche Politik, denn sie wollten ihre ungünstige politische Situation dadurch verbessern, dass sie in Form des Imperialismus, der Diktatur und des Militarismus Kolonien und abhängige Staaten schaffen wollten. Aber die Geschichte hatte sich inzwischen weiter entwickelt, so dass sie mit diesen überholten politischen Zielen keinen Erfolg haben konnten. Die Demokratien und der Humanismus hatten sich in den anderen Ländern bereits wesentlich weiter entwickelt und dies zeigte sich auch in ökonomischen und militärischen Bereichen. Der Wettkampf um Kolonien war überholt und konnte nicht mehr wieder belebt werden.

l) Vermeidung des dritten Weltkriegs
Nach dem zweiten Weltkrieg hatten die USA und die UDSSR sich als die größten globalen Mächte heraus gebildet. Ihre Allianz während des zweiten Weltkrieges zerbrach aber schon innerhalb von drei Jahren und diese beiden Länder rüsteten durch gewaltige Programme wieder auf und entwickelten vor allem furchtbare Atomwaffen, als der kalte Krieg begann.
Die USA sind das viertgrößte Land der Erde und umfassen den zentralen Gürtel von Nordamerika einschließlich Alaska sowie Hawaii, Puerto Rico und einige kleinere pazifische Inseln.
Die Sowjetunion (UDSSR) bestand aus einem Zusammenschluss von fünfzehn Republiken und eroberte die nördliche Hälfte von Asien und Teile von Osteuropa und bestand aus Russland, Weißrussland, Ukraine, den baltischen Ländern Georgien, Armenien, Moldawien, Aserbeidschan und Kasachstan. Es hatte ganz den Anschein, dass diese beiden außerordentlich mächtigen und aufgerüsteten Länder zum großen letzten Kampf antreten, um den Gewinner für die Weltherrschaft zu ermitteln.
Ich habe bereits erläutert, dass ich ein Modell habe, dass die ganze Welt in ihrer bisherigen Geschichte eine Art von grausamen Wettkampf ist, der sich seit der alten Zeit fortgesetzt hat und dass sich bisher noch keine hoch entwickelte humane Kultur herausgebildet hat. Wenn ich an den letzten furchtbaren Kampf zwischen USA und UDSSR als dritten Weltkrieg dachte, überwältigten mich große Sorgen und ich dachte an die furchtbaren Folgen eines solchen Krieges. Ich hatte selbst die Bombardierungen durch die amerikanische Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg hautnah miterlebt, bei der mein Haus in Tokyo ausbrannte. Vor allem die katastrophale Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki machte mir schwere Sorgen, wenn ich den Dritten Weltkrieg denken musste.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich die USA und die UDSSR schnell zu den beiden größten Mächten der Welt entwickelt. Ihre Allianz des Zweiten Weltkrieges war innerhalb von nur drei Jahren zerbrochen und die gewaltige Wiederaufrüstung mit nuklearen Waffen erzeugte im kalten Krieg eine hoch explosive Situation. Wegen dieser drohenden Katastrophen hielt ich einen Dritten Weltkrieg für unausweichlich und es war für mich klar, dass, wenn ein solcher Krieg wirklich stattfinden würde, auf der Erde eine ungeheure Zerstörung angerichtet würde. Außerordentlich wertvolle Menschenleben, großartige Bauten, historische nicht ersetzbare Dokumente und ein großes kulturelles Erbe usw. würden dabei zerstört und untergehen. Leider musste ich damals davon ausgehen, dass es vollständig unmöglich sei, dass die Menschheit einem Dritten Weltkrieg entgehen könnte.
Aber wie wir wissen, haben wir das große Glück, dass es gelang, schließlich den Dritten Weltkrieg zu vermeiden. Ich muss gestehen, dass mich dies wirklich überraschte und ich war außerordentlich dankbar dafür, dass die Menschen nicht so wahnsinnig waren, ihre wertvollen Kulturen zu zerstören. Ich bin sicher, dass es viele Menschen gab, die im Hintergrund große Anstrengungen im unternahmen, um die Entwicklung zu einem furchtbaren Dritten Weltkrieg zu verhindern. Ich möchte diesen Menschen daher meinen großen Dank aussprechen, aber vor allem möchte ich dem russischen Staatsmann Michael Gorbatschow von ganzem Herzen danken.
Michael S. Gorbatschow (1931 bis 2007) war der Präsident der Sowjetunion (1990 bis 1991). Er war Mitglied der kommunistischen Partei seit 1952 und wurde im Jahre 1979 in das Generalkomitee und dann in das Politbüro gewählt. Nach dem Tod von Konstantin Chenenku wurde er im März 1985 der sowjetische Führer und übte seine Macht vor allem durch die Position als Generalsekretär der kommunistischen Partei der UDSSR aus.
Gorbatschows Anstrengung, die Perestroika sowie ökonomische und soziale Reformen in der UDSSR in Gang zu bringen, führte zu einem allmählichen Prozess der Befreiung und der Einführung leistungsfähiger moderner Technologien. Zusammen mit seinem Außenminister Eduard Schewardnarze handelte er 1987 einen Abrüstungsvertrag mit dem Westen aus, um die Atomwaffen in Europa zu reduzieren. Er ließ viele politische Dissidenten aus dem Gefängnis frei, unter anderem auch André Sacharow. Den russischen Bürgern wurde zum ersten Mal von den furchtbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von Stalins Regime begangen wurden, berichtet. Er leitete wichtige Verfassungsänderungen ein, so dass z. B. der Kongress der Volksvertreter direkt gewählt wurde. Dieser Kongress wählte ihn dann zum Präsidenten. Er unterstützte den Golfkrieg, aber er sah sich zunehmenden Widerstand aus konservativen Kreisen und bürokratischen Hierarchien ausgesetzt, während die bislang diktatorisch gefesselten Republiken der UDSSR versuchten, sich unabhängiger zu machen. Gorbatschow unternahm den vergeblichen Versuch in der Präsidentschaftswahl von 1996, seine Macht zu festigen, aber er unterlag ganz klar dem Herausforderer Jelzin.
Wenn ich an den politischen Werdegang von Gorbatschow denke, steigt in mir der furchtbare Verdacht auf, dass es unausweichlich zum Dritten Weltkrieg gekommen wäre, wenn Gorbatschow nicht auf der Welt wäre. Ich habe daher die größte Achtung vor seinen gewaltigen wertvollen Anstrengungen, den Dritten Weltkrieg zu vermeiden und ich bin außerordentlich glücklich darüber, dass wir Menschen einen solchen furchtbaren und katastrophalen Krieg nicht erleben mussten.