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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Montag, 19. Oktober 2009

Der Mensch Gautama Buddha , Teil 4
Gautama Buddhas Erleuchtung


Gautama Buddha hatte am eigenen Leibe erfahren, dass ein asketisches Leben völlig sinnlos ist, um Erleuchtung zu erlangen, und darüber hinaus sogar schwere körperliche und geistige Zerstörungen anrichtet. Daher verließ er den Wald des asketischen Lebens in aller Entschiedenheit. Die dort übenden Asketen waren sicher, dass Gautama Buddha den Wald des asketischen Lebens verließ, weil es ihm letztlich an Ausdauer, Disziplin und Willen mangelte und daher verlachten sie ihn und überhäuften ihn mit Verachtung und Vorwürfen.

Wir können jedoch davon ausgehen, dass Gautama Buddha die starke und reine Absicht im Sinn hatte, die Wahrheit zu suchen und es gab sicher bei ihm nur den festen Willen, diese Wahrheit zu erlangen. Daher hatte Gautama Buddha die Askese abgebrochen, ohne überhaupt weiter von der Kritik der anderen Asketen Notiz zu nehmen. Das Asketentum hatte sich als Sackgasse erwiesen.

Als Gautama Buddha sich dann völlig entkräftet am Ufer des kleinen Flusses Nairanjana vorwärts schleppte, bemerkte ein kleines Mädchen mit Namen Sujata den siechen und bemitleidenswerten Zustand von Gautama Buddha und bot ihm Haferschleim zum Essen an, den sie bei sich trug.

Als Buddha den Haferschleim gegessen hatte, fühlte er sich schon etwas kräftiger, und sein Körper und Geist erholten sich langsam. Er begann nun auf einem anderen Weg nach der Wahrheit zu streben, indem er bei der alten in Indien weit verbreiteten Yoga-Praxis anknüpfte. Gautama Buddha benutzte dabei eine Yogahaltung, die als die beste und wirkungsvollste angesehen wird. Diese Sitzpraxis ist dieselbe, die bis in die heutige Zeit beim Zazen verwendet wird.

Nachdem er eine solche Praxis mehrere Jahre fortgesetzt hatte, saß er an einem Wintermorgen im Zazen und bemerkte mit einem Mal, dass er nicht mehr im Bereich der Gedanken und Wahrnehmung weilte, sondern dass er nur im Bereich der Wirklichkeit lebte. Diese Wirklichkeit war die Wahrheit, die er so lange gesucht hatte!

In einem wichtigen Sutra heißt es, dass "Berge, Flüsse, Gras und Bäume vollkommen die Wahrheit geworden sind" und im Shobogenzo von Meister Dogen heißt es in derselben Weise:

"Berge, Flüsse und die Erde sind zur Wahrheit geworden".

Daher können wir verstehen, dass Gautama Buddha plötzlich die vollkommen eindeutige und klare Erfahrung machte, dass diese Welt genau die Wirklichkeit ist und dass diese Welt genau die Wahrheit selbst ist. Was wir in unserem Gehirn erzeugen, wird niemals die volle Wahrheit werden und was wir durch unsere Sinneswahrnehmungen aufnehmen, kann ebenfalls niemals die ganze, umfassende Wahrheit oder Wirklichkeit sein.

Was wir genau im gegenwärtigen Augenblick tun, ist die Wahrheit und ist genau die Wirklichkeit. Daraus wird schlagartig klar, dass die beiden großartigen westlichen Philosophien des Idealismus und Materialismus niemals die volle Wahrheit sein können. Sie sind nur eine Art von Vorstellung oder Illusionen im Vergleich zum Handeln im gegenwärtigen Augenblick, durch das wir direkt in die Wirklichkeit und die Wahrheit kommen.

Das Handeln, das wir im gegenwärtigen Augenblick vollziehen, ist die wirkliche Existenz des Universums und daraus ergibt sich zwingend die Einheit des menschlichen Handelns mit dem realen Universum als die Wirklichkeit selbst. Dies ist eine einfache Tatsache im gegenwärtigen Augenblick und dies ist genau die Erleuchtung.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Der Mensch Gautama Buddha, Teil 3

Abschied vom Leben in seiner Familie und vom Königspalast

Nachdem Gautama Buddha lange Zeit hin und her überlegt hatte, entschied er sich endgültig, seine Familie zurückzulassen und ein religiöser Mönch zu werden. Haus und Familie zu verlassen bedeutet, dass ein Mann oder eine Frau Mönch oder Nonne wird, um ganz der spirituellen Wahrheit zu folgen. Ich nehme an, dass Gautama Buddha sich viele Gedanken und Sorgen darüber gemacht hatte, ob es moralisch zu vertreten sei, die Familie zu verlassen und nicht mehr für sie zu sorgen und sie nicht mehr unterstützen zu können.

Aber es erschien ihm unmöglich, dem Streben nach der Wahrheit nicht zu folgen, denn dies war seit langer Zeit sein großes Ziel: Er wollte den Menschen in der Welt helfen und sie retten, indem er selbst die wirkliche Wahrheit der Welt gefunden hatte und mit ihnen teilen konnte. Als er 29 Jahre alt war, sagte er seinem Diener mit dem Namen Channa, dass dieser sein weißes Pferd in den Garten des Palastes bringen solle. Dann verließ Gautama Buddha den Palast unbemerkt, er hatte seine Familie vorher nicht über seine Pläne eingeweiht, um Tatsachen zu schaffen, die unumkehrbar waren.

Der Diener Channa folgte Gautama Buddha zu einem Hain mit dem Namen Anupiya und dort gab Gautama Buddha Channa den Befehl, zu seinen Eltern und seiner Familie zurückzukehren. Der Diener nahm die wertvollen Kleider Gautama Buddhas auf dessen Bitte mit sich, weil dieser sie nicht mehr tragen wollte. Er wollte eine einfache Hausloser werden, der keinen Besitz und nichts Kostbares sein eigen nannte. So machte sich Gautama Buddha auf, nach der Wahrheit zu forschen.

Die beiden Denker und Lehrer von Gautama Buddha

Am Anfang seiner Suche nach der Wahrheit ging Gautama Buddha zu einem Denker mit Namen Alara Kalama, der nahe der Stadt Vaisali mit seinen ca. 300 Schülern lebte. Er war vermutlich kein Brahmane und ein Denker mit einer neuen Lehre. Er behauptete von sich, dass er "den Zustand nichts zu haben" erlangt hatte. Was ist damit gemeint, „nichts zu haben“?

Wir Menschen haben im allgemeinen immer ein Verlangen nach bestimmten Dingen, aber Alara Kalama vertrat mit Nachdruck und sicher überzeugend den hohen moralischen Wert, nicht irgendeine Sache oder überhaupt materielle Dinge haben zu wollen und nicht an ihnen zu hängen. Im Allgemeinen haben die Menschen starkes Begehren etwas zu besitzen und eine solche Schwäche ist manchmal wirklich sehr gefährlich und macht die Menschen blind. In diesem Sinne lehrt uns Alara Kalama, nicht gierig zu sein und sich von materiellen Dingen nicht abhängig zu machen.

Gautama Buddha widmete sich dieser Lehre mit ganzer Hingabe und verstand schon bald, dass der Ansatz von Alara Kalama doch sehr intellektuell und nicht sehr praktisch für unser Leben war. Er empfand diese Lehre daher als einseitig. So entschloss er sich, fort zu gehen und einen anderen Denker und Philosophen aufsuchen.

Dieser zweite Denker, den Buddha anschließend besuchte, war Udraka Ramaputra. Es wird berichtet, dass er nicht weit entfernt von dem Ort des Alara Kalama lebte, aber die Überlieferung ist in diesem Fall nicht ganz gesichert, weil auch andere Orte infrage kommen. Der Name Udraka Ramaputra bedeutet “das Kind von Rama“ und es wird überliefert, dass dort insgesamt ca. 700 Schüler mit diesem Lehrer zusammenlebten. Er selbst war von seiner Lehre tief überzeugt und besaß für viele Schüler eine große Anziehungskraft. Seine Lehre kann wie folgt bezeichnet werden: "Der Zustand des Nicht-Denkens/des nicht Nicht-Denkens". Dies hört sich kompliziert an und könnte Folgendes bedeuten: "Der Zustand, in dem man Denken und Sinneswahrnehmung überschreitet".

Wir können annehmen, dass diese beiden ersten Lehrer und Denker im Bereich des abstrakten Denkens verharrten, obgleich sie zumindest teilweise durchaus realistische Philosophien vertraten. Gautama Buddha fand es jedoch schwierig, ihre philosophischen Sichtweisen als Realismus anzunehmen, der auch für unser praktisches Leben geeignet ist.

Gautama Buddhas Suche nach der Wahrheit als Asket.

Obgleich Gautama Buddha von Alara Kalama die Lehre "des Zustandes, nichts zu haben" erhalten hatte, die eine Gelassenheit oder gar Gleichgültigkeit gegenüber jedem Eigentum beinhaltet und von Udraka Ramaputra gelernt hatte, "den Zustand des Nicht-Denkens/des nicht Nicht-Denkens zu überschreiten", waren diese Philosophien der beiden Denker doch sehr intellektuell und nicht sehr praktisch und wenig auf die Realität zugeschnitten. Weil Gautama Buddha jedoch sehr praktisch veranlagt war, konnte er durch die Lehren dieser beiden weisen Männer nicht befriedigt werden, da sie für das Leben in seiner ganzen Komplexität wenig geeignet waren.

Daher änderte Gautama Buddha radikal seine Richtung bei seiner Suche und ging einen Weg, der genau das Gegenteil von Theorie ist. Er wollte jetzt ein asketisches Leben erproben, das im alten Indien durchaus populär war, und wollte Asket werden. Gautama Buddha wollte also die großen Fragen und Probleme des Lebens klären, indem er die physischen Bedingungen seines Körpers bis an die äußersten Grenze ausdehnen wollte und suchte geradezu einen Zustand, der so schmerzhaft wie möglich war.

Er hoffte durch das Überschreiten aller körperlichen Schmerzgrenzen und durch extreme Entbehrungen zur Wahrheit und zum Erwachen vorzustoßen. Als Asket war daher seine Lebenseinstellung und Praxis durch äußerste Willensanstrengungen geprägt und über alle Maßen ernsthaft und extrem. Er reduzierte seine Nahrung und den Schlaf so weit, dass er einige Male ohnmächtig wurde. Das Gerücht "Gautama stirbt" durch seine extreme Askese ging denn auch mehrmals durch den Wald der Asketen. Er hatte durchaus hohes Ansehen wegen seiner durch eisernen Willen geprägten Lebensführung erworben. Aber kam Gautama Buddha dadurch zum Erwachen? Nein! Er fand dabei nur die einfache Tatsache, dass sein Geist gleichzeitig mit dem Körper dahinschwand und geradezu verdorrte!

Je mehr und je härter er seinen physischen Körper quälte und folterte, desto labiler wurde sein Geist. Mit anderen Worten wurde sein Leben mit jedem Tag immer instabiler, je länger er seine extreme Askese fortsetzte. Diese Erkenntnis traf ihn völlig unerwartet, aber es war eine außerordentlich wichtige Erfahrung.

Weil er ein sehr praktischer Mensch war, wurde ihm immer klarer, dass ein asketisches Leben überhaupt nicht sinnvoll ist, um eine authentische eigene Form und die geistige Freiheit des Lebens zu eelangen. Wenn er diese äußerst wichtige Erfahrung nicht gemacht hätte, wäre es höchst unwahrscheinlich, dass der Buddhismus überhaupt erkannt hätte, dass ein asketisches Leben für die Suche nach der Wahrheit keinen Wert hat. Das Asketentum ist sogar auf dem Weg zur Wahrheit und zum Erwachen schädlich, denn Körper und Geist sind eine Einheit und wenn wir dem Körper schweren Schaden zufügen, leidet auch und nicht zuletzt der Geist.