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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Mittwoch, 25. Januar 2012



Neue buddhistische Dimension des "Mittleren Weges" von Nagarjuna
Kommentar zum neuen Buch von Gudo Nishijima und Brad Warner von Yudo J. Seggelke, veröffentlich in Amazon

Das neue Buch zu Nagarjunas Mittlerem Weg: “Fundamental Wisdom of the Middle Way” (genannt MMK) ist spannend und vielleicht sogar eine Sensation. Warum? Weil Nishijima Roshi und der bekannte Autor Brad Warner eine ganz neue Dimension zu diesem großen buddhistischen Werk eröffnen. Beide sind unkonventionelle Menschen und Buddhisten. Ihr Verständnis, ihre Übersetzung und vor allem die detaillierten Erläuterungen unterscheiden sich gewaltig von anderen Versionen.

Der „Mittlere Weg, MMK“ hat mindestens drei wesentliche Dimensionen: Eine buddhistische, eine sehr komplizierte philosophische und eine poetische, denn MMK ist in Sanskrit-Versen verfasst.

Nishijima und Brad Warner sind buddhistische Meister, sie haben Buddhismus seit vielen Jahren studiert und praktiziert. Nishijima hat über 20 Jahre am MMK gearbeitet, weil ihn die bisherigen Übersetzungen und Kommentare nicht befriedigt haben. Er brachte dabei sein tiefes Verständnis des Zen-Buddhismus von Meister Dogen ein. Es ist daher nicht verwunderlich, dass beide vor allem an der buddhistischen Dimension interessiert sind.

Sanskrit-Wissenschaftler haben über viele Jahre großen Aufwand für eine grammatikalisch korrekte Übersetzung geleistet. Aber Nishijima und Brad Warner graben tiefer und haben nach meinem Verständnis eine neue darunter liegende buddhistische Struktur entdeckt und zu Tage gefördert, die bisher weitgehend unbekannt war.
Dies ist zweifellos ein bedeutendes Buch. Warum? Weil MMK eines der zentralen Werke nicht nur des Mahayana sondern des Buddhismus überhaupt ist. Nishijima Roshi ist einer der größten buddhistischen Meister der jetzigen Zeit, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Wenn dieses äußerst wichtige Werk von einem außergewöhnlichen Meister neu bearbeitet und erklärt wird, so ist das ein sehr bedeutsames Zusammentreffen und von großem Interesse. Ob wir dem Inhalt zustimmen oder nicht.

Keine Frage, das Buch enthält viele neue Aussagen und Informationen. Das mag manche zunächst irritieren, weil sie nicht daran gewöhnt sind. Wie ich persönlich weiß, hat Nishijima mit großer Sorgfalt und großem Engagement zwei Jahrzehnte daran gearbeitet. Sein Buch ist nicht hastig niedergeschrieben wie so manches auf dem buddhistischen Buchmarkt.

Ist dieses MMK ein schwieriges Buch? Mehr oder weniger. Man muss sich schon einige Zeit damit beschäftigen, um die Aussagen zu nutzen. Schnelle Beurteilungen sind daher eher Ausdruck starker Emotionen, die im Übrigen gerade beim mittleren Weg zu überwinden sind, und weniger der Vernunft, die Nagarjuna so sehr schätzte. Für mich ist dieses Buch eine radikal neue buddhistische Dimension des MMK, und durch die ausführlichen Erläuterungen ist es verhältnismäßig gut verständlich, nicht zuletzt im Vergleich zu den bisherigen oft kryptischen Versionen.
Es ist ausgeschlossen, das dies ein unwichtiges Buch ist: ein großer lebender Meister hat Nagarjunas fundamentales Werk neu bearbeitet. Es ist daher von großem Wert, sich eingehend damit zu beschäftigen, nicht hastig und nicht oberflächlich. Dann erschließt sich der bedeutende Inhalt.

Freitag, 20. Januar 2012

MMK, Kapitel 2 : Untersuchung der Wirklichkeit von „gegangen“ und „nicht gegangen“ (Gatagata pariksha), Teil 2

Nagarjuna geht es in diesem Kapitel ganz wesentlich darum, den fundamentalen Unterschied zwischen Denken, Vorstellungen, Bewerten einerseits und der großen und lebendigen Wirklichkeit andererseits herauszuarbeiten. Denn die Wirklichkeit ist die Grundlage der buddhistischen Lehre und Praxis und ermöglicht die Überwindung des Leidens und Freiheit durch Handeln ohne Blockaden und Hindernisse. Ohne Wirklichkeit keine Erleuchtung!

Darüber hinaus unterscheidet Nagarjuna in der Gesamtsituation des Gehens zwischen dem abstrakten Menschen, den Bewegungen seiner Füße und Hände, dem beobachteten Prozess des Gehens mit einem Anfang und einem Ende und dem Handeln selbst, genau im Augenblick, das auch im Zen – Buddhismus bei Meister Dôgen von zentraler Bedeutung ist.

Was ist z. B. mit dem „Geher“, wenn er zunächst stehen bleibt, dann eine bestimmte Strecke geht und sich dann hinsetzt? Wann und wie lange ist er ein „Geher“? Daraus ist erkennbar, dass Abstraktionen wie Geher oder Person untauglich sind, um zum Kern des Handelns und damit zur Wirklichkeit zu gelangen.

Nach meiner festen Auffassung sind wir nur handelnd im Augenblick in der Wirklichkeit verankert und dabei haben Denkprozesse und Wahrnehmungen eine nebengeordnete Bedeutung, um nicht zu sagen eine Hilfsfunktion. Außerdem ist Denken für das meiste Handeln zu langsam und ineffizient, z. B. beim Bogenschießen. Die über-logische Methode des Buddhismus basiert immer auf dem Realismus, um sowohl die Dinge und Phänomene dieser Welt als auch die umfassende spirituelle Einheit von Mensch und Universum zu beschreiben. Dazu bedarf es einer neuen vernünftigen Intuition!

Vers 1
Die Erinnerung, früher gegangen zu sein, geht nicht wirklich, genauso wenig wie der Gedanke, in Zukunft zu gehen.
Der Gedanke und die Vorstellung, in der Gegenwart zu gehen, ist ebenfalls nicht das Gehen selbst also nicht das wirkliche Gehen.
Wenn wir die scheinbare Tatsache des jetzigen Gehens denken, ist das nicht das wirkliche Gehen. Wenn nicht einmal der einfache Bewegungsprozess von einem Ort zum anderen durch Denken und Vorstellung wirklich erfasst werden kann, gilt dies umso mehr für wichtige spirituelle Bereiche.

Vers 2
Die konkreten physischen Bewegungen von Füßen und Händen gehören zur wirklichen Tatsache des Vorangehens. Sie sind also etwas anderes als die Idee des Gehens.
Bei einer solchen Tatsache des Gehens im Augenblick durch die Bewegung der Füße und Hände sind die Vorstellungen des früheren und zukünftigen Gegangen-Seins verschwunden.
Bei den Bewegungen der Hände und Füße handelt es sich um die Wirklichkeit als Handeln im jetzigen Augenblick. Das kann man zwar später auch mit Worten beschreiben, aber das Wesentliche ist das Handeln selbst. Dies bezeichnet Nagarjuna als "Vorangehen".

Mittwoch, 11. Januar 2012

MMK, Kap. 2 Teil 1: Untersuchung der Wirklichkeit von „gegangen“ und „nicht gegangen“ (Gatagata pariksha)

In diesem zweiten Kapitel behandelt Nagarjuna ganz grundlegende buddhistische Aussagen anhand der scheinbar einfachen Tätigkeit des Gehens und der Bewegung, die für uns alle selbstverständlich sind, aber selten wirklich genau untersucht werden. Dabei sollen das Gehen als Handlung, die Bewegung der Beine und Arme und das Gleichgewicht des gegenwärtigen Augenblicks analysiert werden; und nicht zuletzt die Beziehung des Gehens zum Menschen als Person, der wirklich geht.

Die wesentliche Aussage Nagarjunas ist meines Erachtens, dass wir uns von fixierten Abstraktionen wie dem Ich oder auch eines angeblich genau definierten Menschen lösen müssen und das Handeln selbst im Augenblick, also hier das Gehen, zur Grundlage unserer Lebensführung machen. Das bedeutet nicht, dass wir Begriffe wie Ich, Selbst, Mensch, Geher usw. in unserer Kommunikation völlig weglassen sollen oder auch nur können, sondern, dass wir uns über die Zusammenhänge beim Denken, bei der Wahrnehmung, aber vor allem beim Handeln und in der höchsten spirituellen Ebene der Erleuchtung bewusst sind und Klarheit darüber gewinnen. Das bezeichnet Buddha als Erwachen und das ist der Ausweg aus dem Leiden, nicht mehr und nicht weniger.

Bei der Lehre des Buddhismus unterscheide ich vier Lebensphilosophien, deren entsprechende Lebenskonzepte und die Realitäten des Buddhismus:
1. Den Idealismus, der den Schwerpunkt auf die Ideen, Gedanken und auch auf Ideale und Kreativität usw. legt.
2. Den Materialismus, der die Formen und die Materie in den Mittelpunkt stellt und als das Wichtigste annimmt. Dies ist auch die naturwissenschaftliche Dimension der Welt und des Menschen.
3. Eine ganz praktische Lebens-Philosophie des Handelns, die im Westen wenig entwickelt wurde, aber zentrale Bedeutung im Buddhismus hat.
4. Die höchste Lebensphilosophie und Praxis, die wir als Erwachen, Erleuchtung oder richtig verstandene Leerheit bezeichnen.

Beim Idealismus und auch beim Materialismus hat unsere Gehirntätigkeiten zentrale Bedeutung. Dies leuchtet beim Idealismus der Ideen, Vorstellungen und Gedanken unmittelbar ein, da sie im Gehirn ablaufen. Aber auch der Materialismus besteht aus intensiver Gehirntätigkeit, die aus den wahrgenommenen Reizen der Objekte um uns herum in unserem Bewusstsein die Bilder und Zusammenhänge erzeugt. Letztlich werden also die aus der Umgebung aufgenommenen Sinnesreize in entsprechende Daten umgesetzt, die dann im Gehirn verarbeitet und vom Bewusstsein wahrgenommen werden.

Idealismus und Materialismus sind daher intellektuelle Philosophien des Dualismus. Sie haben besonders im Westen überaus große Bedeutung erlangt z.B. im Idealismus von Plato, Hegel, usw. auf der einen Seite und den philosophischen Grundlagen der Naturwissenschaft und Technik auf der anderen Seite. Beide Lebensphilosophien erscheinen unvereinbar, sind aber aus meiner Sicht ähnliche Ansätze, bei der das Denken und die Gehirntätigkeit von zentraler Bedeutung sind. Der Buddhismus geht aber darüber hinaus und ist näher am wahren Leben.

Es gibt nämlich eine ganz andere Dimension des Lebens, die für die Praxis meist viel wichtiger ist: Das Handeln, das eher intuitiv im Augenblick vor sich geht; ohne viel zu intellektualisieren, manchmal mit Denken und manchmal ohne. Typische Beispiele dafür sind der Sport und die Kunst wie z. B. Malen oder Musizieren. Dabei spielen das Denken und der Intellekt eine untergeordnete Rolle. Denken kann sogar das präzise und harmonische Handeln im Augenblick empfindlich stören oder ganz blockieren. Ich sage daher auch häufig, dass Sport eine sehr gute Voraussetzung für die Praxis und das Erlernen des Buddhismus ist!

Die umfassende Lebensphilosophie des Buddhismus wurde vor ca. 2.500 Jahren von Gautama Buddha entdeckt und entwickelt; sie befasst sich hauptsächlich mit dem Handeln und der Praxis des Lebens. Mit welchem Ziel? Um unser Leiden zu vermindern oder ganz zu vermeiden, kurz um besser zu leben.

Es geht nicht wesentlich darum, über die Praxis nur zu reflektieren, sondern sie einzubeziehen und zu integrieren. Die höchste Form einer solchen Integration ist das Erwachen, das nach meiner festen Überzeugung nicht ohne die buddhistische Praxis, zum Beispiel Samadhi/Zazen und nicht allein aus dem Denken und der Vorstellung erreichbar ist. Durch diese umfassende buddhistische Lebensphilosophie ist es nach Gautama Buddha möglich, das Leiden unseres Lebens zu erkennen, die Ursachen herauszufinden und durch den Achtfachen Pfad im praktischen Leben zu überwinden. Dabei sind die Meditation und der Samadhi von zentraler Bedeutung, denn ohne sie kann es keine Erleuchtung geben.
Beim Samadhi ist wiederum das einfache Sitzen im Lotus – Sitz zentral, ohne Gedanken und Irritationen des Geistes, das im Zen – Buddhismus Zazen genannt wird.

Auch die anderen Glieder des Achtfachen Pfades sind sehr praxisnah und an der realen Lebenswelt orientiert. Daraus wird deutlich, dass idealistisches Denken nicht zur Befreiung des Menschen führen kann und dass materialistischer Egoismus niemals die Erfüllung unseres Lebens erbringt, sondern, von Gier getrieben, in die menschliche Verödung und Sinnentleerung führt.

Freitag, 6. Januar 2012

MMK Kapitel 1 – Untersuchung der großen Wahrheit, Teil 3
Vers 11.
Es gibt keine konkreten Ergebnisse als Ansammlung aus verteilten vielfältigen Dingen und Phänomenen oder aus der realen Wirklichkeit.
Es gibt sogar nicht einmal die geringste Möglichkeit für mental gedachte Ergebnisse auf der Grundlage der realen Wirklichkeit.
Besonders in der heutigen Zeit glauben wir, dass Ergebnisorientierung unsere Welt regiert. Aber dies ist ein Glaube und eine Vorstellung, denn die einfache Wirklichkeit kennt keine Ergebnisse zu unserem Vorteil oder Nachteil.
Ergebnisse sind Vorstellungen in unserem Gehirn oder eine gedachte logische Verknüpfung mit einem späteren Zustand. Sie sind ein subjektives, mentales Produkt und nicht die Wirklichkeit. Dies gilt nicht zuletzt für das Ansammeln guten Karmas um als Ergebnis eine bessere Wiedergeburt für uns selbst zu erlangen.
Davon ist ganz klar das Verhältnis von Ursache und Wirkung zu unterscheiden, das im Buddhismus eine große Bedeutung hat. Wirkungen sind Tatsachen und keine nach Gut und Schlecht bewerteten Ergebnisse.
Ergebnisse sind also durch mentale Bewertungen aus den faktischen Wirkungen entstanden und keine Wirklichkeit im Sinne der realen Wahrheit mehr. Sie sind vor allem mit egoistischem Vorteilsstreben verbunden. Z.B. auch für einen spirituellen Vorteil des erdachten und abgrenzten Ich.

Vers 12.
In einer solchen Situation geht etwas Wirkliches und Konkretes voran, das den verschiedenen Dingen der realen Wahrheit folgt.
Es gibt jedoch nicht einmal Ergebnisse in diesem Sinne wenn keine Verbindung mit der realen Wahrheit besteht.
Alle Dinge und Phänomene verschwinden wenn die Grundlage der realen Wahrheit entfällt.
Es gibt nichts, was wir ein derartiges Ergebnis nennen können, das wahre Handlungen erzeugt. Das gilt vor allem für die Anhaftung an egoistischen vorteilhaften Ergebnissen. Sie zerstören das wahre Handeln im Augenblick.

Vers 13.
In einer klaren Sprache: Derartige Ergebnisse sind die Feinde der realen Wahrheit. Ein Ergebnis hat nicht die Kraft die reale Wahrheit zu zerstören und hat nicht einmal die Kraft Tatsachen zu zerstören, die nicht verlässlich sind.
Wenn wir die Idee vorteilhafter Ergebnisse nicht ablehnen begegnen wir nicht der realen Wirklichkeit, die aus verlässlichen und nichtverlässlichen Tatsachen besteht.
Unverlässliche Tatsachen sind unwirkliche Imitationen von Tatsachen, die wir in unserem Gehirn erzeugen.
Es ist außerordentlich wichtig die reale Wirklichkeit von unzuverlässigen sogenannten Tatsachen zu unterscheiden. Wenn wir das nicht tun, verschwenden wir viel Energie in verwirrten Zuständen.

Vers 14.
Daher können begehrte Ergebnisse niemals die reale Wahrheit verletzen, aber die können auch nicht einmal unzuverlässige Tatsachen beeinträchtigen. Wir können die wirkliche Welt nicht finden, die eine Verbindung der realen Wahrheit und falscher Wahrheiten ist, wenn wir die falsche Sichtweise beibehalten, dass derartige Ergebnisse die Wirklichkeit sind.