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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Sonntag, 20. Oktober 2013

Neues Buch: Das Geheimnis der Buddha-Natur


Die tiefe Erfahrung des Zen-Meisters Dogen
Von G. W. Nishijima und Yudo J. Seggelke

Was ist die Buddha-Natur? Und warum müssen wir überhaupt intensiv und ausdauernd praktizieren, wenn die Buddha-Natur unser wahres Wesen ist? Diese Fragen waren für Zen-Meister Dogen von existenzieller Bedeutung und wurden zum zentralen Bezugspunkt in seinem Leben. Sie werden in diesem Buch fundiert und doch verständlich behandelt. Dogen gibt uns dazu verblüffende Antworten.
Die ureigene Erfahrung des Mysteriums der Buddha-Natur kann nur in der Einheit von Körper-und-Geist im lebendigen Strom des Lebens und der Meditations-Praxis erfahren werden. Genau davon handelt dieses Buch.
Um die verstehen zu können, ist es wichtig, seine Grundlagen zumindest in den zentralen Punkten zu kennen. Die Grundlagen der Lehre und Schriften Dogens werden von G. W. Nishijima in Teil I des vorliegenden Buches dargestellt. Im Teil II werden von Yudo J. Seggelke zunächst die Aussagen zur Buddha-Natur des indischen Buddhismus beschrieben. Danach folgt der Hauptteil zu Meister Dogens Buddha-Natur aus dem Shobogenzo.

Hardcover, 176 Seiten 10 Abb., 20,90;
ISBN 978-3-941380-15-8
E-Book: 6,49


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Mittwoch, 16. Oktober 2013

Untersuchung der Einheit von Handeln und Ergebnis (Karmaphla pariksha) Nagarjuna, MMK, Kapitel 17, Teil 2


Vers 12
Wenn Lust, Großartigkeit und auch Laster sich immer mehr vergrößern und mit fantastischen Illusionen verbunden werden, kann man die Dinge und Phänomene der Wirklichkeit überhaupt nicht mehr erkennen.

Die realen Dinge und Phänomene haben dann das Aussehen fantastischer Fiktionen, sie sind gerade nicht mehr die realen Dinge.

Vers 13
Nagarjuna möchte noch einmal unterstreichen, dass fantastische Einbildungen und Fiktionen dazu neigen, sich mit immer neuen Fiktionen und Illusionen zu verbinden, sich immer mehr zu vervielfältigen.

Diese Tatsache in der Welt wird von allen Buddhas Pratyeku-Buddhas und Shravakas gelehrt.

Pratyeku-Buddhas haben die Erleuchtung aus sich selbst erlangt und Shravakas sind Hörer der Lehre, sie sind zwar eher theoretisch orientiert, aber haben große Klarheit. Sie waren meist Hörer von Gautama Buddhas.

Vers 14
Gleichnis des Fliegens: Beim Fliegen gibt es fortlaufende Bewegungen der Flügel und dies ist genau die Wirklichkeit des Handelns. Nur durch diese Bewegungen gibt es die Wirklichkeit des Fliegens, statisches Fliegen gibt es nicht

Die vier physikalischen Elemente (Erde, Wasser, Feuer und Luft) gehören zur Wirklichkeit und sie sind Teil-Wirklichkeiten der Welt, die genauso sind wie sie sind.

Die Einteilung der physikalischen Elemente im alten Indien basierte noch nicht auf der naturwissenschaftlichen Forschung wie heute. Wir können sie aber einfach als Einteilung der physikalischen Welt verstehen. Die ganze Wirklichkeit bildet selbstverständlich eine Einheit, sodass die physikalischen Elemente nur deren Dimensionen wiedergibt.

Vers 15
Es macht für uns meist einen Unterschied, ob eine Arbeit vollständig beendet wird oder als Tun nur für eine bestimmte Zeit anhält. Aber was heißt eigentlich vollständig. Es handelt sich nämlich dabei um Einschätzungen durch unseren Geist.

Die Zeit schreitet ohne Unterbrechung und Beendigung unaufhaltsam voran. Nach der Annahme der linearen Zeit gibt es dadurch bestimmte Ergebnisse. Die Wirklichkeit der Zeit existiert aber immer nur im Augenblick. Gleichwohl mag die lineare Zeit eine sinnvolle Annahme sein, die für viele Bereiche des Lebens nützlich ist, z. B. in der Organisation.

Vers 16
In Bezug auf das Handeln als wahres Tun ist es gleich, ob es sich um „vollständiges Beenden“ oder vorübergehendes Arbeiten an einer Aufgabe handelt. Maßgeblich ist das wahre Handeln, das tatsächlich durchgeführt wird.

Wenn wir den Sinn für die Wirklichkeit verlieren, geht damit meist automatisch der Sinn für ethisches Handeln verloren. Böse Ideologien und Fantasien beherrschen dann den Menschen. Die damit zusammenhängende Zerstörung übersteigt dann jedes vernünftige Maß wie z. B. bei ideologischen Glaubenskriegen.

Vers 17
Es gibt verschiedene Arten von Streben, die sich unterscheiden und oft miteinander verbunden sind. Es gibt aber immer einen direkten Bezug zum wirklichen Handeln und darauf kommt es an.

Handeln kann z.B. mit dem Streben religiöser Ideale oder mit materiellen Zielen, wie Geld und Ruhm verbunden sein. Es kommt dabei immer auf das wahre Handeln selbst an, also wie man handelt: ethisch gut oder nicht.

Es gibt verschiedene materielle Dimensionen, die sich auch ändern können. Nur die Wirklichkeit selbst manifestiert sich als ein einheitlicher Bereich.

Vers 18
Die wirklichen Tatsachen dieser Welt basieren immer auf Handeln. Handlung ist also die fundamentale Wahrheit dieser Welt, während die Dinge und sogar wir selbst als Personen daraus abgeleitet sind: Wir sind, was und wie wir handeln. Eine Person ist also eine Abstraktion. Noch einmal: In Wirklichkeit geht es um das Handeln des Menschen, das die eigentliche Realität ist.

Die Welt und das Universum können wir also nicht vom Handeln trennen. Handeln und Universum sind in einem guten gereiften Zustand genauso wie sie sind.

Vers 19
Was Resultat genannt wird, ist unveränderlich und unabhängig von der Zeit, es hat keine Beziehung zum Entstehen und Vergehen der Dinge und Phänomene. Meistens ist ein Ergebnis aber mit einem bestimmten starren Bild verbunden und beinhaltet subjektive Bewertungen wie günstig, ungünstig, leidvoll oder Glück bringend.

Daraus wird deutlich, dass das Resultat eine Vorstellung im Gehirn ist und nicht die Wirklichkeit selbst, ob bewusst, aber viel häufiger unbewusst.

Vers 20
Der Gleichgewichtszustand wird in Sanskrit Shunyata (oft als Leere übersetzt) genannt und kennzeichnet einen Augenblick, sodass er nicht erscheint und nicht vergeht.

Wenn wir nicht im Gleichgewicht sind und keine Selbststeuerung haben, machen wir viele Fehler im Leben, z.B. wenn wir zu naiv und leichtgläubig sind oder wenn wir dauernd zweifeln und zögern und daher richtiges Handeln verpassen. Viele Menschen leiden daher, machen unnötige Fehler und kämpfen sich mühsam durchs Leben. Dies liegt daran, dass sie ihre wahre Natur noch nicht erkannt haben.
Gautama Buddha lehrt jedoch, dass dies nicht dauernd so sein muss, sondern beendet werden kann.

Handlungen sind etwas, das immer weiter fortwirkt, sodass man sagen kann, dass sie ewig sind.

Vers 21
Wenn es noch keine konkrete Handlung gibt, spielt sich alles als Vorstellung im Gehirn ab. Dann können sich die konkreten Dinge und Phänomene nicht zeigen wie sie sind. Dies gilt auch für Vorstellungen jetzt und auch in Zukunft.

Hypothetische Situationen gibt es nur im Bereich der Vorstellung und des subjektiven Denkens.

Auch die Lehren Nagarjunas müssen daher in der Praxis erprobt werden, sonst bleiben sie reine Theorie und beinhalten nur Vorstellungen.



Dienstag, 8. Oktober 2013

Untersuchung der Einheit von Handeln und Ergebnis (Karmaphla pariksha) Nagarjuna, MMK, Kapitel 17, Teil1


Beim Tun und Handeln unterteilen wir normalerweise zwei Bereiche: die subjektive Vorstellung zum Handeln und die Wahrnehmung des Objektes des Handelns. Nach der buddhistischen Lehre gibt es jedoch nur eine Einheit von Körper-und-Geist, und das ist die Realität, die genau mit dem Augenblick verschmolzen ist, also im Augenblick stattfindet.
Eine Trennung der beiden Bereiche gibt es in der buddhistischen Lehre nicht. Dies erfordert ein neues Verständnis und eine neue Ausdrucksweise, die in diesem Kapitel behandelt werden.

Vers 1
Natürliche körperliche Bedürfnisse werden oft durch Ideale und idealistische Ziele eingegrenzt, verzerrt oder sogar unterdrückt. Dabei sind mentale Vorgänge wichtig und sie haben bei uns oft sogar Priorität gegenüber dem Körper. Sie geben dem Handeln einen Sinn.

In einem solchen Sinn handeln wir z.B. freundlich und selbstlos gegenüber anderen Menschen, insbesondere wenn wir auch von ihnen ähnlich behandelt werden. Dann entsteht durch das Handeln eine positive Wechselwirkung zwischen den Menschen

Nach Nagarjuna entspricht dieses auch den Gesetzen der Welt und des Universums: Ein solches Handeln ist auf die Gegenwart und auf die Zukunft gerichtet.

Vers 2
Wenn wir über das Handeln reden, sollten wir sorgfältig und achtsam vorgehen und dabei die Unsicherheiten der verbalen Beschreibung nicht unterschätzen. Bei jeder Beobachtung sind in erheblichem Maße mentale Prozesse beteiligt, sodass immer subjektive Aspekte einfließen.

Und weiter: Bei der Beschreibung von Handlungen neigen wir dazu, Vereinfachungen durchzuführen, die vielleicht gar nicht gerechtfertigt sind.

Vers 3
Wenn wir über Fragen, Probleme und Zusammenhänge des Handelns diskutieren und kommunizieren, basiert dies vor allem auf Vorstellungen, also mentalen Bereichen.

Wenn wir allerdings näher an die Wirklichkeit gelangen wollen, reichen mentale Diskussionen nicht aus. Wir müssen dann auch physikalische und materielle Dimensionen der Wirklichkeit einbeziehen. Dies ist besonders wichtig für die Untersuchung des wirklichen Handelns, das über Ideen und materielle Aspekte hinausgeht.

Vers 4
Viele Gespräche und Kommunikationen laufen ab, ohne dass es zu einem wirklichen Gespräch und Austausch kommt, also ohne dass valide Informationen übermittelt werden oder neue kreative Erkenntnisse der beteiligten Menschen entstehen.

Derartige inhaltslose Gespräche benutzen oft überhaupt keine eigenen reflektierten Informationen, sodass das Gedächtnis fast ausgeschaltet ist.

Vers 5
Das Streben nach Erbauung und vordergründigem Spaß begrenzt den Menschen, ganz gleich ob die damit verbundenen Aktivitäten rein sind oder nicht. Dies gilt z.B. auch für die eigentliche sinnvolle Meditation, wenn wir also nur danach, streben einen angenehmen Zustand zu erlangen und etwas Angenehmes erleben wollen. Wahrer Samadhi und die Zazen-Meditation sind etwas ganz anderes: dabei erstreben wir nichts zu unserem Vorteil und nichts zu unserer Erbauung.

Im Buddhismus gibt es sieben Dimensionen der Balance: ausgeglichenes Bewusstsein, Untersuchung des Gesetzes des Universums, Energie und Ausdauer, wahre tiefe Freude, Gelassenheit, Konzentration und Gleichmut.

Nagarjuna sagt, dass unser Handeln dadurch Tiefe und Schönheit hat. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass diese sieben Aspekte eine Erinnerung daran sind, was sich ereignet hat und vergangen ist. Das gegenwärtige Handeln ist davon zu unterscheiden.

Vers 6
Im Buddhismus ist der gegenwärtige Augenblick die wahre Zeit, in der das Handeln als Wirklichkeit stattfindet. Die übliche Vorstellung einer linearen Zeit als Wirklichkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft muss verlassen werden, um zur Wirklichkeit zu gelangen. Wirklichkeit und Augenblick sind identisch!

Handeln ist auch dann klare Wirklichkeit, und sie kann mit dem Verstand nicht annäherungsweise oder gar vollständig erfasst werden.
Ergebnisse des Handelns sind darüber hinaus Bewertungen, die voraussetzen, dass man Vergleiche zwischen verschiedenen Zeitpunkten nach der linearen Zeit durchführt. Die Bewertungen der Ergebnisse sind daher keine Wirklichkeit. Daher ist das Konzept der Wirklichkeit von Ergebnissen absurd.

Vers 7
In diesem Vers geht es um die wichtige Beziehung von Ursache und Wirkung im Gegensatz zum Ergebnis. Ein Ergebnis ist immer vom menschlichen Geist bewertet, also ein mentaler Prozess, der verschiedene Zustände vergleicht, die im Sinne der linearen Zeit nacheinander da sind. Und objektive Wirkungen sind etwas anderes als bewertete Ergebnisse.

Nagarjuna bringt dazu das in Indien bekannte Beispiel von Samen und Keimen: Ohne Bewertung können wir davon einfach sprechen, dass der Keim die Wirkung ist. Wenn man die Wahrheit der Zeit als Augenblick voraussetzt, gibt es eine Augenblick des Samens, und einen anderen Augenblick des Keimes, beide sind voneinander verschieden und etwas anderes ist.

Ergebnisse kann es nur dann geben, wenn man eine Kontinuität in der Zeit voraussetzt, der Samen wird dann als Anfang einer derartigen Kontinuität gesehen.
Bei der linearen Zeit gibt es keine Augenblicklichkeit der Welt und dieses Konzept ist daher ohne Wirklichkeit. Die Vorstellung der Ewigkeit ist jedenfalls unwirklich, wenn wir die Sein-Zeit des Augenblicks bejahen.

Vers 9
Was wir Ergebnis nennen beruht nur auf der Kontinuität des Denkens, nicht aber auf der Wirklichkeit. In unserem denkenden Geist bewerten wir die Wirkung einer Handlung und vergleichen sie mit einem früheren zeitlichen Zustand, z.B. vor der Handlung. Das Ergebnis entsteht aus dieser Bewertung und dem Vergleich in unserem Denken, außerhalb unserer Gehirntätigkeit gibt es ein Ergebnis als Vergleich oder Bewertung aber nicht.

Vers 10
Ein Ergebnis ist Inhalt des Denkens und nicht die Wirklichkeit außerhalb des Denkens. Die Bewertungen gibt es schon vor dem eigentlichen Handeln in unserem Geist, sie erzeugen dann ein Ergebnis durch Vergleich. Daraus ergibt sich das erstaunliche Phänomen, dass die wesentlichen Merkmale eines Ergebnisses, nämlich unser  Bewertungsraster, zeitlich schon vor der Handlung liegen. Dabei setzen wir die lineare Zeit und deren Kontinuität voraus.

Da sich Bewertungen auch ändern können, ist das sich daraus ergebende Ergebnis weder plötzlich noch ewig.

Vers 11
Es ist sinnvoll auf ein Ziel im Universum direkt zu zugehen. Dies gilt besonders für das ethisch gute Verhalten nach den zehn buddhistischen Gelöbnissen:
1. nicht zu töten, 2. nicht zu stehlen, 3. kein Missbrauch der Sexualität, 4. nicht zu lügen, 5. sich von Alkohol, Drogen usw. fernzuhalten, 6. Andere nicht zu kritisieren, 7. nicht stolz auf sich selbst zu sein und andere herabzusetzen, 8. nichts zu begehren, 9. Hass und Aggression keinen Raum zu geben und 10. die drei Kostbarkeiten Buddha, Dharma und Zanga nicht zu beschmutzen.

Diese ethischen einzelnen Ziele und angestrebte Ergebnisse des Handelns sind ohne jeden Zweifel sinnvoll und Kernstück der buddhistischen Ethik. Aber sie sind ebenfalls mentale Überlegungen, und sie sind eng mit der sinnlichen Wahrnehmung des Verhaltens verbunden.

Derartige angestrebte Ergebnisse sind daher Überlegungen der Zukunft oder Vergangenheit und manchmal der Gegenwart. Sie sind Inhalt unseres Geistes im gegenwärtigen Augenblick.