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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Mittwoch, 24. Dezember 2008


Gesang zum Lob der buddhistischen Wahrheit

1. Streben nach der Wahrheit.
Wenn wir in der heutigen Zeit über die Wahrheit sprechen,
Frage ich mich, ob es wohl viele Menschen gibt, die über uns lachen.
Es erscheint ihnen sicher sehr eigenartig,
Dass es tatsächlich einige Menschen auf der Erde gibt,
Die an die Existenz der Wahrheit auf dieser Welt glauben.
Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es genau so ist.
Wenn wir nicht nach der Wahrheit auf der Erde streben,
Und es sie nicht gäbe, wollte ich hier nicht länger leben.
Es wäre völlig uninteressant und es wäre auch völlig unnütz,
Auf dieser Welt zu leben.

2. Tiefer Instinkt des Menschen zum Streben nach der Wahrheit.
Wir haben großes Glück, dass wir als Menschen geboren wurden.
Daher denke ich, dass wir Menschen ein großes Interesse haben,
Nach der Wahrheit zu suchen.
Deswegen möchte ich mich selbst ermutigen,
Nach der Wahrheit zu streben.
Die ist in der Tat das wohl spannenste und enthusiastischste Leben für uns.
Ganz klar gibt es ökonomische Probleme in unserem täglichen Leben,
Aber Meister Dogen sagt, wenn wir engagiert arbeiten,
Kommen die Belohnungen für unsere Arbeiten ganz von selbst.

3. Klärung der buddhistischen Philosophie.
Glücklicherweise habe ich das monatliche Retreat von Meister Kodo Sawaki
In Daichu-ji in der Tochigi Präfektur im Oktober 1940 besucht,
Und hörte seinen Vortrag zu Fukan-zazen-gi zum ersten Mal.

Zu jener Zeit sagte Kodo Sawaki laut und deutlich:
"Der rechte (politische) Flügel hat Unrecht und
Der linke (politische) Flügel hat Unrecht!"
Als ich diese in jener Zeit sehr seltene klare Aussage hörte
dachte ich, dass seine Aussage sicher wahr ist.

Dann habe ich angefangen, Buddhismus und insbesondere das Denken von Meister Dogen zu studieren.
Und dann begann ich, an jedem Tag Zazen zu praktizieren und Meister Dogens Arbeiten zu lesen.
Ich fing an, selbst Vorträge zum Buddhismus in Japan und in anderen Ländern zu halten
Und habe viele buddhistische Bücher geschrieben, in Japanisch, in Englisch usw.

Nachdem ich Meister Dogens buddhistische Gedanken vollständig verstanden hatte,
Und dazu waren vierzig Jahre nötig, habe ich Meister Nagarjunas
mulamadhyamaka in Sanskrit studiert (MMK, Gesang des Mittleren Weges).
Und als ich dies insgesamt fünfzehn Jahre studiert hatte, erkannte ich die Höchste Bedeutung vom MMK am 13. Oktober 2008.
Ich erkannte dann, dass die höchste Wahrheit klar im Universum
und auf dieser Erde existiert
Und dass sie von allen Menschen genau erfasst werden sollte.

Die höchste Wahrheit im Universum muss genau die Lehre von Gautama Buddha sein.
Sie enthält die Theorie der vier Lebensphilosophien
Des Gesetzes von Ursache und Wirkung,
Die Philosophie des Handelns im gegenwärtigen Augenblick
Und der Wirklichkeit des ganzen Universums.(Tokio am 21. Oktober 2008)

Montag, 17. November 2008

Das Buch: Begegnung mit dem wahren Drachen

Ich freue mich, dass jetzt die deutsche Übersetzung des Buches "To Meet the Real Dragon" fertig ist. Das Buch kann ab sofort in jedem Buchladen bestellt werden. Die Einträge im Internet für die Online-Bestellung, z. B. Libri.de und Amazon.de, sollen am 24. November d. J. verfügbar sein.
Die ISBN-Nummer lautet: 978-3-941380-00-4
Bestellung: z. B. Libri oder Amazon



Donnerstag, 13. November 2008

Wiedereröffnung des englischen Blogs

Weil ich das große Werk von Meister Nagarjuna: „Gesang des Mittleren Weges“ (Mulamadhyamakakarika, MMK) ins Japanische übersetzt habe, hatte ich den englischen Blog für etwa ein halbes Jahr ruhen lassen. Da ich nunmehr die Übersetzung beendet habe, möchte ich mit der Veröffentlichung im Blog fortfahren. Die wichtigsten Inhalte des MMK sind besonders kompakte, und wie ich hoffe, verständliche Erklärungen der buddhistischen Lehre in der kurzen Form von Versen.

Montag, 3. November 2008

Handeln im Augenblick: Der Kern der buddhistischen Lehre (Teil 2)Aus dem Buch: "Begegnung mit dem wahren Drachen", erscheint Ende November 2008 im DONA-Verlag)


Fragen und Antworten:

Warum erfahren wir die Zeit nicht in der Weise, wie sie nach Ihrer Aussage in Wirklichkeit ist?

Ich denke, in Ihrer Frage steckt selbst ein Problem. Das Problem, was eigentlich wirklich „Erfahrung“ ist. Wir haben die Neigung, das Denken, die Bewertung und Interpretation der Erfahrung mit der wirklichen unmittelbaren Erfahrung zu verwechseln. Unsere normale Sichtweise der Zeit ist eine solche Interpretation und damit eine verstandesmäßige Erklärung und Bewertung. Wir können die Vergangenheit nicht wirklich erfahren und wir können die Zukunft genauso wenig erfahren. Wir können beide zwar denken, aber dies ist eine Tätigkeit des Verstandes und nicht die wirkliche Erfahrung. Im Gegensatz dazu können wir den gegenwärtigen Augenblick nicht wirklich denken, aber wirklich erfahren. Wir können einen Augenblick nicht isolieren und im üblichen Sinne beobachten und untersuchen. Wir können ihn nur leben und direkt erfahren. Wenn wir wirklich voll und ganz im Augenblick leben, gibt es in dieser Wirklichkeit gar keine „Zeit“, denn die Zeit gibt es nur in unserem Denken. Der Augenblick existiert in der Wirklichkeit. Den Augenblick können wir also als Wirklichkeit erfahren, während wir die Vergangenheit und Zukunft nur denken können.

Ich finde es hilfreich, die Beziehung zwischen unserer üblichen Vorstellung der Zeit und Gautama Buddhas Lehre dadurch zu verstehen, dass wir uns an die Definition einer Linie in der Geometrie erinnern. Entsprechend dieser Definition ist die Linie eine Reihe von Punkten. Jeder Punkt ist zwar getrennt und unabhängig, aber die Verbindung der Punkte, einer neben dem anderen, ergibt die Linie. Die Punkte selbst sind keine Linie, aber wenn man sie aus einer gewissen Entfernung anschaut, erscheinen sie als eine zusammenhängende Linie. Im selben Sinne ist der gegenwärtige Augenblick ein Punkt und wenn wir viele Augenblicke mit dem Verstand betrachten, ergibt sich der Eindruck einer Linie: die lange und scheinbar fortlaufende Linie unserer üblichen Vorstellung der Zeit von der Vergangenheit in die Zukunft.

Wenn wir uns die Zeit vorstellen, ist dies in der Tat ein Vorgang des Denkens. Wenn wir die Zeit aber direkt leben und erfahren, dann handeln wir und denken nicht. Leider neigen wir oft dazu, mehr Zeit unseres Lebens für Gedanken und Ideen als für das einfache und direkte Handeln zu verwenden. Wir sind zu sehr mit Gedanken beschäftigt und sind zu sehr mit dem Verstand aktiv, als dass wir sehen, was sich wirklich abspielt. Es gibt dabei keine ruhigen Bereiche in unserem Leben. Alle Lücken füllen wir mit unserem mentalen „Geplapper“. Ich denke, dies ist der Grund dafür, dass die übliche verstandesmäßige Interpretation der Zeit so real erscheint. Wir haben unsere Fähigkeit verloren, zwischen der gedachten und der wirklichen Welt zu unterscheiden. Wir müssen diese Fähigkeit unbedingt wieder erlernen.

Wir benötigen Raum in unserem Leben, damit wir die Bedeutung direkter Erfahrung zurückgewinnen können. Wir müssen zur wirklichen Welt zurückkehren, zur Welt des Augenblicks: Hier und jetzt, das ist die Wirklichkeit.
Es ist immer noch schwierig für mich zu verstehen, dass die Zeit aus getrennten Augenblicken besteht. Wir bewegen uns und handeln, unsere Handlungen erscheinen fließend und zusammenhängend. Die buddhistische Lehre steht meines Erachtens im Gegensatz zu diesen einfacher Beobachtung des Lebens.

Wenn wir einen Film, ein Video oder eine DVD ansehen, bewegen sich die Figuren sehr natürlich und fließend auf der Leinwand oder auf dem Bildschirm. Es erscheint uns niemals so, als sähen wir wirklich eine Folge von einzelnen Bildern, aber genau so ist es. Ein Film ist ein langer Streifen, der in viele einzelne Bilder unterteilt ist. Jedes Bild ist für sich ein vollständiges und eigenständiges Bild und hat keine direkte Verbindung zu dem vorherigen oder dem nachfolgenden Bild. Wenn aber der Film durch den Projektor läuft, verschwinden die Lücken zwischen den Bildern und wir sehen die Szenen, in denen die Bewegungen natürlich und fließend aussehen. Dies liegt daran, dass unsere Augen dann die einzelnen Bilder nicht mehr getrennt sehen können.

Daher steht die buddhistische Lehre der Zeit nicht wirklich im Widerspruch zu unseren Sinneseindrücken von der Welt. Wir müssen uns daran erinnern, dass die Augenblicke unseres Lebens sehr kurz und schnell vorüber sind. Wenn sie aufleuchten und vergehen, geht unser Leben sanft und fließend voran, Augenblick nach Augenblick nach Augenblick.
Im Verhältnis zur Schnelligkeit, mit der die Augenblicke kommen und gehen, scheinen wir Menschen verhältnismäßig träge und langsame Lebewesen zu sein. Es ist schwierig einzusehen, wie wir innerhalb eines einzigen Augenblicks frei handeln können.

Ich denke, dass die Wissenschaftler, die das Gehirn und das Nervensystem studieren, Ihre Beschreibung genauer erörtern könnten. Es ist wohl sicher, dass die Nervenimpulse durch den Körper mit einer gewissen endlichen Geschwindigkeit übertragen werden. In jedem Fall sollten wir erkennen, dass das, was wir normalerweise als einen zusammenhängenden Ablauf wahrnehmen, eine komplizierte Serie vieler einzelner Aktionen ist. Jede dieser einzelnen Aktionen ereignet sich in einem bestimmten Augenblick der Zeit und in vielen Fällen gibt es dabei die Möglichkeit der Entscheidung und der Wahl: Eine Entscheidung, etwas zu tun oder etwas nicht zu tun, wird im Augenblick gefällt.

Diese Entscheidungen gelangen normalerweise nicht ins Bewusstsein. Sie sind unbewusst, spontan und direkt. So wie die spontanen Entscheidungen z. B. eines Baseballspielers, der seine Bewegung wegen der Kürze der Zeit kaum bewusst überprüfen und steuern kann. Ähnliches gilt für die intuitive Entscheidung eines Fotografen, in einem bestimmten Moment einen Schnappschuss zu machen. Wir fällen unzählige derartige Entscheidungen an jedem Tag und diese einfachen und direkten Entscheidungen sind maßgeblich für den Ablauf unseres Lebens.
Selbstverständlich folgt eine Handlung normalerweise einer anderen Handlung, wenn wir uns nach den gewohnten Mustern verhalten. In diesem Sinne sind wir an die Vergangenheit gebunden und dies entspricht der ablaufenden Folge von Ursache und Wirkung. Aus diesem Grund erscheint es oft so, als ob wir keine Wahlmöglichkeit hätten, keine Kontrolle über unser Leben, aber wir haben in der Tat diese Möglichkeit zu wählen. Jeder Augenblick unserer Existenz gibt uns die Möglichkeit, unseren Weg zu wählen. Wir können unser Ziel und unsere Bestimmung im Augenblick der Gegenwart ansteuern. Das ist unsere Freiheit und die sollten wir nutzen.

Ich vergleiche manchmal unsere Freiheit im Handeln des Augenblicks mit einer Perle, die auf der Schneide einer Rasierklinge balanciert wird. Es ist vielleicht ein seltsames Bild, aber stellen Sie sich bitte die Schneide einer Rasierklinge vor. Nun legen Sie eine Perle auf die Schneide und halten Sie diese mit Ihren Fingern im Gleichgewicht. Wie wird die Perle fallen, wenn Sie Ihre Finger wegnehmen? Wir können das nicht vorhersagen, nicht wahr? Das Ergebnis kann durch den kleinsten Lufthauch oder einen anderen Einfluss bestimmt werden, z. B. durch die leiseste Berührung mit dem Finger. Ich glaube, dass das Leben der Menschen im gegenwärtigen Augenblick dieser Perle auf der Rasierklinge gleicht. Alles ist sehr veränderlich. Die Zielrichtung kann in jedem Augenblick durch eine kleine Willensanstrengung geändert werden. Dies ist die Kraft der Entscheidung und der Freiheit im gegenwärtigen Augenblick. In solchen Augenblicken sind wir wirklich frei: frei zu wählen, frei zu handeln, frei unseren eigenen Weg in einer komplizierten Welt zu finden. Diese Freiheit, im Augenblick zu entscheiden, müssen wir unbedingt nutzen.

Nach der buddhistischen Lehre ist die Gegenwart die einzig wirkliche Zeit, nicht wahr?

Ja, ja, ja.

Daher ist die Zukunft nur eine Idee und eine Illusion?

Ja.

Und die Vergangenheit ist genauso nur eine Erinnerung?

Ja, auf eine bestimmte Art und Weise ist das richtig.

Dann ist das Gesetz von Ursache und Wirkung also ebenfalls nicht wirklich, oder?

Nun gut, dies können wir vielleicht so ausdrücken, aber wir sollten uns darüber im Klaren sein, was wir mit „nicht“ wirklich meinen. Aus buddhistischer Sicht ist Ursache und Wirkung nicht etwas, das tatsächlich physikalisch existiert wie Materie oder Energie. Wir verstehen es eher als eine Theorie oder Erklärung. Wir schätzen diese Theorie als ein sehr nützliches Instrument, um vieles in unserem Leben besser zu verstehen und wir akzeptieren die Theorien von Wissenschaftlern und anderen, die ihre Erkenntnisse auf der Grundlage von Ursache und Wirkung aufbauen.

Aber gleichzeitig sollten wir uns daran erinnern, dass Ursache und Wirkung an sich eine Theorie ist. Wir können niemals die Existenz von Ursache und Wirkung in unserem wirklichen Leben direkt bestätigen und verifizieren, weil unser wirkliches Leben aus Augenblicken der Gegenwart besteht. Im gegenwärtigen Augenblick haben wir keine Zeit, auf Ursache und Wirkung zu achten, keine Zeit für die genaue Analyse. Unser wirkliches Leben ist Handeln, wir handeln hier und jetzt.

Daher bringt uns Ihre Frage zu dem Problem zurück, das wir bereits vorher behandelt haben: die verschiedenen möglichen Sichtweisen der Welt. Wenn wir das Leben als Idealist betrachten, ist das Universum etwas Ewiges und Unbegrenztes. Dann wäre der Geist die Grundlage der Wirklichkeit und diese Wirklichkeit des Geistes kann mit dem Gesetz von Ursache und Wirkung übereinstimmen oder nicht. Wir könnten dann zu jeder Zeit und immer frei sein: im Augenblick, in der Zukunft und sogar in der Vergangenheit. Materialisten analysieren auf der anderen Seite alle Tatsachen objektiv und vielleicht wissenschaftlich. Für sie ist alles endlich und an Ursache und Wirkung gebunden.

Sie sehen die Wissenschaft und das rationale Denken als ihre Bundesgenossen, als ihre wichtigste Quelle für die Bestätigung ihres Glaubens und ihrer Weltanschauung und sie lehnen es oft ab, unwissenschaftliche Fragen wie die nach moralischen Wahlmöglichkeiten oder menschlicher Freiheit überhaupt zu behandeln.

Für Buddhisten sind die Sichtweisen der Idealisten und der Materialisten jeweils für sich genommen beide falsch oder besser gesagt unvollständig und einseitig. Buddhisten werden nicht von dem unlösbaren Rätsel der Ewigkeit verführt, noch werden sie durch die harten und negativen Tatsachen auf dieser Erde entmutigt. Die Fragen und Ideen, die die Aufmerksamkeit ihrer idealistischen und materialistischen Zeitgenossen in Anspruch nehmen, lenken sie nicht von ihrem wirklichen Lebensinhalt ab. Dieser Inhalt ist das wirkliche Leben, wie es im gegenwärtigen Augenblick erscheint. Im gegenwärtigen Augenblick können sie handeln, können sie etwas tun.

Hier und jetzt etwas zu tun, ist in der Tat das Einzige, was wirklich möglich ist, aber das ist sehr viel. Das ist unser Leben. Das ist unsere Wirklichkeit. Daher handeln wir. Wir wählen und entscheiden, etwas zu tun oder etwas nicht zu tun und indem wir solche Entscheidungen fällen, finden wir die wirkliche Freiheit und Freude in unserem Leben. Buddhisten hören natürlich nicht auf, sich Gedanken zu machen und Vorstellungen zu haben. Sie machen ihre Pläne für die Zukunft und erinnern sich an die Vergangenheit wie andere auch. Aber im Unterschied zu ihren idealistischen und materialistischen Zeitgenossen sind sie nicht gefangen durch diese Sichtweisen, die jene voneinander trennen.

Sie sehen den Idealismus und Materialismus als wichtige Werkzeuge an, mit denen man bestimmte Seiten des Lebens und Universums interpretieren kann, aber sie lehnen es ab, sich in deren dogmatischen und widersprüchlichen Sichtweisen zu verfangen. Sie haben eine freiere Sicht, die die Dinge aus einer Perspektive des Gleichgewichts sieht und erkennen das wirklich Wichtige in jeder Lebenssituation. Daher lehnen Buddhisten Ursache und Wirkung nicht ab, haben aber auch nicht die fatalistische Sicht, das alles im Leben schon festlegt und unausweichlich sei. Sie versuchen einfach, ihr Bestes zu tun, Augenblick für Augenblick und wissen, dass sie beides sind: frei und gebunden und dadurch können sie erfüllt handeln und leben.

Freitag, 24. Oktober 2008

Handeln im Augenblick: Der Kern der buddhistischen Lehre (Teil 1)
(Aus dem Buch: "Begegnung mit dem wahren Drachen", erscheint Ende November 2008 im DONA-Verlag)

Die Erörterung im vorherigen Kapitel hat die sehr wichtige Frage des Handelns und der menschlichen Freiheit berührt. Gautama Buddha lehrte uns, die Gelöbnisse einzuhalten. Er lehrte uns, richtig zu handeln und nichts Falsches zu tun. Eine solche Lehre scheint die Freiheit des Menschen zum Handeln vorauszusetzen, denn wenn wir in der Lage sind, Richtiges zu tun, müssen wir frei sein und uns dafür entscheiden können. Aber Gautama Buddha lehrte uns auch das Gesetz von Ursache und Wirkung.

Er lehrte uns zu sehen, wie die Dinge der Welt tatsächlich zustande kommen und wie sie zusammenhängen. Nichts entsteht ohne Ursache und losgelöst von anderen Zusammenhängen. Alle Dinge sind verbunden und voneinander abhängig. Unser Leben und das Universum selbst werden durch ungeheuer viele Ketten von Ursachen und Wirkungen erzeugt. Wenn solche Ketten entstehen, sich ausweiten und sich überschneiden, entsteht ein miteinander verbundenes Netzwerk von verursachenden Zusammenhängen, ein Netz, in das das Universum selbst eingebunden ist. Wie kann es aber in einem solch vernetzten Universum die Freiheit geben, sich zu entscheiden und das Richtige zu tun?

Dies ist philosophisch gesehen ein großes Problem. Wir haben das tiefe Gefühl, dass wir frei sein müssen, aber wenn wir uns die Ereignisse unseres Lebens und die Welt um uns herum anschauen, werden wir daran zweifeln müssen. Kann es sein, dass diese Freiheit eine Illusion ist? In der westlichen Welt ist das Problem der menschlichen Freiheit in der Tat das Zentrum philosophischer Fragen, Kontroversen und Erörterungen. Seit fast dreitausend Jahren ringen die großen Philosophen mit dem Konflikt zwischen freiem Willen und Determinismus.

Religiöse Führer und idealistische Denker bestehen normalerweise darauf, dass wir im Wesentlichen frei sind. Sie sehen uns als Meister unseres eigenen Schicksals. Wie wir wählen und wie wir entscheiden, sei das bestimmende Element unseres Lebens. Wir können also zwischen gut und schlecht, richtig und falsch, zwischen spirituellem Erwachen oder materieller Verödung entscheiden. Der Körper mag Gegenstand bestimmter physikalischer Gesetze sein, aber der Geist sei frei in Ewigkeit. So muss es sein, auf jeden Fall glauben sie daran.
Materialistische Philosophen sagen genau das Gegenteil, nämlich, dass die Idee der menschlichen Freiheit Wunschdenken und Illusion sei. Wir sind demnach nicht wirklich frei. Unser Handeln, unser Leben und sogar unsere Gedanken werden bestimmt durch unsere Gene, durch unsere Familie, durch unsere Erziehung und unsere Gesellschaft usw. Der Verlauf der menschlichen Geschichte ist ihnen zufolge nur die Entfaltung des Gesetzes von Ursache und Wirkung, Freiheit nur eine schöne Illusion.

Die Philosophen dieser beiden Denkrichtungen haben jeweils beeindruckende und großartige Theorien zur Unterstützung ihrer Sichtweise entwickelt. Sie drängen uns, Partei zu ergreifen, damit wir die „Wahrheit“ sehen können. Aber viele von uns ziehen es vor, sich dabei nicht festzulegen, weil wir das Gefühl haben, dass eine derartige Wahl zwischen den Extremen zu dogmatisch und zu weit reichend ist. Wenn wir die Lehre der idealistischen Philosophen annehmen, müssen wir wohl die Erklärungen der Naturwissenschaft und die Verlässlichkeit unserer eigenen Sinneswahrnehmungen bezweifeln.

Wenn wir aber auf der Seite der materialistischen Philosophie stehen und glauben, dass das Gesetz von Ursache und Wirkung immer gilt, müssen wir wohl die menschliche Freiheit und die Möglichkeit von moralisch richtigem Handeln verneinen. Es ist tatsächlich eine schwierige Wahl. Wir würden gern einen Kompromiss finden, einen Ausweg aus dem Dilemma, aber es gibt in der Tat zunächst keinen Ausweg. Wir müssen dieser Tatsache ins Auge sehen. Es ist eine Tatsache, dass wir nicht wirklich an die Freiheit und an das Gesetz von Ursache und Wirkung gleichzeitig glauben können, weil sie widersprüchlich und unvereinbar sind.

Manche Philosophen haben sich mit einer Wahrheit beschäftigt, die jenseits der unvereinbaren Wahlmöglichkeiten und des widersprüchlichen Glaubens an Freiheit oder Verursachung liegt. Indem sie die logische Schlussfolgerung der Dialektik benutzen, haben sie versucht, dieses dialektische Prinzip des Wechselspiels zwischen widersprüchlichen Meinungen aus dem Bereich des Denkens auf den Bereich der Entwicklung der gesamten Welt zu übertragen. Sie haben mit unterschiedlichem Erfolg versucht, eine Alternative zu den dogmatischen Standpunkten der dualistischen Denkweise des Idealismus und Materialismus zu finden.

Indem sie alternative Sichtweisen und Denkansätze verwendet haben, hofften sie, aus dem Bereich der unvereinbaren Gegensätze zu einer beweglicheren und weniger fixierten Konzeption der Wirklichkeit zu kommen: Eine monistische Konzeption, in der die getrennte Welt von Subjekt und Objekt in einer Sicht der Gesamtheit zusammengebracht wird, eine Sicht der Vollkommenheit und der Einheit.

Leider ist eine solche Sichtweise nur eine Vision, eine Art Bild. Dialektisches Denken ist nur das: eine Form des Denkens. Es ist auf den Bereich des Verstandes und des Denkens beschränkt. Im Bereich des Verstandes ist es aber ganz unmöglich, der dualistischen Welt wirklich zu entkommen. Obgleich die Dialektik eine ausgezeichnete Methode der Logik ist, waren die Philosophen, die sie benutzten, kaum in der Lage, die der Methode innewohnenden Grenzen zu überschreiten und die damit verbundenen Fehler zu vermeiden.

Der große Philosoph Hegel benutzte die Dialektik, um mehr als tausend Jahre des idealistischen westlichen Denkens zusammenzufassen. Er entwickelte ein Modell der Menschheit und des Universums, das den Geist als die grundlegende Wirklichkeit aller Dinge sah und nannte ihn Weltengeist. Auf der anderen Seite stützten sich Philosophen wie Marx auf die dialektische Logik, aber lehnten die Idee des Geistes als Grundlage des Universums ab. Sie argumentierten, dass alle Dinge allein durch Materie und Energie verursacht werden und sich in ihrer jetzigen Form durch das unaufhebbare Wirken des Gesetzes der Verursachung entwickelt haben.
Auf diese Weise wurde die kontroverse Diskussion fortgesetzt und die Argumente wurden immer feiner und komplizierter, aber der grundsätzliche Konflikt blieb leider bestehen. Kein Philosoph hatte eine dialektische Methode gefunden, um die Trennung von Geist und Körper zu überwinden. Es gibt bei uns immer noch große Verwirrung über diese grundsätzlichen Fragen des Lebens. Der Lösung der fundamentalen philosophischen Probleme wie des Gegensatzes von Freiheit und Determinismus sind wir immer noch nicht näher gekommen.

Wenn die großen Philosophen nicht in der Lage waren, dieses Problem zu lösen, stellt sich die Frage, ob wir hoffen dürfen, selbst weiter zu kommen und die Wahrheit zu finden. In der Tat glaube ich, dass die Wahrheit uns allen durch die Lehren von Gautama Buddha zugänglich ist. Er lebte in einer einfacheren Zeit. Das philosophische Denken war noch nicht so weit entwickelt und verfeinert, aber die Probleme, mit denen sich die Menschen konfrontiert sahen, waren nicht grundsätzlich verschieden von denen, die wir heute lösen müssen. Er war ein ehrlicher Mensch, der versuchte, die Konflikte, die sein Herz und seinen Geist spalteten, zu lösen. Er war sich des Problems der Freiheit voll bewusst. Er suchte viele Jahre lang nach der vollständigen Freiheit, die damals von verschiedenen religiösen Denkern propagiert wurde, aber sie entzog sich ihm immer wieder. Er konnte z. B. nicht den Wirkungen vergangener Handlungen entkommen und er konnte nicht die Folgen der realen Tatsachen in seinem Leben ignorieren.

Daher war das zentrale Problem der westlichen philosophischen Geschichte auch das zentrale Problem im Leben Gautama Buddhas. War der Geist, der die Menschen fragen und nach Erfüllung suchen lässt, die höchste Kraft im Universum oder waren die Menschen für immer durch die materiellen Gesetze von Ursache und Wirkung festgelegt? Gautama Buddha kämpfte lange Zeit mit diesem Problem. Seine Bemühungen, diesen inneren Lebenskonflikt zu lösen, führten ihn weg von der rein philosophischen Erörterung zu einer Phase materialistischen Experimentierens und reinen Genießens.

Schließlich fand er zu einem Leben des einfachen Handelns, einem Leben der Arbeit und einem Leben des schlichten Tuns. In einem solchen Leben entdeckte er die Lösung des Problems, das uns in der modernen Welt noch immer plagt. Die Lösung des Problems der Freiheit entwickelte sich bei Gautama Buddha direkt aus seiner eigenen Erfahrung. Seine Lehre war daher einfach, direkt und doch auch sehr fundiert. Wenn wir verstehen, wie Gautama Buddha den Konflikt zwischen Freiheit einerseits und Bestimmung durch Ursache/Wirkung andererseits gelöst hat, werden wir den Kern der buddhistischen Lehre selbst verstehen können.

Wie sieht nun seine Lösung aus? Wie ich schon gesagt habe, war Buddha ein ehrlicher, aufrichtiger Mensch. Er war sehr aufmerksam für das, was er in seinem Leben tun und was er lassen sollte. Er dachte viel über moralische Fragen nach und entdeckte, dass die Zeit dabei ein wichtiger Faktor war. Wenn er über Handlungen in der Vergangenheit nachdachte, erkannte er, dass manches Handeln falsch war. Er bedauerte die Fehler, die er begangen hatte, aber erkannte auch, dass dieses Bedauern die Lage nicht wirklich veränderte. Er konnte nämlich jene frühere Handlung nicht mehr rückgängig machen. Er konnte niemals in die Vergangenheit zurückkehren, um die früheren Fehler zu vermeiden. Dies war für ihn sehr bedrückend.

Als Gautama Buddha seine Aufmerksamkeit auf die Zukunft lenkte, wurde er sich eines anderen Gefühls bewusst. Die Möglichkeit, in der Zukunft richtig zu handeln, schien realistisch. Doch begann er, solchen hoffnungsvollen Gefühlen zu misstrauen und fand heraus, dass sie meistens auf Träumen und Illusionen beruhten. Er hatte viele Hoffnungen und Pläne, aber er erkannte, dass solche Träume in der Zukunft kaum vollständig verwirklicht werden könnten, denn die Zukunft war selbst nur eine Idee, ein Gedanke. Sie war etwas, das nur in seinem Geist vorhanden war und keine Wirklichkeit und Substanz besaß. Man kann niemals wirklich in der Zukunft leben.

Schließlich erkannte Gautama Buddha, dass bei der Zeit nur der gegenwärtige Augenblick zählt und wirklich ist. Er konnte darüber nachdenken, was sich in seinem Leben, das sich von der Vergangenheit bis in die Zukunft erstreckte, ereignet hatte oder ereignen würde, aber er konnte nur im gegenwärtigen Augenblick wirklich leben und handeln. Dies war nicht nur für ihn selbst richtig, sondern für alle Menschen. In der Tat kann alles im Universum nur im gegenwärtigen Augenblick existieren. Daher untersuchte Buddha den gegenwärtigen Augenblick. Er studierte die wirkliche Zeit, die Zeit der wirklichen Existenz. Er studierte das wirkliche Leben, wie es Augenblick für Augenblick Wirklichkeit war. Ihm wurde klar, dass das Denken und Fühlen ihn meist von der Wirklichkeit im gegenwärtigen Augenblick wegführte. In der Tat konnte es nur mitten im Augenblick des Handelns geschehen, dass Vergangenheit und Zukunft wegfielen und die Klarheit des Seins da war.

Im Zustand der Klarheit konnte er die Zeit und den Augenblick erfahren oder, um es anders auszudrücken, die Existenz, wie sie wirklich ist. Was er erfuhr, war das Jetzt, Jetzt, Jetzt. Jeder Moment war einzigartig und vollständig und, wenn man so will, vollkommen. Jeder Augenblick stand für sich in unabhängiger Größe und Würde, klar von der Vergangenheit getrennt und klar von der Zukunft abgegrenzt. Aber ein Augenblick konnte niemals vollständig mit dem Verstand erfasst werden, denn er war zu kurz und zu flüchtig. Er war nur ein Aufblinken, ein augenblicklicher Blitz von etwas. Dieses augenblickliche Aufblitzen war in der Tat alles, es war sein Leben und es war die Wirklichkeit. Es war das Universum selbst.

Auf diese Weise entdeckte Buddha, dass das Universum, in dem wir leben, nur im Augenblick wirklich ist und direkt erfahren werden kann. Diese Entdeckung gab ihm eine neue Sichtweise und ein neues Denken über das Leben und die philosophischen Probleme, die ihn in der Vergangenheit so sehr beunruhigt hatten. Er entwickelte eine Lehre, die wir die Philosophie des augenblicklichen Universums nennen können. Entsprechend dieser Lehre ist die Zeit wie ein Lichtblitz. Wenn das Licht aufblitzt, erscheinen wir und gleichzeitig erscheint das Universum. Wenn das Licht verlöscht, verschwinden wir und das Universum auch. Unser Leben ist eine lange Kette solcher Blitze von Augenblicken: ein fortwährendes Erscheinen und Verschwinden des Lebens, des Universums und unserer selbst.

Eine solche Lehre unterscheidet sich radikal von unserer herkömmlichen Vorstellung von Zeit. Wir stellen uns Zeit normalerweise als eine klare Linie vor, die von der weit entfernten Vergangenheit in die Zukunft führt. Aber ein solches Verständnis ist nur ein Konstrukt des Verstandes, eine Interpretation, die auf dem Gedächtnis und auf Zukunftsvorstellungen beruht. Eine solche verstandesmäßige Interpretation legt den Schwerpunkt auf die Vergangenheit und die Zukunft, aber vernachlässigt meist den Augenblick der Gegenwart, weil dieser Augenblick hier und jetzt jenseits unserer Reflektion ist und weil er mit dem Geist und dem Verstand nicht erfasst werden kann. Der Verstand arbeitet mit dem, was er kann, er wandert von der Vergangenheit in die Zukunft und zieht unsere Aufmerksamkeit immer wieder von der gegenwärtigen Zeit ab, obgleich diese die Wirklichkeit ist. In der Tat leben wir die meiste Zeit unseres Lebens in der geistigen Welt unserer Träume und Erinnerungen.

Indem wir geistig einmal in der Vergangenheit und ein anderes Mal in der Zukunft verweilen, werden wir hin- und hergezogen in einer Welt von ständig sich ändernden Sichtweisen, Erinnerungen und Standpunkten, in einer Welt der Verwirrungen und der Widersprüche. Philosophische Zweifel sind ein unausweichlicher Teil dieser Art zu leben. Wir suchen nach der Wahrheit in den Mustern vergangener Zusammenhänge von Ursache und Wirkung oder träumen von Freiheit und Glück in zukünftigen Tagen. Wir fragen uns, was eigentlich wirklich ist: die Welt unserer Erinnerungen oder die Welt unserer Träume, die Welt der unveränderlichen Tatsachen oder die Welt der unbegrenzten Möglichkeiten.

Gautama Buddha lebte viele Jahre lang in dieser verwirrten Welt von Unklarheiten. Er hatte seine eigenen Träume und Erinnerungen, seine eigenen schmerzhaften Zweifel und philosophischen Fragen. Sein Leben war auf ähnlichen Ideen und Annahmen aufgebaut wie das unsrige und er unternahm gewaltige Anstrengungen, um die Konflikte zu lösen, die durch solche Ideen in seinem Leben entstanden waren. Von einem bestimmten Zeitpunkt an begann er jedoch, sich zu entspannen und auf einfache Weise zu leben. Er entdeckte die Erfüllung, Zazen zu praktizieren und durch diese Übungspraxis erreichte er ein natürliches Gleichgewicht und eine wunderbare Balance in Klarheit und Frieden. In diesem Zustand des natürlichen Gleichgewichts hatte er die Erfahrung von Zeit, wie sie wirklich ist. Er nahm die wirkliche Natur der Zeit wahr und verstand sie und durch dieses Verständnis überwand er seine früheren Vorstellungen und Theorien über sein Leben und das Universum.

Er erkannte, dass es in Wirklichkeit keinen tatsächlichen Widerspruch zwischen der Freiheit und dem Gesetz von Ursache und Wirkung gibt. Im Augenblick, in der Gegenwart, war er frei: Frei, um seinen Weg zu wählen, frei, zu handeln oder auch nicht zu handeln. Aber der Augenblick selbst entstand nicht durch irgendwelche Magie. Er konnte nur als Ergebnis einer langen Kette von Augenblicken erscheinen, die in ihrer Existenz aufleuchteten, einer nach dem anderen, in der Vergangenheit. So hatte die Vergangenheit die Möglichkeiten geschaffen, die in der gegenwärtigen Situation enthalten sind und der Augenblick hier und jetzt trägt das Gewicht der Vergangenheit und ist von ihr geprägt. Als Gautama Buddha über die Beziehung zwischen dem gegenwärtigen Augenblick und der Vergangenheit nachdachte, konnte er stets das Gesetz von Ursache und Wirkung finden, aber im wirklichen Leben hier und jetzt war er im Augenblick frei. Er hatte also die Macht, entsprechend seiner eigenen intuitiven Entscheidungen zu leben. Sein Leben war auf diese Weise zwar an die Vergangenheit gebunden, aber zur gleichen Zeit frei.

Dies war die Lösung, die Gautama Buddhas für den Widerspruch zwischen Freiheit und Vorausbestimmung durch Ursache und Wirkung fand. Im gegenwärtigen Augenblick sind wir beides, frei und gebunden. Es erscheint wie ein seltsamer Widerspruch, wie ein Paradox, aber es ist die Wirklichkeit unseres Lebens. Jeder von uns macht solche Erfahrungen in seinem Leben.
Das buddhistische Konzept der Zeit und des Universums, das nur im gegenwärtigen Augenblick existiert, ist Teil der umfassenderen Lehre des Buddhismus über das Handeln. Gautama Buddha erklärte, dass das Leben im Wesentlichen aus Handlungen im Hier und Jetzt besteht. Das Leben und das Handeln sind daher durch zwei Größen bestimmt: durch Zeit und Raum. „Hier“ ist die Bestimmung des Ortes. „Jetzt“ ist die Bestimmung der Zeit. Unser wirkliches Leben kann nicht außerhalb des konkreten Ortes und der konkreten Zeit existieren. Mit anderen Worten ist die Situation hier und jetzt unser wirkliches Leben. Von diesen beiden bestimmenden Größen ist die Zeit schwieriger zu verstehen als der Ort und aus diesem Grund ist die Lehre eines Universums, das fortwährend im Augenblick entsteht, so wichtig.

Meister Dogen sah diese Theorie als die Grundlage des Buddhismus überhaupt an. In seinen Schriften verdeutlicht er diese Lehre aus ungewöhnlichen Perspektiven und Sichtweisen und beleuchtet so alle wesentlichen Probleme. Es erscheint oft, als ob er eine subjektive und objektive Interpretation der Wirklichkeit zurückweist, um einem transzendenten Realismus Platz zu machen. Ein solcher Realismus sieht alle Dinge so, wie sie im Augenblick hier und jetzt sind. Manchmal ist diese Theorie nur impliziert, aber oft spricht Meister Dogen auch direkt von der Augenblicklichkeit des Lebens und des Universums. Eine solche Textstelle wird in dem Kapitel des Shobogenzo mit dem Titel „Die Erweckung des Bodhi-Geistes“ wiedergegeben:

„Im Allgemeinen beruhen die Erweckung des Geistes und die Verwirklichung der Wahrheit auf dem augenblicklichen Entstehen und Vergehen aller Dinge. Wenn (alle Dinge) nicht augenblicklich entstehen und wieder vergehen würden, könnte das Unrecht, das im vorherigen Augenblick begangen wurde, nicht fort gehen. Wenn das Unrecht, das im vorherigen Augenblick begangen wurde, noch nicht fort gegangen wäre, könnte das Rechte im Augenblick nicht verwirklicht werden. Nur der Tathagata kennt in aller Klarheit die Dauer dieses Augenblicks. (Es heißt,) dass der Geist ein gesprochenes Wort zu einer Zeit erzeugen kann und dass die Sprache ein geschriebenes Wort zu einer Zeit ausdrücken kann. Diese Lehre ist ebenfalls nur vom Tathagata, sie ist jenseits der Fähigkeit anderer Heiliger. Etwa in der Zeit, in der ein Mann einmal mit dem Finger schnippen kann, gibt es fünfundsechzig ksanas (Augenblicke), (in denen jede) der fünf Komponenten des Menschen (skandas) entsteht und vergeht, aber kein gewöhnlicher Mensch hat dies jemals wahrgenommen oder kennt es. Auch normale Menschen kannten die Länge einer Zeitspanne von einhundertzwanzig ksanas (Augenblicken). Im Laufe eines Tages und einer Nacht gibt es 6 500 990 980 ksanas (Augenblicke). (In jedem von ihnen) entstehen und vergehen die fünf Komponenten des Menschen (skandas), aber normale Menschen nehmen dies nicht wahr und wissen dies nicht. Weil sie es nicht wahrnehmen oder wissen, erwecken sie nicht den Bodhi-Geist. Wer den Buddha-Dharma nicht kennt und nicht an den Buddha-Dharma glaubt, glaubt auch nicht an das Prinzip des augenblicklichen Entstehens und Vergehens aller Dinge und Phänomene. Wer die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges des Tathagata und den wunderbaren Geist des Nirvana geklärt hat, glaubt unausweichlich an die Wahrheit des augenblicklichen Entstehens und Vergehens aller Dinge und Phänomene. Wenn wir der Lehre des Tathagata jetzt begegnen, fühlen wir, als ob wir dies klar verstanden haben, aber wir sind uns nur der (langen) Perioden des tatksana (von einhundertzwanzig Augenblicken) oder längerer Perioden bewusst und wir glauben nur, dass das Prinzip wahr sei.

Unser Unvermögen, alle die Dharmas des Weltgeehrten zu klären und unser Unvermögen, alle die Dharmas zu kennen, die der Weltgeehrte gelehrt hat, ist dasselbe wie unser Unvermögen, die Länge eines ksanas (Augenblick) zu kennen: Die Schüler sollen niemals aus Nachlässigkeit stolz werden. Wir sind nicht nur unwissend über das extrem Kleine, wir sind auch unwissend über das extrem Große. Auch gewöhnliche Wesen sehen die dreitausendfache Welt, wenn wir auf der Kraft der Wahrheit des Tathagata aufbauen. Zusammengefasst kann gesagt werden: Wenn wir von der lebenden Existenz in die mittlere Existenz gehen und von der mittleren in die nächste lebende Existenz, bewegen sich alle Dinge in einer fortlaufenden Kette, ksana (Augenblick) nach ksana (Augenblick). So geht der Kreislauf von Leben und Tod voran, ohne einen einzigen Augenblick anzuhalten, unabhängig von unseren Absichten und Wünschen und gelenkt vom dem vorherigen Handeln im Leben.

Mit dem Körper-Geist, der auf diese Weise durch den Kreislauf von Leben und Tod gefegt wird, sollten wir sogleich den Bodhi-Geist erwecken. Der Bodhi-Geist ist der Wille, andere zu befreien, bevor wir selbst die Befreiung erlangen. Auch wenn wir auf dem Weg sind, den Bodhi-Geist zu erwecken, (aber) unseren Körper-Geist nur ungern hergeben, wird er geboren, wird alt, krank und stirbt; am Ende ist es nicht unser eigener Besitz.“

Die Worte von Meister Dogen erscheinen ziemlich hart und kompromisslos, aber in Wirklichkeit ist seine Botschaft sehr mitfühlend. Er zeigt uns unsere wirkliche Lebenssituation. Er drängt uns, aufzuwachen und die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Es ist natürlich nicht einfach, die gewöhnliche Art unseres Denkens beiseite zu schieben und es ist nicht einfach, die übliche Vorstellung von Zeit zu überwinden; aber die Wahrheit besitzt eine große Kraft. Wenn wir die Kraft der Lehren Gautama Buddhas benutzen, können wir die Art und Weise, wie wir die Welt sehen, verändern und wir können auch damit beginnen, unser Leben wirklich zum Besseren zu wenden.

Wir leben im Augenblick der Gegenwart. Dies ist wirklich eine sehr einfache Lehre. Es ist zunächst aber gar nicht so leicht einzusehen, warum eine solche einfache Lehre unser Leben verändern sollte. Wenn wir diese Aussage jedoch genauer untersuchen, werden wir es schwierig finden, viele bisherige Annahmen und Vorstellungen über unser Leben aufrecht zu erhalten. Der jetzige Augenblick ist unser Leben, ist unsere Wirklichkeit.

Die Vergangenheit und die Zukunft gibt es nur in unserem Gehirn, sie sind Erinnerungen oder Hoffnungen, Fantasien und Ängste, aber keine Wirklichkeit. Der gegenwärtige Augenblick ist alles. Im gegenwärtigen Augenblick können wir leben und können wir handeln. Wenn wir handeln, gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Körper und Geist. Wenn wir handeln, sind das handelnde Subjekt, das Objekt und die externe Welt eine Einheit. Dies sind die wesentlichen Inhalte der Lehre Gautama Buddhas. Wenn wir diese Eckpunkte der Lehre in unserem Leben ebenfalls zu erkennen beginnen, müssen wir natürlich unsere bisherige Sichtweise ändern.

Verstand und Körper, Geist und Materie, freier Wille und Determinismus – sie sind alles Dualitäten, die allein unserem Denken entspringen. Im gegenwärtigen Augenblick kann es solche Dualitäten nicht geben. Es gibt nur diesen Ort, diese Zeit, diese Handlung, dieses Leben, diese Existenz und dieses Universum: jetzt, jetzt, jetzt.Wenn wir diese Lehre praktisch anwenden, können wir meines Erachtens die Konflikte unserer großen Kulturen viel besser lösen. Wenn wir diese Lehre benutzen, können wir die Einheit von Körper und Geist, Verstand und Materie finden. Wenn wir diese Lehre benutzen, können wir einen neuen Weg finden, um die Widersprüche zwischen Idealismus und Materialismus zu überwinden und beide zusammenzuführen. Wenn wir diese Lehre zu einem selbstverständlichen Teil unseres täglichen Lebens machen, können wir kraftvoll und zugleich friedlich in der Erkenntnis leben, dass unser Leben sowohl frei als auch festgelegt ist. Wir können ein neues Leben beginnen, ein neues Leben in einem neuen Universum.

Samstag, 30. August 2008

Der mittlere Weg und der Wille zur Wahrheit (Teil 2)
Fragen und Antworten
(Aus dem Buch: Begegnung mit dem wahren Drachen, erscheint demnächst)


Es ist schwer für mich, den Sinn des mittleren Weges als Ziel zu verstehen. Können Sie erklären, wie der mittlere Weg als Leitlinie für das praktische Handeln funktionieren kann?


In den alten buddhistischen Schriften werden meist Gleichnisse und Metaphern verwendet, um die Lehren leichter verständlich zu machen. Vielleicht wäre ein solches Vorgehen auch sinnvoll, um den mittleren Weg verständlich zu machen. Wir können das Leben mit einer Straße oder Autobahn vergleichen:

Unsere Straße führt zu einem Zielort, aber vom Standort unseres Ausgangspunktes ist dieser Zielort normalerweise nicht zu sehen. Die Landschaft rechts und links von der Straße ist jedoch sichtbar und dies ist oft sehr spannend und auch verführerisch. Es gibt wunderbare Ausblicke auf Berge, Wälder und Flüsse, die unsere Aufmerksamkeit von der Straße ablenken. Außerdem gibt es am Straßenrand faszinierende Werbung für alle möglichen wunderbaren Dinge. Einige preisen ihre Produkte als das Höchste für die Lebensqualität und Lebensfreude an. Andere bieten sofortigen Ruhm und Erfolg und andere versprechen uns den Weg zur allwissenden Erleuchtung und zur spirituellen Glückseligkeit.

Ohne dass wir uns dessen bewusst sind, lenken wir das Steuerrad des Autos nach der verführerischen Werbung entweder nach rechts oder nach links. Aber die Straße des Lebens ist seitlich der wirklichen Straße nicht befahrbar! Am Straßenrand sind nur Schlaglöcher und gefährliche Abgründe. Wenn wir das Auto in den Graben fahren, wird es vermutlich viel Zeit in Anspruch nehmen, um wieder zurück auf die befestigte Straße zu gelangen und weiterzufahren.

Es ist also das Ziel des Lebens, einfach auf der Straße zu bleiben, sonst geht es nicht voran. Wir sollten uns nicht allzu sehr um die endgültige Bestimmung und den zukünftigen Zielort sorgen. Das Problem ist unsere Sicherheit beim Fahren, hier und jetzt. Wenn wir das Gefühl haben, durch allzu fantastische Ideale oder materialistische Anreize nach rechts oder links weggezogen zu werden, sollten wir möglichst bald unseren Kurs korrigieren und wieder auf die Mitte der Straße zurückkehren.

Dies ist die Bedeutung des mittleren Weges als Ziel des Lebens. Der mittlere Weg ist nämlich kein fantastisches oder verführerisches Traumziel, sondern ein sehr praktischer Maßstab, um die Ausgewogenheit von Ideen und Handlungen richtig einzuschätzen und zu erreichen. Er ist ein Maßstab, der uns in Bewegung hält und uns in die richtige Richtung bringt. Mit einem solchen Maßstab können wir uns an unserer Fahrt durch das Leben erfreuen, ohne Angst vor illusionären Seitenspuren und gefährlichen Abgründen auf beiden Seiten. Wenn wir dem mittleren Weg folgen, können wir das Ziel des wahren Buddhismus schneller als auf jedem anderen Weg erreichen.

Ist der Idealismus immer die erste Äußerung des Willens zur Wahrheit?

Nein, ich denke nicht. Der Wille zur Wahrheit offenbart sich sehr einfach und direkt schon in der Kindheit. Wenn ein Kind ein seltsames Insekt findet, möchte es z. B. seinen Namen wissen. Wenn es in der Natur einer Schlange begegnet, möchte es sie mit einem Stock anstacheln. Es versucht also herauszufinden, was es damit eigentlich auf sich hat. Eine solche einfache Neugier ist bereits die klare Offenbarung des Willens zur Wahrheit. Wenn man dann älter wird, zieht uns derselbe Impuls zu Buchläden, zu interessanten Menschen oder vielleicht zu buddhistischen Seminaren.

Nicht alle Offenbarungen des Willens zur Wahrheit sind idealistisch. Im Verlauf des Lebens taucht der Wille zur Wahrheit oft in Form von idealistischen Fragen und Antworten auf, wenn wir anfangen, Philosophie oder Religion zu studieren und über das Leben nachdenken. Der Wille zur Wahrheit ist ein grundlegender Charakterzug des Menschen, unsere fundamentale Natur. Daher sollten wir den Willen zur Wahrheit im Laufe des Lebens nicht verlieren und nicht fortwerfen, sondern im Gegenteil bewahren und pflegen.

Sie haben erklärt, dass der Wille zur Wahrheit ganz natürlich und grundsätzlich ist und dass viele unserer Bemühungen im Leben von dem Willen zur Wahrheit gelenkt werden. Warum ist es notwendig, ihn zu erwecken, zu pflegen und zu bewahren, wenn dies so ist?

Das rührt daher, dass sich der ursprüngliche Wille zur Wahrheit, der von allen Menschen geteilt wird, in der Tat auf verschiedenartige Ziele richtet. So gibt es den Willen zum Ruhm, den Willen zum Reichtum, den Willen zur Macht usw. Solche Begierden und ein solcher Ehrgeiz sind nicht notwendigerweise schlecht oder unnatürlich, aber sie haben die Tendenz, den Willen zur Wahrheit selbst zu verdunkeln oder gar zu verdrängen.

Wir werden dann gefangen genommen von unseren weltlichen Aktivitäten und Unternehmungen, so dass wir das wahre Ziel unseres Lebens nicht mehr klar sehen können. An einem bestimmten Punkt werden wir wahrscheinlich die Leere und Sinnlosigkeit unserer blinden Sucht nach Macht, Ruhm, Geld, oberflächlichem Genuss oder scheinbarer Sicherheit erkennen. Wir haben dann das Gefühl, dass alle unsere Anstrengungen im Leben falsch waren und zu nichts geführt haben. Es scheint dann so, als ob es nichts gäbe, für das es sich lohnt zu leben und nichts, auf das wir unser Leben aufbauen könnten.

In solchen Zeiten der Verzweiflung mag sich der Wille zur Wahrheit wieder unüberhörbar melden. Dies ist damit gemeint, den Willen zur Wahrheit zu erwecken. Den Willen zur Wahrheit zu erwecken bedeutet, die Illusionen unserer Gedanken und unserer Begierden zu entdecken und freizulegen. Dabei entdecken wir die Tatsache, dass wir hier und jetzt nichts haben, auf das wir uns stützen und verlassen können – außer auf den Willen zur Wahrheit.

Samstag, 23. August 2008

Der mittlere Weg und der Wille zur Wahrheit (Teil 1)
Aus dem Buch: Begegnung mit dem wahren Drachen, erscheint demnächst

Ich mache mir manchmal über die Menschen Gedanken, die aus dem Westen nach Japan kommen, um hier Buddhismus zu studieren. Ich denke, viele von ihnen suchen auch das Wesen und das Herz des geheimnisvollen Asiens. Vielleicht ist ihr Alltag im Westen langweilig und uninteressant geworden. Sie können den Sinn ihres sozialen Lebens nicht finden und die religiösen Einrichtungen ihrer Herkunftsländer scheinen wesentlicher Teil dieser negativen sozialen Situation zu sein. Die Institutionen dort sind den Menschen vielleicht zu vertraut und erscheinen ihnen zu gewöhnlich, zu langweilig und bieten zu wenig Neues. Daher suchen sie nach etwas anderem.

Der Zen-Buddhismus ist für sie so etwas Anderes und Exotisches. Er hat seltsame und paradoxe Geschichten, ungewohnte Ideen und Konzepte und eine fremdartige Übungspraxis. Alles erscheint geheimnisvoll und exotisch. Solche Geheimnisse ziehen manche Menschen gewaltig an, aber ich fürchte, es handelt sich dabei doch weitgehend um Illusionen. Es geht mir in meinen Ausführungen auch darum, solche Illusionen und fehlerhaften Konzepte zu berichtigen.
Der wahre Buddhismus ist nicht exotisch und nicht seltsam.

Der wahre Buddhismus ist im Grunde sehr einfach, sehr praktisch und sehr realistisch. Wenn wir den Buddha-Dharma wirklich verstehen, finden wir, dass andere Religionen dieser Welt demgegenüber zum Teil recht seltsam und geheimnisvoll sind. Sie sind auch mysteriös, weil sie oft auf einen ganz bestimmten Bereich des Geistes oder der Seele beschränkt sind, denn im Bereich des Geistes und der Fantasie ist wirklich alles möglich. Aber die reale Welt hat ihre konkreten und praktischen Grenzen wie Zeit und Raum. Die wirkliche Welt ist nicht fantastisch und fremdartig, sondern gradlinig und einfach: Die Wirklichkeit ist "normal".

Die Wirklichkeit kann in diesem Sinne nicht in den Extremen des Denkens und Fühlens gefunden werden, denn sie ist nur im Zustand des Gleichgewichts zwischen solchen Extremen vorhanden. Die Wirklichkeit herrscht in der Mitte oder im Zentrum, daher sprechen wir im Buddhismus auch vom mittleren Weg und davon, dass wir durch den Buddha Dharma unsere Mitte finden.

Der mittlere Weg ist ein sehr wichtiges Konzept im Buddhismus und wie die meisten buddhistischen Lehren, kann er auf verschiedenen Ebenen und aus vielen Sichtweisen heraus verstanden werden. Die meisten Buddhisten verstehen den mittleren Weg als Leitlinie, um ihr Leben richtig zu führen – ein Leben, das in der Mitte zwischen den Extremen eines allzu genusssüchtigen, weltlichen Lebens einerseits und einer übermäßig harten und entbehrungsreichen spirituellen Askese andererseits liegt. Ich glaube, dass dieses Verständnis sehr wichtig ist und ich bin der festen Meinung, dass es das ursprüngliche Konzept von Gautama Buddha im damaligen Indien ist.

Zu Lebzeiten des Buddha gab es viele verschiedene Ansichten, Haltungen, Denkrichtungen und Ideologien über das Leben. Eine Denkrichtung wurde von einer Gruppe naturalistischer Theoretiker angeführt, die auch als die sechs nicht-buddhistischen Priester bekannt waren. Ihre materialistische Einstellung unterstützte das Streben nach sinnlichen Freuden als dem wichtigsten Ziel des Lebens.

Das andere Extrem bildeten brahmanische Priester und andere idealistische Sucher. Sie drängten die Menschen dazu, von sinnlichen Freuden und Genüssen ganz Abstand zu nehmen und die Freiheit des Geistes durch Glauben und Gebet unabhängig vom Körper zu erreichen. Wir können daher im philosophischen Sinne den mittleren Weg als eine Haltung bezeichnen, die in der Mitte zwischen Materialismus und Idealismus liegt. Es ist eine Haltung, die extreme Standpunkte vermeidet und das Ziel eines gemäßigten, ausgeglichenen und harmonischen Lebens verfolgt.

Der mittlere Weg ist eigentlich eine einfache und gradlinige Idee. Wenn wir die Welt und die Menschen um uns herum studieren, können wir ohne Schwierigkeiten das Durcheinander und das Leiden erkennen, die durch eine Lebensführung der sinnlichen Genüsse oder der unrealistischen Ideale entstehen. Wir haben oft das Gefühl, dass unser Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist, wenn wir unerreichbare Träume verfolgen oder flüchtigen sinnlichen Genüssen nachjagen und dabei letztlich nur Enttäuschungen und Frustrationen erleben.

Es ist unmöglich, dass wir alles bekommen, was wir haben wollen. Oft können wir nicht einmal erkennen oder entscheiden, was wir wirklich wollen. Manchmal sind wir in Hochstimmung und optimistisch, zu anderen Zeiten sind wir niedergeschlagen, depressiv und mutlos, was unsere Zukunft betrifft. Einmal denken wir, dass wir großartige außergewöhnliche Menschen sind und ein anderes Mal leiden wir unter Gefühlen der eigenen Kleinheit und fehlenden Bedeutung. Im Auf und Ab eines solchen Lebens fangen wir an, uns nach einer gewissen Ordnung und Klarheit zu sehnen. Vielleicht sollten wir versuchen, Harmonie in unser Leben zu bringen. Vielleicht sollten wir also dem mittleren Weg folgen. Dies ist sicher eine ausgezeichnete Idee, aber leider ist sie nicht so leicht zu verwirklichen.

Dem mittleren Weg zu folgen ist nämlich nicht so einfach, wie es zunächst erscheint und wie man vielleicht glaubt. Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, den wir nicht leichtfertig übergehen sollten. Warum ist es nun so schwierig, dem mittleren Weg zu folgen? In einer Hinsicht ist das Problem jedoch sehr einfach. Der mittlere Weg ist ein geistiges Konzept, also ein Ideal, das wir uns zwar gut vorstellen können, es ist jedoch nicht die Wirklichkeit selbst, es ist nicht unser Leben. Ideale sind immer einfach zu denken und schwer zu verwirklichen. Sie sind eben Ideen und nicht die Wirklichkeit.

Wir wundern uns vielleicht darüber, dass Gautama Buddha uns lehrte, etwas anzustreben, das in der wirklichen Welt nicht zu erreichen ist. Warum sagte er uns nicht, dass wir unsere Träume und Ideale vergessen sollten, um nur in der unfassbaren Wirklichkeit und Wahrheit zu leben? Ich fürchte, dass seine Schüler ihn mit einem verständnislosen Ausdruck im Gesicht angestarrt hätten, wenn er sie dies gelehrt hätte. Wie kann man aber in einer mit dem Verstand nicht fassbaren Wirklichkeit leben? Wie kann man etwas suchen, das keinen Namen hat und nicht genau beschrieben werden kann? Am Anfang unseres Studiums des Buddhismus scheinen die Lehren des unfassbaren Dharma und der unfassbaren Wirklichkeit unklar und nicht besonders wichtig zu sein. Wir brauchen daher ein geistiges Bild, das einfacher zu verstehen ist, wir benötigen eine Idee, die direkter mit unserer täglichen Erfahrung verknüpft werden kann. Ich denke, dass Gautama Buddha dies sehr genau wusste. Er wusste, dass die Menschen ein verständliches Ziel benötigen – eine Idee, die als Ziel oder Leitlinie für ihre Bemühungen im Leben dienen kann.

Der mittlere Weg ist ein solches Ziel. Es ist in der Tat ein gutes Ziel, dass wir ein ausgeglichenes, harmonisches Leben führen und extreme Sichtweisen und Handlungen vermeiden sollten. Dieses Ziel können wir mit unserem Geist leicht erfassen. Der mittlere Weg ist ein Ideal, aber er spiegelt die wirkliche Natur des Universums wider. Es ist ein Ideal, das realistisch ist und unser Leben nachhaltig verbessert. Unser Bemühen, ein Leben auf dem mittleren Weg zu führen, wird uns im Laufe der Zeit zu Harmonie mit der Welt, den Menschen und dem Universum führen.

Danach können wir das Ideal eigentlich vergessen und einfach in der wirklichen Welt leben und handeln. Wenn wir ein einfaches, realistisches Ziel haben, ist dies ein wichtiger Ausgangspunkt für viele menschliche Handlungen und Unternehmungen. Gautama Buddha berücksichtigte diese Tatsache, indem er den mittleren Weg lehrte. Wenn man die Notwendigkeit eines Zieles anerkennt, bedeutet dies, dass wir die Wichtigkeit von Idealismus und Idealen in unserem Leben anerkennen. Dies ist, denke ich, die tiefere Bedeutung der buddhistischen Lehre des mittleren Weges.

Auch Meister Dogen hat den Wert des Idealismus anerkannt, aber auf eine andere Art und Weise. Im Shobogenzo drängt er uns oft, den Willen zur Wahrheit zu erwecken, zu pflegen und zu bewahren. „Wille zur Wahrheit“ ist meine Übersetzung des Sanskritwortes „Bodhicitta“. Es bezeichnet ein sehr altes Konzept im Buddhismus und in den Arbeiten von Meister Dogen nimmt es einen besonders wichtigen Platz ein. Er sagt mit Nachdruck, dass es von herausragender Bedeutung für das Studium des Buddhismus ist, den Willen zur Wahrheit zu besitzen und weiter zu entwickeln.

Wir mögen hervorragende Kenntnisse der buddhistischen Theorien und sogar der Übungspraxis haben, aber ohne den Willen zur Wahrheit ist ein solches Wissen weitgehend sinnlos. Auf der anderen Seite unterstreicht Dogen, dass Fehler und falschen Handlungen in unserem Leben eine wichtige Voraussetzung für den Lernprozess sind, durch den wir die Wahrheit erlangen und sogar die Ursache dafür sein können, dass wir sie erlangen, sofern wir den Willen zur Wahrheit in unserem Leben fest verankert haben.

Als ich solche Sätze zuerst im Shobogenzo las, verstand ich, dass der Glaube an den Willen zur Wahrheit bei Meister Dogen unerschütterlich war und keine Kompromisse zuließ, aber ich konnte nicht verstehen, warum dies so wichtig sein sollte. Ich wunderte mich darüber, dass er eine so hohe Meinung vom Willen zur Wahrheit hatte. Jetzt, im Licht meiner eigenen Erfahrung eines langen Lebens, kann ich den Grund für diesen kompromisslosen Glauben verstehen. Ich denke, wir können ihn in der Geschichte seines Lebens selbst finden. Er begann das Studium des Buddhismus als er noch sehr jung war. Damals hatte er keine klare Vorstellung von dem, was Buddhismus wirklich ist. Er hatte viele zum Teil einseitige Ideen und idealistische Fantasien, aber er konnte den Buddhismus letztlich überhaupt nicht verstehen.

Er konnte weder die Sutras noch die buddhistische Theorie und auch nicht die Lehren seiner Meister wirklich begreifen. Seine Gedanken über den Buddhismus waren meist den Absichten Gautama Buddhas vollständig entgegengesetzt. Er hatte keinen Maßstab, um die Wahrheit von der Unwahrheit zu unterscheiden, kein realistisches Ziel, auf das er zuarbeiten konnte. Er hatte in seiner ganzen Verwirrung wirklich nichts als den Willen zur Wahrheit.

Daher wurde der Wille zur Wahrheit zum Maßstab seines Lebens. Seine fehlerhaften Ideen und Fantasien trieben ihn vorwärts. Als er den Realitäten des Lebens begegnete, musste er viel leiden und geriet in immer neue Verwirrungen, aber diese Leiden und diese Verwirrungen stärkten seine Entscheidung, nur die Wahrheit zu suchen. So erreichte Meister Dogen schließlich trotz der zahllosen Fehler, Missverständnisse und persönlichen Schwierigkeiten das Ziel, das er vorher nicht klar in seinem Geist gesehen hatte. Dies war für ihn eine äußerst wichtige Tatsache. Wenn er an die Erfahrungen seines Lebens dachte, fühlte er ohne jeden Zweifel, dass der einzige wahre Führer sein Wille zur Wahrheit gewesen war.

Dies ist der Grund, denke ich, warum Meister Dogen den Willen zur Wahrheit so hoch schätzte. Er glaubte, dass der Wille zur Wahrheit unser wahrer Verbündeter und unser wahrer Freund im Leben ist. Diesen Verbündeten sich zu erhalten, ist daher die wichtigste Pflicht im menschlichen Leben. Wir sollten keine Angst vor Leiden, Verwirrungen und großen Schwierigkeiten haben, aber wir sollten Angst davor haben, den Willen zur Wahrheit zu verlieren. Ohne den Willen zur Wahrheit können wir niemals die höchste Bestimmung des menschlichen Lebens erreichen.
Daher ist der Wille zur Wahrheit für uns von grundlegender Bedeutung. Er ist die Kraft und Unruhe, die uns vorwärts treibt auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und die Quelle einer besseren Lebensweise und des Glücks. In diesem Sinne stehen daher alle unsere Bemühungen im Leben in einem direkten Zusammenhang mit dem Willen zur Wahrheit.

Wenn wir Philosophie oder Religion studieren, haben wir anfangs meist eine bestimmte Motivation, die rein, spirituell und sehr idealistisch ist. Meister Dogen fühlte, dass eine solch idealistische Anstrengung, unser eigenes Leben verstehen zu wollen, der aufrichtige und natürliche Ausdruck des Willens zur Wahrheit ist. Daher lehnte er auch später den Idealismus nicht ab. Im Gegenteil, er sah ihn als Ausdruck des menschlichen Willens an, etwas wissen und verstehen zu wollen. Er fühlte, dass die idealistische Form des Willens zur Wahrheit eine wichtige Phase in der Entwicklung des einzelnen Menschen und der ganzen Menschheit darstellt.
Ich glaube daher, dass Meister Dogen und Gautama Buddha sehr ähnliche Einstellungen zu Idealen und zum Idealismus hatten. Sie verstanden, dass die Menschen zuerst einmal Idealisten sein müssen. Wenn die Menschen dem Buddhismus begegnen, werden sie ihn zunächst immer auf der Grundlage idealistischer Gedanken studieren.

Dies ist eine notwendige Phase des menschlichen Verstehens, eine natürliche Stufe, durch das Leben die großen Probleme des Lebens selbst zu lernen. Daher sieht der Buddhismus den Idealismus als einen Anfangspunkt allen Denkens und Verstehens an, aber er ist nicht das endgültige Ergebnis oder die höchste Wahrheit, sondern er ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu dieser Wahrheit. Ohne unsere Träume, Ideen und Ideale können wir niemals unsere Reise zur Wahrheit beginnen, weil wir keine Vorstellung von der Richtung hätten und kein Ziel, auf das wir uns zu bewegen könnten. Die geistigen Bilder, Ziele und Ideen, welche die erste Stufe unseres Verstehens kennzeichnen, sind daher sehr wichtig für uns. Sie geben uns einen ersten Eindruck von einer komplexen Wirklichkeit, einer Wirklichkeit mit vielen verschiedenen Gesichtern. Idealistische Bilder der Wahrheit sind in der Tat ein bestimmtes Gesicht dieser Wirklichkeit – ein Gesicht der wirklichen Welt.

Samstag, 2. August 2008

Wie trifft man einen wahren Meister? (Teil 2)
Aus dem Buch: Begegnung mit dem wahren Drachen, erscheint demnächst


Fragen und Antworten

Wie können wir einen wahren Meister des Buddhismus finden?

Sie müssen ihn suchen und ihm zuhören.

Aber wenn wir einem buddhistischen Lehrer begegnen, wie können wir wissen, dass er ein wahrer Lehrer und ein wahrer Meister ist?

Buddhistische Meister sind sehr verschieden und haben ausgeprägte Persönlichkeiten. Sie mögen dick oder dünn, langweilig oder gut aussehend, jovial oder ernsthaft sein. Daher gibt es leider keine bestimmten äußeren Merkmale oder einfache Richtlinien, um einen wahren Meister von einem geschickten Schwindler zu unterscheiden. Wenn wir einem guten Lehrer begegnen, sollten wir bei ihm eine gewisse Ernsthaftigkeit erkennen können. Wir sollten ein intuitives Gefühl haben, dass seine Lehren wahr sind. Wenn wir jemanden gefunden haben, von dem wir fühlen, dass er ein wahrer Lehrer ist, besteht der nächste Schritt darin, uns selbst für diesen Lehrer wirklich zu öffnen und das, was er sagt, ganz aufzunehmen. Manche seiner Aussagen mögen ziemlich fremd oder gar ungeheuerlich klingen.

Der Meister könnte zum Beispiel sagen, dass Buddha das Unkraut im Garten oder ein vom Baum fallendes Blatt ist. Wir müssen dann bereit sein, diese Aussagen ernst zu nehmen und uns auf sie einzulassen: Ja, vielleicht ist Buddha das Unkraut oder ein fallendes Blatt. Wenn wir dann die Lehren des Meisters mit einem offenen Geist betrachten, müssen wir seine Lehren für unser eigenes Leben überprüfen. Dies ist eine wichtige Phase des buddhistischen Studiums. Am Anfang unseres buddhistischen Lebens unterliegen wir normalerweise einem Prozess von Versuch und Irrtum. Wir müssen dann durch unsere eigenen Anstrengungen herausfinden, was wahr ist und ob wir dem Lehrer vertrauen können.

Sensei, in Ihrem Vortrag haben Sie von Ihrer frühen Einführung in den Buddhismus gesprochen. Aber ich bin an Ihrem Leben als Ganzem interessiert. Ich habe einiges über Ihren Lebensweg auf der Rückseite Ihrer Bücher gelesen. Ich habe erfahren, dass Sie an der Universität von Tokyo studiert haben, dass Sie für die Regierung im Finanzministerium und später für eine Versicherungsfirma gearbeitet haben. Wir verbinden im Allgemeinen solche beruflichen Aktivitäten nicht mit dem Leben eines Mönches oder eines Priesters. Aber ich weiß, dass Sie später in Ihrem Leben in der Tat als Priester ordiniert wurden. Welche Unterschiede haben sich da in Ihrem Leben bemerkbar gemacht, nachdem Sie Priester geworden sind? Wie hat es Sie persönlich verändert und Ihr Verhalten gegenüber anderen Menschen beeinflusst?

Ganz grundsätzlich gab es da keine großen Unterschiede. Mein Leben war im Grunde dasselbe, bevor ich Priester wurde. Bevor ich Priester wurde, lebte ich mein Leben als Buddhist. Nachdem ich Priester geworden war, setzte sich dieses Leben als buddhistisches Leben fort. Ich lebte mein buddhistisches Leben von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick – manchmal in meinem Büro, manchmal zu Hause und manchmal im Tempel. In jeder Situation gab es nur mein buddhistisches Leben. Durch eine bestimmte Zeremonie wird man Priester. Aber dies ändert nicht die grundsätzliche Lebensweise und diese ist das buddhistische Leben hier und jetzt. Das ändert sich nicht.

Hatten Sie in Ihrer Jugend das Gefühl, ein Mönch zu sein?

Was meinen Sie mit „das Gefühl, ein Mönch zu sein“?

Nun ja, manche Menschen scheinen besondere Fähigkeiten und ein besonderes Verhältnis zum Leben zu haben.

Ja, ich glaube, ich hatte das Gefühl eines Mönches. Aber daneben hatte ich auch das Gefühl eines Laien. Ich hatte das Gefühl eines Menschen im Beruf, eines Vaters usw. Alles zur selben Zeit. Ich hatte das Gefühl, ein Mensch zu sein.

Wie kam es, dass Meister Kodo Sawaki einen so großen Eindruck auf Sie gemacht hat? Warum war er ein so guter Lehrer?

Ich glaube, es lag daran, dass seine Lehre so rein war. Wenn ein Mensch normalerweise irgendetwas Bestimmtes tut, hat er dabei meist eine besondere Motivation oder ein bestimmtes Interesse. Oft steht ein teils bewusstes und teils unbewusstes Verlangen dahinter, etwas im Gegenzug für den eigenen Aufwand zu bekommen. Aber bei Meister Kodo Sawaki konnte ich solche Motive nicht erkennen. Er lehrte einfach, weil es für ihn natürlich war, dies zu tun. Seine Lehre war rein und seine Theorie einfach und klar. Er lehrte, dass Zazen der Kern des Buddhismus ist – ja, dass Zazen identisch mit dem Buddhismus selbst ist.

Als ich die Worte von Meister Sawaki hörte, hatte ich zwar noch die Neigung, daran zu zweifeln und kritisch zu sein, aber ich konnte seine Worte nicht wirklich in Frage stellen. Als ich ihm begegnete, berührte mich tief etwas in seinem Verhalten und seinen Worten. Es war eine Art von intuitivem Gefühl. Ich fühlte, dass die Lehren von Meister Kodo Sawaki wahr waren – dass er eine Verkörperung der Wahrheit selbst war.

Hatten Sie nicht das Gefühl, dass Sie durch eine besondere Veranlagung so aufnahmebereit für Meister Sawaki waren? Sie müssen ein besonderer Schüler gewesen sein.

Ja, ich nehme an, dass ich besonders unbedarft war. Wollten Sie das sagen?

Unbedarft?

Ja, unbedarft im wörtlichen Sinne. Menschen haben im Allgemeinen wenig Zeit für philosophische Fragen wie zum Beispiel über das Verhältnis von Körper und Geist oder die grundsätzlichen Wesensmerkmale der Religion usw. Aber derartige Fragen waren für mich von ganz großer Bedeutung. In gewissem Sinne war ich zu ernsthaft, zu gradlinig und mein Geist zu einfach. Aber ich denke, es waren gerade diese Eigenschaften, die mich für die Wahrheit empfänglich machten, als ich sie hörte. Ich glaube daher, dass es nicht wichtig ist, wie intelligent wir sind, sondern dass wir an die Existenz der Wahrheit glauben und sie ernsthaft suchen.

Warum betonte Meister Kodo Sawaki die Bedeutung von Zazen so stark?

Meister Kodo Sawaki schätzte die Praxis des Zazen außerordentlich und erzählte uns häufig, wie es dazu gekommen war, dass er diese Bedeutung des Zazen erkannte. Er war noch ein Teenager, als er sich entschied Mönch zu werden. Er wollte in das große Kloster Eihei-ji eintreten, das von Meister Dogen gegründet worden war. Aber zu jener Zeit war es nur jungen Männern aus wohlhabenden Familien möglich, in dem Tempel als Novize aufgenommen zu werden. Leider hatte der junge Kodo seine Eltern früh verloren und war sehr arm.

Um überhaupt in den Tempel eintreten zu können, war er gezwungen, als Diener für die älteren Mönche zu arbeiten. So war sein Leben im Tempel sehr hart und wenig inspirierend. Seine Vorgesetzte war eine alte, strenge Frau, die ihre Untergebenen vom Morgen bis in den späten Abend mit Saubermachen und untergeordneten Pflichten für die Mönche in Atem hielt. Ihr dauerndes Schelten und Schimpfen klang ihm den ganzen Tag in den Ohren und er musste feststellen, dass er keine Zeit hatte, Zazen zu praktizieren oder an den anderen religiösen Aktivitäten des Tempels teilzunehmen.Einmal war ein besonderer Feiertag, an dem alle Mönche den Tempel verließen, um ihre Familien zu besuchen oder die Zeit mit Freunden zu verbringen.

So fand sich der junge Diener Kodo allein im Tempel wieder und entschied, dass es für ihn eine gute Gelegenheit war, Zazen zu praktizieren. Er ging in die große Halle und setzte sich ruhig in eine Ecke auf ein Kissen. Es war dunkel und friedlich. Nach einer gewissen Zeit kam die alte Reinmachefrau, seine Chefin, in den Raum und sang leise vor sich hin. Zunächst hatte sie die Anwesenheit des jungen Sawaki gar nicht bemerkt. Aber als sich ihre Augen dann an die Dunkelheit des Raums gewöhnt hatten, sah sie ihn plötzlich in der Ecke sitzen.

Sie fiel vor Überraschung auf die Knie und verbeugte sich wieder und wieder vor ihm. Da erkannte Meister Sawaki, dass Zazen eine ganz besondere Kraft hat, eine wirklich mystische Qualität, die sogar einem armen jungen Diener Achtung und Würde verleiht. Diese Erfahrung hatte eine zentrale Bedeutung für das Leben von Meister Sawaki. Zu jeder Gelegenheit praktizierte er nun Zazen. Je mehr er praktizierte, desto tiefer wurde sein Vertrauen in die Kraft des Zazen.

Seine tägliche Praxis ermöglichte es ihm, sich eine fundierte Basis der buddhistischen Lehre zu erarbeiten und er wurde ein außerordentlich guter Meister. Als er zu lehren begann, war das wahre Verständnis des Buddhismus und des Zazen in Japan bereits im Niedergang begriffen. Viele Priester praktizierten Zazen, wenn überhaupt, nur als formale Pflicht, aber Meister Kodo Sawaki erkannte die natürliche, wesentliche Bedeutung der Zazen-Praxis. Er lehrte uns die Freude an der Praxis. Er führte das Zazen in Japan wieder ein.

Dienstag, 22. Juli 2008

Wie trifft man einen wahren Meister? (Teil 1)
Aus dem Buch: Begegnung mit dem wahren Drachen, erscheint demnächst

Vielleicht kommen einige von Ihnen an dieser Stelle zum ersten Mal mit dem Buddhismus und Buddhas Lehre in Berührung. Vielleicht haben Sie aber auch schon Bücher über Zen-Buddhismus oder die buddhistische Lehre und Philosophie gelesen. Wenn ja, so sind Sie schon mit einigen Aspekten der buddhistischen Lehre vertraut. Aber nur die buddhistische Lehre zu studieren, bedeutet noch nicht, dem Buddhismus wirklich zu begegnen. Dem Buddhismus und Buddha zu begegnen, ist etwas viel Wirklicheres als die Worte eines Buches. Ein ganz wichtiger Aspekt dessen ist der persönliche Kontakt zu einem buddhistischen Lehrer oder Meister. Nur durch einen solchen Kontakt von Mensch zu Mensch, also durch eine wahre Begegnung, können wir anfangen, den Buddhismus zu entdecken. Ich glaube vor allem, dass die erste Begegnung mit einem Meister sehr wichtig ist.

Ich erinnere mich noch sehr deutlich daran, wie ich zum ersten Mal meinem eigenen Meister begegnete und ich möchte Ihnen gerne davon berichten. Ich habe bereits erwähnt, dass ich mich von Religion und Philosophie sehr angezogen fühlte, als ich jung war, doch dies in einer einfachen Art und Weise. In meiner frühen Schulzeit war ich sehr ernsthaft und naiv und glaubte blindlings an die Ideen, mit denen ich in Berührung kam. Meine Eltern glaubten nicht an eine bestimmte Religion, aber sie hatten eine achtungsvolle Haltung gegenüber dem Leben.

Ich nehme an, dass sie mein etwas naives Vertrauen zu Ideen noch ermutigten. Aber all dieses änderte sich grundlegend in der Zeit, als ich in die Junior High School kam. Die natürlichen Veränderungen meines Körpers in jener Zeit schienen auch wesentliche Änderungen in meinem Denken zu bewirken. Ich wurde plötzlich sehr skeptisch gegenüber dem, was ich vorher geglaubt hatte. Dieser Glaube schien mir im Wesentlichen auf nichts anderem zu beruhen, als auf meinem eigenen, von Wünschen gesteuerten Denken und auf vielen falschen und ungenauen Vorstellungen über das Leben. Ich konnte auch keinen vernünftigen Grund finden, das eine zu tun und das andere zu lassen und so lebte ich eine zeitlang ein ziemlich freies Leben. Ich hatte jedoch wenig Freude an dieser Freiheit. Das Leben schien mir leer und machte mich depressiv. Ich wurde langsam fauler und bequemer und mir selbst gegenüber immer nachlässiger. Meine Gesundheit wurde schlechter und mein körperlicher Zustand labiler.

Ich habe mich aus diesem unerfreulichen Zustand durch den Versuch befreit, das Examen für die Aufnahme zur High School zu bestehen. Dies war eine Herausforderung, die ich damals nötig hatte, um aus dem Zustand schlafender Energien zu erwachen. Ich widmete mich nun ganz meinen Studien und indem ich dies tat, wurde mein ganzes Leben ruhiger und geordneter. Dann schloss ich mich einem Sportverein an und begann große Strecken zu laufen. Als Ergebnis wurde meine Gesundheit besser, mein Geist klarer und konzentrierter und dies schien der Kräftigung der körperlichen Gesundheit und Energie zu entsprechen. Diese wirklich dramatische Verbesserung meines physischen und geistigen Wohlbefindens kam mir wie ein Wunder vor. War dies nur ein zufälliges Zusammentreffen? Nur eine Art Reifung? Und was war die wirkliche Beziehung zwischen meinem Geist und meinem Körper? Diese Fragen bewegten mich sehr und ließen mir keine Ruhe.

Indem ich diese Fragen bedachte, führte mich meine alte Vorliebe für interessante Ideen dazu, andere Bereiche der damaligen Zeit kennen zu lernen. Zu jener Zeit wurde die japanische Politik von einer äußerst rechten Partei beherrscht. Ich fragte mich als Student, ob ich den wachsenden Militarismus unterstützen oder ihm widerstehen sollte. Wie konnte ein Mensch derartig schwierige Zusammenhänge klar und korrekt einschätzen? Als ich für diese Fragen eine Antwort suchte, fühlte ich mich unausweichlich zu den Veröffentlichungen großer Philosophen und religiöser Kommentatoren hingezogen. Ich las einige Bücher über Buddhismus, aber sie vermittelten mir den Eindruck, dass Buddhismus im Kern eine Lehre von Asketentum und Selbstverleugnung sei. Ein derartig pessimistischer Ansatz des Lebens war nicht das, was ich suchte.

Dann las ich ein Buch mit dem Titel „Eine Studie über die spirituelle Geschichte Japans“ von Tetsuro Watsuji. Es galt als Meisterwerk, das jeder Student lesen sollte. Von den darin beschriebenen religiösen Persönlichkeiten der japanischen Geschichte zog mich besonders Meister Dogen, ein buddhistischer Priester des 13. Jahrhunderts, an. Die Geschichte seiner langen und schließlich erfolgreichen Suche nach der Wahrheit war für mich sehr spannend und faszinierend. Ich wollte mehr über diesen interessanten Mann und seine Vorstellungen vom Leben kennen lernen. Auf der Suche nach seinen Veröffentlichungen fand ich sein Werk Shobogenzo, „Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges“.

In jener Zeit hatte ich ein jugendliches Vertrauen in meine eigene Fähigkeit, alles zu verstehen, was ich lesen wollte. Aber zu meiner großen Überraschung und auch Enttäuschung konnte ich beim Shobogenzo so gut wie gar nichts verstehen. Trotzdem fühlte ich mich auf irgendeine Weise von dem Werk außerordentlich angezogen und es ließ mich nicht los. Bestimmte Sätze hatten eine ganz besondere Anziehungskraft für mich und ich fühlte intuitiv, dass sie Gedanken enthielten, die zutiefst ungewöhnlich waren, obgleich ich deren Bedeutung nicht klar erfassen konnte.

Etwa in jener Zeit fand ich eine Notiz in einer buddhistischen Zeitschrift über ein Retreat (Sesshin) zum Studium und zur Praxis, das in einem Tempel nördlich von Tokyo durchgeführt wurde. Die Vorträge wurden von Meister Kodo Sawaki gehalten, einem Priester der buddhistischen Soto-Schule, die eine bekannte Traditionslinie des japanischen Buddhismus ist und sich auf Meister Dogen als ihren Gründer beruft. Meister Kodo Sawaki war in jener Zeit ein recht bekannter Meister in Japan. Er war vor allem für seine Art zu leben und zu lehren berühmt, da er zur alten Tradition der hauslosen Mönche (Mendikant) gehörte. Er hatte keinen eigenen Tempel, sondern wanderte in Japan umher und „lieh“ sich Tempel aus, die wenig benutzt wurden. Dort blieb er dann eine Weile, sammelte Schüler um sich und lehrte sie Buddhismus nach seinem Verständnis, um dann zu einem anderen Tempel weiterzuwandern und dort eine andere Gruppe von Studenten zu lehren. Er liebte es, sich selbst Kodo zu nennen: „Kodo ohne Wohnhaus“.

Dieser Lebensstil des Umherwanderns führte Meister Sawaki schließlich zu dem Tempel nördlich von Tokyo und dies gab mir die Möglichkeit, erstmals ein Sesshin zu erleben und die Worte eines lebenden buddhistischen Meisters zu hören. Ich erinnere mich an mein glückliches Gefühl und die großen Erwartungen, als ich mich mit meinem Reissäckchen und anderen Vorräten zum Tempel aufmachte. Ich hatte das Gefühl, ein Abenteuer zu beginnen: mit meiner zentralen Frage nach der Wahrheit.

Ich war vom ersten Vortrag Meister Sawakis tief beeindruckt. Das Thema seines Vortrags war Fukan Zazengi, „Allgemeine Richtlinien für das Zazen“. Dies war Meister Dogens erste größere Veröffentlichung, in der er klare und praktische Anweisungen für das Zazen gab, der buddhistischen Praxis des Sitzens in Stille. Er erklärte darin auch sehr klar und überzeugend die wichtigen Punkte der buddhistischen Lehre.
Meister Sawaki sprach über die ersten Sätze des Textes, in dem es heißt:

„Wenn wir jetzt nach der Wahrheit fragen, [ist die Antwort, dass] sie ursprünglich überall gegenwärtig ist. Weshalb sollten wir dann auf die Übungspraxis und Erfahrung angewiesen sein? Das grundlegende Fahrzeug [zur Verwirklichung] existiert aus sich selbst heraus. Welchen Nutzen hätte da auch nur die geringste Übungspraxis?“

Als Meister Sawaki diese Worte erklärte, war ich von der vollkommen positiven und optimistischen Lebenseinstellung, die sie ausstrahlten, tief beeindruckt und erschüttert. Konnte es sein, dass mein anfänglicher Eindruck vom Buddhismus als einer pessimistischen Religion falsch war? Im Laufe des Vortrages hatte ich immer stärker das Gefühl, dass Meister Sawaki aus seiner eigenen mehr als 60-jährigen Lebenserfahrung schöpfte und dass dies seinen Vortrag so spannend machte. Ich war tief bewegt. Ich fühlte, dass ich wirklich der einfachen großen Wahrheit lauschte – dass Meister Kodo Sawaki in der Tat ein wirklicher Meister des Buddhismus war.

Samstag, 28. Juni 2008

Begegnung mit dem wahren Drachen (Teil 2)
Aus dem gleichnamigen Buch, erscheint demnächst


Ich möchte Ihnen noch eine Geschichte erzählen. Man muss bei dieser Geschichte wissen, dass Drachen in Ostasien anders als im Westen sehr als sehr positive und großartige Fabeltiere gelten, die den Menschen viel Gutes tun und viel Kraft haben:

Es gab einmal einen Mann, der war von Drachen begeistert. An den Wänden seines Hauses hatte er viele Bilder von Drachen und alle seine Borde und Regale standen voll mit Statuen und kleinen Figuren von Drachen. Sein ganzes Haus war in der Tat mit Bildern und Darstellungen von Drachen angefüllt. Eines Tages schaute ein wirklicher Drache in sein Fenster. Als er alle die Bilder der Drachen sah, erfüllte ihn das mit Freude, denn hier gab es ganz klar einen Mann, der Drachen liebte. Sicher würde er sich darüber freuen, wenn ihn ein wirklicher Drache in seinem Hause besuchte. Aber als der Mann aus dem Fenster schaute und den wirklichen Drachen sah, bekam er einen gewaltigen Schrecken und flüchtete Hals über Kopf.

Genau dies meint Meister Dogen: Wir sollten nicht den Abbildungen der Wahrheit nachrennen. Wir sollten uns nicht von Theorien und verstandesmäßigen Erklärungen gefangen nehmen lassen. Wir sollten stattdessen lieber der Wahrheit direkt begegnen. Zazen zu praktizieren bedeutet, der Wahrheit der Buddhas direkt zu begegnen, und bedeutet, den wirklichen Drachen von Angesicht zu Angesicht zu sehen und zu erleben.

Fragen und Antworten

Die Worte am Anfang des Fukan Zazengi scheinen mir sehr wichtig zu sein. Meister Dogen sagte, dass die Wahrheit überall vorhanden ist und dass die Mittel, sie zu erlangen, auch in jeder Situation da sind. Wie Sie erklärt haben, sprach er dann weiter über die Illusionen und dass unser dualistisches Denken dazu neigt, eine Trennung zwischen uns und der Welt zu erzeugen, und dass dies in der Folge zu Verwirrungen und Leiden führt. Dies mag richtig sein, aber es scheint mir, dass das zentrale Problem nicht die Verwirrung selbst ist, sondern die Folgen und Reaktionen darauf. Wenn die Wahrheit in jedem Augenblick existiert, muss sie auch in der Verwirrung enthalten sein.
Daher mag eine Situation, die als vollkommen verwirrend und nicht handhabbar erscheint, in Wirklichkeit im Gleichgewicht sein. Sie ist dann völlig in Ordnung so, wie sie ist. Es ist nämlich unsere dauernde Bemühung, Situationen zu verändern und zu manipulieren, die das Gleichgewicht tatsächlich stört. Daher ist es unsere Aufgabe, so wie ich die buddhistische Lehre verstehe, einfach die Dinge so zu lassen, wie sie sind. Wenn wir uns entspannen und zulassen, dass die Ereignisse ihren eigenen Lauf nehmen, würden sich viele Probleme von selbst erledigen. Nicht wahr? Es gibt wirklich keine Notwendigkeit, besondere Anstrengungen zu unternehmen, uns selbst zu verändern oder unsere Situationen zu steuern. Oder?

Ich fürchte, dass solches Denken genau die Art von verstandesmäßiger Rationalisierung ist, über die Meister Dogen spricht. Zu denken, dass alles in Ordnung ist, das es keine Notwendigkeit gibt, irgendetwas zu tun oder zu ändern, dass es keine Notwendigkeit für Anstrengungen gibt, um einen Zustand des Gleichgewichts zu erreichen, ist genau die Art des fehlgeleiteten Denkens, gegen das wir uns schützen müssen.
Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich das so direkt sage.

Die Welt verändert sich in jedem Augenblick, und wir sind Teil der sich wandelnden Welt. Wir können uns nicht in einem bequemen Sessel zurücklehnen und die aufrichtigen Anstrengungen der anderen Menschen beobachten, so als ob sie zu einem komischen Film oder einem Spiel gehörten. Wir müssen uns in die Bewegungen des Lebens hineinbegeben. Wir müssen dem sich ständig verändernden Universum folgen, von dem wir ein Teil sind. Indem wir ihm folgen, bewegen wir uns in jedem Augenblick mit dem Universum. Dies bedeutet, dass wir Schritt halten mit den dauernden Veränderungen und den Umständen unseres Lebens. Wenn wir Zazen praktizieren, tun wir genau das. Wir folgen dem Universum direkt hier und jetzt. Es ist unser bestmögliches Leben, wenn wir auf diese Weise ruhig und ehrlich von Augenblick zu Augenblick leben. Dies ist unser natürliches Leben. Es ist eine natürliche Anstrengung, ein solches Leben zu leben: Sie entsteht aus unserem natürlichen Zustand als Mensch.

Leider haben wir die Neigung, diesen natürlichen Zustand zu vergessen und zu verlieren. Wir haben die Angewohnheit, zu viel zu denken und zu viel zu wollen. Wir denken und denken und denken immer mehr - und das oft im Kreis. Denken wird unser ganzes Leben, und wir können nichts außerhalb des Bereichs des Denkens sehen. In einem solchen Leben voller Illusionen betreten wir dann vielleicht in unserer Vorstellung ein erträumtes paradiesisches Reich Gottes. Im vorgestellten Reich Gottes zu wandern ist aber nicht unser natürlicher Zustand.

Es ist nicht unser ursprünglicher Zustand als menschliche Lebewesen. Vielleicht folgen wir aber auch der umgekehrten Richtung und werden übermäßig abhängig von unserem Körper, unseren Gefühlen, von Sex oder Geld, Macht oder Ruhm. Wenn man fortwährend nur im Bereich der Sinne und des Materialismus lebt, ist dies ein Leben, wie es Tiere haben. Es ist auch nicht das wirkliche Gleichgewicht menschlicher Wesen.

Gautama Buddha lehrte uns, wirklich Mensch zu werden. Er riet uns eindringlich, zu unserem natürlichen Zustand, zu unserem ursprünglichen Zustand, zurückzukehren Wenn wir dies tun wollen, erfordert dies einige Anstrengungen. Wir müssen die Kette der Gedanken mit Sorgfalt durchtrennen. Wir müssen unsere Fixierungen auf den Geist oder auf den Körper durch aufrichtiges Handeln auflösen, hier und jetzt. Einige einfache und direkte Bemühungen sind also unbedingt notwendig, und wir sollten uns dieser Tatsache nicht verschließen. Wir sollten uns nicht durch Theorien verführen lassen, die uns Begründungen für Inaktivität und Trägheit liefern. Bemühung und Anstrengung ist sehr wichtig. Es ist das Leben selbst.

Vielleicht ist es nötig, einige Anstrengungen in unserem Leben zu unternehmen. Aber ich frage mich immer noch, in welche Richtung solche Anstrengungen gehen sollen. Zazen zu praktizieren ist eine sehr persönliche Anstrengung, die sich auf uns selbst bezieht. Was ist mit jenen Anstrengungen, die sich nach außen richten? Sollten wir nicht versuchen, die Welt zum Besseren zu verändern, oder sollten wir die Welt und unsere eigene Situation nur sich selbst überlassen und nicht auf eine positive Entwicklung einwirken?

Ich fürchte, es gibt keine festen Regeln, um jeder Lebenssituation gerecht zu werden. Manchmal ist es sinnvoll und richtig zu versuchen, die Welt zum Guten zu verändern, und manchmal ist das nicht möglich. Wir sind immer in einem gewissen Maß an die Bedingungen und Umstände der jeweiligen Situation gebunden. Wir sollten daher unsere Fähigkeit auch nicht überschätzen, unsere Situation vollständig verändern zu können. Es gibt immer Zeiten, wo wir es versuchen müssen. Dann kann die Entscheidung, etwas zu tun, jedoch nicht durch rein verstandesmäßige Überlegungen allein gefällt werden, denn nur durch unsere intuitiven, ganzheitlichen und klaren Entscheidungen ist es möglich, in unterschiedlichen Situationen sinnvoll und wirkungsvoll zu handeln. Ein solcher intuitiver Sinn wird richtig sein, wenn unser Körper und unser Geist richtig sind. Wenn wir im Zustand des natürlichen Gleichgewichts sind, möchten wir vielleicht manchmal versuchen, die Welt zu verändern, und manchmal sollten wir es, um mit Ihren Worten zu sprechen, sein lassen. Beide Situationen sind für uns natürlich. Wir sollten nicht versuchen, unsere Antworten auf die realen Lebenssituationen zu starr festzulegen.

Meister Dogen sagte, dass das Geheimnis des Zazen etwas anderes ist als Denken. Was bedeutet dies?

„Etwas anderes als Denken“ drückt das positive Handeln und Tun aus. Es bedeutet, etwas anderes zu tun, als nur zu denken. Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir damit, unseren Gedanken und Empfindungen nachzulaufen, ohne uns dessen bewusst zu sein. Wir haben kaum Zeit, uns dem eigentlichen Handeln zu widmen. Wenn wir Zazen praktizieren, müssen wir nicht denken und nicht fühlen. Wir handeln nur. Wir sitzen nur. „Nur sitzen“ ist etwas anderes als Denken. Das ist Zazen.

Zu sagen, dass wir nicht denken oder fühlen müssen, erscheint mir doch sehr seltsam. Wenn ich Zazen praktiziere, merke ich, dass meine Gedanken und Gefühle fast genauso weiterlaufen wie vorher.

Ja, das stimmt. Der Zustand in Zazen ist kein Zustand frei von allem Denken und allem Fühlen, sondern ein Zustand, in dem wir schrittweise aufhören, den Gedanken und Gefühlen aktiv oder willentlich nachzujagen. Wenn wir uns anfangs auf dem Kissen niedersetzen, laufen unsere üblichen Muster des Denkens und Fühlens eine Zeitlang weiter. Aber an einem bestimmten Punkt wird die Kette der Gedanken immer häufiger unterbrochen. Es entstehen Lücken beim Herumspringen der Gedanken und diese Lücken werden langsam größer und treten immer häufiger auf, bis wir schließlich einen Zustand der Ruhe, des Gleichgewichts und der Balance erreichen.

Selbst dann sind wir nicht ganz ohne Gedanken und Gefühle, aber die Bilder, die erscheinen, sind sehr einfach und konkret und stören uns nicht weiter. Wir sehen vielleicht einen Punkt auf der Wand oder eine Fliege, die auf dem Boden krabbelt. Wir hören vielleicht die Vögel singen oder fühlen einen deutlichen Schmerz in unseren Beinen. Solche Wahrnehmungen sind nicht mit Denken, Konzepten und Gefühlen überfrachtet. Sie sind sehr direkt und einfach. Sie erscheinen ganz natürlich und verschwinden auch wieder, ohne eine Spur zu hinterlassen.

Wenn wir diesen Zustand genießen, stören wir nicht den natürlichen Fluss der Bilder und Wahrnehmungen. Wir machen dann keine Anstrengungen, die Bilder, die erscheinen, festzuhalten, zu bekämpfen oder zu manipulieren. Wir vermindern und beenden das gewöhnliche Verhalten, dass wir unseren Gedanken und Empfindungen aktiv oder willentlich nachjagen, und widmen uns ganz dem einfachen Sitzen in Ruhe. Dies meine ich, wenn ich sage, dass wir im Zazen nicht zu denken oder zu fühlen brauchen.

Sollten wir uns also nicht durch unsere Gedanken stören und beunruhigen lassen?

Ja, das ist richtig.

Aber wenn wir uns unserer Gedanken bewusst werden, erscheinen sie sehr bedeutend und oft neurotisch. Wir haben den Eindruck, dass wir die Gedanken nicht steuern und kontrollieren können.

Es gibt keinen Grund, die Gedanken zu kontrollieren. Wenn wir unsere Gedanken kontrollieren wollen, ist dies auch wieder eine andere Art von Denken. Im Zazen sollten wir Denken und Nicht-Denken einfach hinter uns lassen. Wir sollten nur aufrichtig in unserem Sitzen sein. Das ist das Geheimnis des Zazen.

Aber wie können wir das tun?

Indem wir darauf achten, dass unser Rücken gerade und senkrecht aufgerichtet ist. Dies erscheint Ihnen vielleicht zu einfach, aber es ist der Kern unserer Bemühungen im Zazen. Wir benötigen keine ausgefeilten Methoden, um unseren Geist auf etwas zu konzentrieren oder den Körper im Gleichgewicht zu halten. Die richtige Haltung einzunehmen und ehrlich aufrecht zu sitzen bedeutet, direkt in den Zustand des Gleichgewichts zu gelangen. Wenn Sie also merken, dass Sie denken, sollten Sie sich an Ihre Sitzhaltung erinnern. Ist Ihr Rücken aufgerichtet? Sind Sie etwas zur rechten oder linken Seite geneigt? Aufrichtig zu sitzen ist nur eine Frage von wiederholten einfachen Anpassungen. Aufrichtig sitzen ist „nur sitzen“. Das ist alles. Es gibt keine sensationellen verborgenen oder mystischen Bedeutungen. Es ist genauso einfach, wie es sich anhört: „nur sitzen“. Und dies bedeutet einfach, mit dem ganzen Körper und Geist zu sitzen. Aber das hat eine große positive Wirkung auf unser Leben, ganz von allein.

Wie lange sollten wir Zazen praktizieren?

Ich empfehle normalerweise 45 Minuten am Morgen und wenn möglich, 30 oder 45 Minuten abends. Aber zuerst mag dies viel zu lang sein. Sitzen Sie daher so lange, wie Sie können. Vielleicht sind dies am Anfang nur fünf oder zehn Minuten. Aber wenn Sie jeden Tag praktizieren, werden die Sitzperioden von allein länger, auch weil Sie sich immer wohler dabei fühlen. So kann man zum Beispiel heute fünf Minuten und morgen zehn Minuten sitzen usw., wie es Ihnen möglich ist.

Was ist, wenn es während der fünf oder zehn Minuten nur Geschwätz und Durcheinander im Kopf gibt?

Wir müssen nicht zwischen Zazen unterscheiden, das voll von Geschwätz ist, und Zazen, das ruhig und gelassen ist. Die ersten fünf Minuten mit fortwährendem Geschwätz sind genauso wichtig wie die letzten Minuten der ruhigen Gelassenheit. Manchmal ist Zazen ruhig, manchmal ist Zazen unruhig. Beide Situationen sind grundsätzlich dasselbe. Wir brauchen daher keine Sorge zu haben, eine bestimmte Ebene oder einen bestimmten Zustand der Gelassenheit zu erreichen. Dies wird sich mit der Zeit ganz von selbst einstellen. Das Ziel der Praxis ist nur zu praktizieren. Es ist gut am Anfang und gut am Ende. Zazen ist Zazen.

Ich möchte gern jeden Tag Zazen sitzen, aber ich habe einen anstrengenden Beruf und eine Familie, so dass ich normalerweise von morgens bis in die Nacht hinein tätig bin. Es erscheint mir nicht möglich zu sein, regelmäßig zu praktizieren.

Zeit für die Praxis von Zazen zu finden ist meist eine Frage der Organisation und Veränderung der Prioritäten im Leben. Allerdings haben wir alle unsere speziellen Probleme und unsere besonderen Anforderungen. Wir müssen daher Lösungen finden, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Ich denke, dass wir normalerweise einen Weg finden können zu praktizieren, selbst wenn wir sehr beschäftigt sind, wenn wir nur den ehrlichen Wunsch haben, dies zu tun.

Wenn wir zu beschäftigt sind, jeden Tag zu praktizieren, gibt es vielleicht andere Übungen, die wir stattdessen im täglichen Leben tun können, die dieselbe Wirkung wie Zazen haben. Sollten wir zum Beispiel versuchen, mit geradem Rücken zu sitzen, wenn wir arbeiten?

Die richtige Haltung ist bei all unseren Aktivitäten sehr wichtig. Wenn Sie erschöpft sind und sich abgespannt fühlen, strecken Sie Ihren Rücken und richten Sie ihn gerade auf. Meist hat dies schon eine gute Wirkung auf Ihre geistige und körperliche Situation. Wir sollten jedoch nicht auf einer solchen Haltung beharren, wenn sie unsere Aktivitäten und unsere Arbeit stört oder unmöglich macht. Wenn Sie zum Beispiel zu sehr mit Ihrem Rücken beschäftigt sind, während Sie Gemüse für die Mahlzeit zubereiten, schneiden Sie sich vielleicht in den Finger, weil Sie nicht aufpassen. Alles, was Sie tun, tun Sie es mit ganzem Herzen. Dies ist eine gute Praxis, eine Art von Zazen. Aber dies zu lernen ist natürlich recht schwierig. Deswegen müssen wir Zazen praktizieren. Es gibt wirklich keinen Ersatz für Zazen.

Aber wenn es wirklich zu schwierig ist .. .

Die Situation ist sehr einfach, wirklich. Wenn sie schwierig ist, solltest du praktizieren. Wenn das unmöglich ist, geht es halt nicht.

Ich finde es schwierig, die Beziehung zwischen Zazen und dem täglichen Leben zu verstehen. Wenn wir praktizieren müssen, um in ein natürliches Gleichgewicht zu gelangen, scheint es mir, als ob wir ununterbrochen praktizieren müssten, um dies aufrecht zu erhalten. Verschwindet der Zustand des Zazen nicht sofort, wenn wir die Praxis beenden?

Nein, es setzt sich eine Zeit lang fort und verändert unser alltägliches Leben.

Warum?

Weil der Zustand in Zazen keine künstlicher ist, den wir auf dem Kissen erst herstellen müssten. Es ist, wie ich schon häufiger sagte, unser natürlicher Zustand, unser ursprünglicher Zustand. Wenn wir daher in Zazen in unser ursprüngliches Gleichgewicht zurückkehren, wird dies danach eine Zeit lang weiter anhalten, auch wenn die Praxis selbst schon vorbei ist. Dieses Gleichgewicht bleibt mit uns verbunden und folgt uns auf natürliche Weise. Meister Dogen verglich dies mit dem Läuten einer Glocke: Wenn wir die Glocke läuten, setzt sich der Klang noch eine ganze Weile fort. Die Schwingungen der Übungspraxis tragen uns durch die danach folgende Zeit, und wir können daher fortlaufend im natürlichen Gleichgewicht leben.

Mein Problem ist, dass ich manchmal sehr schläfrig werde, während ich Zazen praktiziere. Was soll ich tun?

Du solltest aufwachen.

Vielleicht ist mein Problem ähnlich, aber ich fühle mich nicht schläfrig in Zazen, sondern ich fühle mich nur unwohl. Ich finde es wirklich sehr langweilig, 45 Minuten still zu sitzen und auf die Wand zu starren. Es ist sehr schwer für mich, mit dieser Langeweile fertig zu werden.

Das Problem der Langeweile ist sehr interessant. Diese moderne Welt, in der wir leben, schätzt Abwechslung außerordentlich hoch. Die Menschen suchen immer nach Intensität, Dramen, Interessantem und Neuem. Wir suchen nach Abwechslung und Spannung im Bereich des Denkens und der körperlichen Freuden und wir werden unruhig in Situationen, die keine speziellen Anreize bieten, es fehlt dann der gedankliche oder sinnliche Kick. Dies ist unsere moderne Orientierung, unser Verhalten oder unsere Sichtweise. Wenn wir daher unsere ersten Erfahrungen im Zazen machen, ist es natürlich, dass wir das vielleicht langweilig finden.

Vielleicht können wir uns eine Zeit lang selbst unterhalten mit unseren Gedanken, Bildern oder mentalen Fantasien, danach beschäftigt uns wahrscheinlich das Problem unserer Schmerzen in den Beinen und in unserem Rücken. Aber früher oder später werden wir der Langeweile begegnen. Ich glaube, diese Begegnung mit der Langeweile ist sehr wichtig, denn in gewissem Sinne ist das Leben selbst ja langweilig. Aber die Langeweile verschwindet nach einer Zeit und macht einer inneren Ruhe und Gelassenheit Platz, und was vorher langweilig war, wird dann immer lebendiger und spannender.

Gautama Buddha lehrte uns, dass das Leben Handeln ist. Es ist vor allem nur handeln, handeln, handeln, eine Handlung nach der anderen. Die Handlungen bestehen darin, morgens aufzustehen, sich zu waschen und das Frühstück zu essen. Das Leben ist Essen, Schlafen und das Waschen unserer Kleidung. Solche Handlungen haben keinen Unterhaltungswert. Sie sind sehr einfach, wiederholen sich immer und erscheinen vielleicht monoton. Und es scheint ermüdend zu sein, immer dieselben Dinge zu tun, Tag für Tag, Jahr für Jahr, aber, ob ermüdend oder nicht, solche Aktivitäten sind die Grundlage des Lebens. Das ist das buddhistische Verständnis, die buddhistische Sichtweise und Orientierung. Buddha-Dharma sagt, dass das Leben Essen, Schlafen und das Waschen der Kleidung ist. Essen, Schlafen und das Waschen der Kleidung sind die Essenz des Lebens in der wirklichen Welt.

Wenn wir daher die wirkliche Welt kennen lernen wollen, müssen wir sie so sehen, wie sie ist. Wir müssen lernen, die einfachen und scheinbar ermüdenden Handlungen zu schätzen, die die wirkliche Grundlage des Lebens, unserer Kultur und unserer Zivilisation sind. Eine solche Sichtweise ist das Gegenteil zu der üblichen Sichtweise der heutigen Zeit. Um diese Sichtweise zu erlangen, müssen wir eine radikale Änderung, um nicht zu sagen eine Revolution in unserem Körper und Geist vollziehen. Eine solche Revolution kann vor allem durch die Praxis des Zazen erreicht werden. Zazen kann uns den Wert der scheinbar langweiligen Aktivitäten lehren. Zazen kann uns lehren, die einfachen Handlungen, die die Grundlage des Lebens sind, zu schätzen und Freude daran zu haben.

Wenn wir Zazen praktizieren, können wir sowohl die Langeweile als auch die aufgeregte Spannung hinter uns lassen. Zunächst hängen wir vermutlich an unseren bisherigen Denkmustern. Wir suchen wahrscheinlich spannende Dinge, selbst beim einfachen Tun des Sitzens, aber nach einer gewissen Zeit werden wir diese sogenannten aufregenden Dinge und die Langeweile vergessen. Dann werden wir entdecken, dass Zazen überhaupt nicht langweilig ist, sondern das Leben selbst. Bei dieser einfachen Entdeckung können wir die wahre Bedeutung des Lebens finden. Wir können erkennen, was zu tun ist und was nicht zu tun ist, und zwar ganz klar. Wir können das tun, was getan werden muss, und das vermeiden, was nicht getan werden sollte. Wir können ein neues Leben beginnen, ein Leben des buddhistischen Handelns. Dann werden wir viel mehr Freude im Leben haben.

Wenn Sie daher Zazen langweilig finden, ist es möglich, dass Sie das Herz des Buddhismus selbst berühren und dies ist ein gutes Zeichen. Laufen Sie nicht davon weg. Begegnen Sie ihm direkt. Werden Sie ein Freund der Langeweile und haben Sie Freude an der Langeweile. Wenn Sie den Wert der Langeweile entdecken können, werden Sie den Wert des Zazen finden. Dann wird sich Ihr ganzes Leben ändern.

Wird die Revolution, von der Sie sprechen, uns notwendigerweise bewusst, wenn sie stattgefunden hat?

Wir müssen diese Revolution nicht unbedingt bewusst erkennen. Zazen zu praktizieren ist diese Revolution selbst. Zazen zu praktizieren bedeutet, auf Zazen zu vertrauen. Zazen zu praktizieren ist das sichtbare Zeichen, dass diese Revolution bereits stattgefunden hat. Aber es ist nicht der eine große Wurf. Wir müssen fortfahren, Zazen jeden Tag zu praktizieren. Indem wir dies jeden Tag tun, halten wir die Revolution und die gute Entwicklung in unserem Körper und Geist in Gang. Es ist dann klar, dass wir in einer neuen Welt leben, dies ist Welt des buddhistischen Handelns.

Sie sagten, dass Zazen zu praktizieren bedeutet, dass man auf Zazen vertraut. Ist es notwendig, an den Buddhismus zu glauben, um Zazen zu praktizieren? Können wir einfach Zazen praktizieren, ohne dass wir irgendetwas mit Glauben zu tun haben?

Wir denken normalerweise, dass der Glaube eine Sache des Geistes ist und eine Sache des Denkens. Aber ich meine, dass Glauben und Vertrauen mehr als eine Angelegenheit des Denkens ist. Es ist etwas, das wir tun. Es ist aufs engste mit unserem Handeln verbunden. Daher bedeutet das Praktizieren von Zazen bereits, dass wir auf Zazen vertrauen. Wenn Sie Zazen praktizieren wollen, sind Sie bereits Buddhist. Wenn Sie nicht Zazen praktizieren wollen, sind Sie noch kein Buddhist. Unser Handeln und unser Verhalten lehren uns, an was wir wirklich glauben.