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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Sonntag, 8. Juli 2012

Kurze Interpretation des Kapitels 2 vom MMK zum wirklichen Gehen (Yudo J. Seggelke)



Auf den ersten Blick ist es sicher eigenartig, dass Nagarjuna ein langes und detailliertes Kapitel zum Gehen und der Wirklichkeit des Gehens an den Anfang seines fulminanten Werkes MMK setzt. Warum verfährt er so? Warum sind das Gehen und der Mensch, der geht, so wichtig? Wie hängt das Gehen mit dem Geher zusammen?

Aus meiner Sicht beschreibt Nagarjuna mit dem Gehen gleichnishaft den buddhistischen Weg unserer eigenen Entwicklung und warnt vor diversen Fehlern:
Wir bilden uns z. B. ein, wunderbare Fortschritte auf dem Buddha-Weg gemacht zu haben und denken, wir stehen kurz vor der Erleuchtung. Aber das sind vielleicht nur unsere Einbildung und unser Stolz und damit überhöhen wir nur unser Ego. Das ist das Gegenteil vom Mittleren Weg.
Wir sind vielleicht ganz auf das Ziel unseres Weges fixiert, die Wegstrecke bis dahin wollen wie möglichst schnell durchlaufen. Dann sind wir an das großartige Ziel der eigenen Erleuchtung gefesselt und haben den Sinn für die Wirklichkeit von uns selbst und der Umwelt auf unserem Weg verloren. Wie können wir uns vor einer subjektiven Beschönigung schützen?

Wenn wir auf dem Buddha-Weg gehen, ist die übertriebene Vorstellung des ersehnten Ergebnisses schädlich, es kommt nur auf das Handeln im gegenwärtigen Augenblick an, z. B. Zazen, „nicht denken“, und Bodhidsattva-Handeln. Warum?
Gehen ist ein hoch komplexer biologisch-physikalischer Vorgang, den wir bekanntlich selbst als kleines Kind erlernen müssen. Aber Gehen ist ein total natürlicher Vorgang und dazu weitgehend unbewusst.
Gehen ist nur im Gleichgewicht möglich. Auch der mittlere Weg ist ein Weg des Gleichgewichtes: Wenn wir kein Gleichgewicht haben oder es wieder verlieren, können wir überhaupt nicht gehen und niemals das Ziel erreichen. Ohne Gleichgewicht, z. B. in der Zazen-Praxis, gibt es keine Chance, den buddhistischen Weg zu gehen.

Durch theoretische Kenntnisse oder Spekulationen des Gehens, können wir überhaupt nicht in der Praxis gehen und durch Denken, Ideen und die buddhistische Lehre allein, gibt es niemals Erwachen oder Erleuchtung!
Durch die intuitiv-klare Erfahrung der Einheit mit dem Universum, Dharma, gelingt die Überwindung des Dualismus. Das ist eigentlich so natürlich wie zu gehen. Gleichzeitig muss die Sorgfalt für das Einzelne, den Dharmas, also die Dinge und Phänomene, mit der großen Einheit verschmolzen werden. In schwierigem Gelände brauchen wir unsere ganze Sorgfalt und genaue Beobachtung des Weges, um nicht zu stolpern oder zu fallen. Das gilt auch und gerade für den Buddha-Weg. Dabei schadet Resignation und Trägheit genau so wie Überheblichkeit und Hektizismus. Wir müssen schlicht cool bleiben.

Auf dem Buddha-Weg gibt es keine Entfernungen in Maßeinheiten wie Meter oder Kilometer. Wichtig ist das wahre Gehen und nicht die Entfernung. Es ist nur möglich, das Ziel zu erreichen, wenn wir bei jedem Schritt im Gleichgewicht sind und wirklich gehen. Wenn wir dem Ziel eine zu hohe Bedeutung geben, verlieren wir die Sorgfalt des Augenblicks für das konkrete Gehen und erreichen niemals das zu stark ersehnte Ziel. Der gegenwärtige Schritt ist immer der wichtigste.
Alle Bewegungen der Arme, Hände und Beine müssen stimmen, wenn wir konkret handeln und etwas machen.

Die Wirklichkeit auf dem Buddha-Weg existiert im Augenblick und ist nicht die lineare gedachte Zeit, z. B. die Anzahl der Jahre seitdem wie Buddhisten sind.
Wenn ein Geher nicht mehr geht, ist er kein Geher mehr: Wenn wir nicht mehr mit Körper-und-Geist buddhistisch handeln, sind wir keine Buddhisten mehr! Dann ist das Wort nicht mehr mit der Wirklichkeit identisch und wir sind in der Sackgasse gefangen.