Vers 22
Wenn eine Handlung nicht
wirklich vollzogen wird, sondern nur
subjektiv in unserer Vorstellung da ist, scheint sie ewig zu sein; in anderen
Fällen scheint sie instabil zu sein.
Die Vorstellung der Ewigkeit
entsteht vor allem bei Menschen mit idealistischer
Lebensphilosophie, während Instabilität und Fragilität meist verbunden ist
mit einer materialistischen
Lebensphilosophie.
Nur wirkliches Handeln hat
Wirkungen, die sich in der Welt bis in die Ewigkeit fortsetzen.
Vers 23
In uns steigen immer wieder Ängste hoch, dass wir unsere Aufgaben
nicht verwirklichen können. Das ist besonders der Fall, bevor wir mit dem Handeln begonnen haben.
Wenn wir jedoch handeln,
gibt es eine solche Angst nicht, die subjektiv im Geist entsteht: der Augenblick gehört dem Tun und Handeln.
Bei Ängsten und Zweifeln
fürchten wir, dass unser Handeln unzureichend ist und in der Tat gibt es viel
Fehlerhaftes und auch Unmoralisches in der Welt.
Vers 24
Wenn die wahre Praxis verhindert und unterlassen
wird, ist es nicht möglich, dass alles entspannt und im Gleichgewicht ist.
Ohne Praxis (vor Allem die
Leerheits-Meditation Zazen) fehlt uns
die Klarheit zu unterscheiden, was wahres
Handeln und was falsches Handeln ist.
Ohne Gleichgewicht können
wir uns nicht wirklich entspannen und nicht wirklich Ruhe finden. Dann gibt es
nur eine scheinbare Entspannung, die
uns aber nicht wirklich neue Energie bringt, sondern eher umgekehrt, Energie
verbraucht.
Vers 25
Gereifte wirkliche
Handlungen setzen sich fort durch weitere
Handlungen, die immer besser werden.
Durch solches Handeln eröffnet
sich unsere wahre Natur: unsere wahren Eigenschaften manifestieren sich.
Vers 26
Wenn wir eine Situation als leidvoll und äußerst unerfreulich empfinden,
bedeutet dies in Wirklichkeit meist nur, dass wir sie unbedingt ändern wollen
und als Wirklichkeit nicht hinnehmen wollen.
Handeln ist die wahre Wirklichkeit dieser Welt. Leidvolle
Situationen empfinden wir allerdings auch als Wirklichkeit, obgleich sie im
Grunde nur durch die eigenen Emotionen erzeugt werden. Sie werden also der
ursprünglichen Welt hinzugesetzt.
Sehr viele Leiden haben
psychische Ursachen und sind im Gegensatz zu körperlichen Leiden ohne
materielle Grundlage.
Vers 27
Handeln und körperliche
Leiden sind mit dem Körper verbunden: sie sind wirklicher als Begriffe und Lehrinhalte.
Im Zustand des
Gleichgewichts bilden Körper und Geist eine Einheit.
Daher ist eine Abgrenzung des physischen Leiden nicht einfach und eigentlich
auch nicht sinnvoll.
Im Gleichgewicht gibt es
kaum noch psychische Leiden, während körperliches Leiden ertragen werden muss.
Aber der Begriff des Leidens verliert dann sehr an Bedeutung.
Vers 28
Wer seine Abhängigkeiten und Begierden nicht
überwindet, wird die buddhistische praktische Philosophie nicht verstehen und
kann auch nicht im Gleichgewicht leben. Das ist leider eine Tatsache in dieser
Welt.
Auch wer nur das schale Vergnügen
sucht und allen Schwierigkeiten aus dem Wege geht, wird den Buddha – Weg gerade nicht gehen können.
Damit kann er sein eigentliches Potential nicht entdecken und nicht zur Blüte
bringen.
Vers 29
Die Vierfache Wahrheit, die
im ersten Kapitel beschrieben wird, ist eine Lehre und besteht zunächst einmal nur
aus Worten, so wichtig sie sein mögen.
Grundlage der Wirklichkeit
ist allein das Handeln im gegenwärtigen Augenblick. Handlungen sind ursprünglicher als Person, die handelt, weil die
Person aus den Handlungen abgeleitet und abstrahiert ist. Die Menschen sind
also Manifestationen der Handlungen.
Vers 30
Ergebnisse sind Bewertungen
sind Ideen des menschlichen Gehirns:
sie sind nur indirekt mit Handlungen verbunden. Handlungen sind die
Basiseinheiten der Wirklichkeit, während der Mensch mit seinen Ideen davon abgeleitet
ist.
Oft streben Menschen
Vergnügen und vordergründige Freuden
als Ergebnisse ihres Handelns an. Aber solche Ergebnisse sind keine
Wirklichkeit, sondern entspringen dem Denken und subjektiver Gefühle. Wahres Handeln
ist etwas anderes
Vers 31
Die einfache Tatsache der
Vollendung ist etwas grundsätzlich anderes, als dessen Bewertung in Form eines angestrebten Ergebnisses. Die oft beklagte Differenz
zwischen der idealen Vorstellung des Ergebnisses und dem wirklichen Zustand genau
im Augenblick ist aber auch keine Wirklichkeit und hat meist keine Bedeutung.
Nagarjuna sagt hier, dass
wir uns nicht dadurch deprimieren lassen sollen, dass wir ein ideales gedachtes
Ergebnis mit dem wirklichen Zustand vergleichen. Wichtig ist, dass wir handeln
und praktizieren und nicht auf das
Ergebnis „schielen“.
Vers 32
Was durch Handeln erzeugt
wird, hat eine Wirklichkeit der Form und des Inhalts. Es ist direkt mit dem
Handeln verknüpft und nur indirekt mit dem Menschen, der handelt.
Handeln ist etwas fundamental anderes als Ideen in
unserem Geist. Es geht dabei um das Hier und Jetzt und auch nicht primär darum,
welche Dinge wir in der Vergangenheit erzeugt haben. Die Gegenwart ist
wirkliches Handeln und dies ist die Wirklichkeit des Universums.
Vers 33
Das Leiden, die Ideen über
Handeln, materielle Formen und auch die Ideen über handelnde Menschen sind
genauso unwirklich wie gedachte
Ergebnisse, denn Ideen und Vorstellungen werden in unserem Gehirn erzeugt und das ist nicht die Wirklichkeit.
Man kann sie mit der
imaginären, nicht wirklichen Stadt Gandharva gleichsetzen, die es nur in der
Vorstellung gibt und in der es nach der Legende keine Verbrechen gibt, sodass
es dort auch keine Gefängnisse gibt.
Aber dies alles sind nur illusionäre Vorstellungen. Man kann sie mit Träumen
und Bildern vergleichen, die wir im Schlaf sehen. Wer träumt nicht von einer
solchen idealen Stadt? Aber die gibt es nicht!
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