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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Donnerstag, 29. Dezember 2011

MMK, Kapitel 1 – Untersuchung der großen Wahrheit, Teil 2

Vers 6.
Die reale Wahrheit kann abstrakt oder konkret sein. Sie ist aber niemals mit Zielen zum eigenen Vorteil verbunden.
Angestrebte Ergebnisse zum eigenen Vorteil sind daher niemals die reale Wirklichkeit so wie sie ist.
Die abstrakten oder konkreten realen Wahrheiten sind daher nicht abhängig von Wünschen und Zielen, sondern sind die eigenständige unabhängige reale Wahrheit. Diese Welt ist genau so wie sie ist, und es gibt nichts anderes, als diese Welt.

Vers 7.
Wir müssen uns unbedingt Klarheit darüber verschaffen, was in dieser Welt wirklich und was unwirklich ist. Denn die Welt besteht immer aus beidem.
Wenn wir die Verbindung von Stabilem und Nicht-Stabilem in der Welt nicht geklärt haben, ist die Vernunft blockiert, aber sie sollte zur Bewältigung des Lebens flexibel und frei sein. Die große Klarheit haben wir im Zustand des Gleichgewichts also in der Praxis des Zazen.

Vers 8.
Das wahre Gesetz des Universums und unseres eigenen Lebens kann sich manifestieren, wenn die wahre Welt nicht mit der materialistischen Wahrnehmung der externen Welt identisch ist.
Wenn sich die wirkliche Welt klar und umfassend manifestiert, verschwindet die vorherige materielle Sichtweise von selbst.
Es ist dann sinnlos, die vorherige materielle Scheinwelt wieder zu suchen.

Vers 9.
Die Selbststeuerung erscheint niemals im Universum, das noch nicht verwirklicht ist.
Die pausenlosen mentalen Funktionen können niemals irgendein festes Fundament des Lebens sein. Dann ist die reale Wahrheit scheinbar vage, wechselhaft und unbestimmt. Es gibt dann auch keinen festen Halt in dieser Welt, der uns Zuversicht gibt.

Vers 10.
Im Abstrakten gibt es keine konkreten Merkmale der Wirklichkeit. Diese konkreten Merkmale sind gewissermaßen entfernt. Dann kann die Wirklichkeit nicht erfasst werden.
Außerdem kann die einfache Tatsache, dass diese reale Welt existiert sich nicht manifestieren.
Die abstrakten Vorstellungen und das abstrakte Denken können die Wirklichkeit nicht erzeugen und ihr auch niemals gleichkommen.
Wenn wir die konkreten Merkmale dieser Welt durch allgemeine Abstraktionen verschwinden lassen, können wir die Umwelt, die anderen Menschen und uns selbst nicht erkennen, denn wir leben in einer Scheinwelt.
Dann kann es sogar passieren, dass die Vorstellung der realen Welt ganz verschwindet und die Menschen im Nihilismus versinken.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Meister Nagarjuna: Verse des tiefgründigen Mittleren Weges (MMK)

Kapitel 1, Untersuchung der großen Wahrheit, Teil 1
Vers 1.
Die große Wahrheit ist etwas anderes als subjektive Ideen, die in unserem menschlichen Gehirn erzeugt wurden (Idealismus). Die wirkliche Wahrheit ist auch niemals dasselbe wie die Sinnesreizungen, die wir aus der externen Welt empfangen haben (Materialismus).
Die wirkliche Wahrheit ist keine Mischung aus subjektiven Ideen oder den (scheinbar) objektiven Sinnesreizungen, aber die große Wahrheit ist niemals unlogisch und niemals gegen die Vernunft.
Die verschiedenartigen Dinge und Phänomene des Universums manifestieren sich immer genau so wie sie sind.
Und was „Existenz“ genannt wird, also nur das Wort, gibt es niemals wirklich irgendwo oder nicht in irgendetwas.

Vers 2.
Die reale Wahrheit ist vierfach:
1. Die Vernunft, die das ganze Universum (und unser Leben) durchdringt.
2. Die externe Welt, die direkt vor uns da ist.
3. Der gegenwärtige Augenblick, in dem unser Handeln sich immer vollzieht.
4. Die Wirklichkeit (selbst), die (das Höchste ist und) alle Dinge und Phänomene zu regieren scheint.
Etwas Fünftes der realen Wirklichkeit existiert überhaupt niemals irgendwo.

Vers 3.
Eine subjektive Existenz kann niemals in der realen Wahrheit erkannt werden (dualistische Trennung von Subjekt und Objekt).
Wenn die subjektive Existenz nicht erkannt werden kann, ist es auch vollständig unmöglich, die objektbezogene Existenz zu erkennen (ebenfalls Dualismus).

Vers 4.
Die reale Handlung im gegenwärtigen Augenblick ist niemals nur eine (ungenaue) Imitation der realen Wahrheit, sondern reales Handeln und reale Wahrheit sind unauflösbar verbunden.
Eine Imitation der realen Wahrheit, also nicht die reale Wahrheit selbst, kann niemals wahres Handeln sein.
Die reale Wahrheit ist vom wahren Handeln nicht unterschieden und es gibt etwas Wirkliches, das sehr ähnlich ist wie reales Handeln.
Was wirklich existiert ist daher das Handeln im gegenwärtigen Augenblick.
Nagarjuna ist also kein Nihilist, der die Wirklichkeit verleugnet, wie es häufig behauptet wurde. Ganz im Gegnteil!

Vers 5.
Die offensichtlichen Dinge und Phänomene manifestieren sich als solche in der Welt und sind genau die reale Wahrheit.
Was sich selbst verschieden zeigt von der realen Wahrheit, kann überhaupt niemals als Wirklichkeit existieren.
Die reale Wirklichkeit ist nicht etwas Mystisches oder Abstraktes sondern sehr konkret. Dem gegenüber gibt es nicht-reale Dinge, z.B. die Ideen über die Wirklichkeit, die wir in unseren denkenden Geist mit uns herumtragen.

Montag, 28. November 2011

Information zur deutschen Fassung des Blogs:

Als Übersetzer des Blogs von Nishijima Roshi möchte ich ankündigen, dass in der nächsten Zeit der Text des berühmten Werkes von Meister Nargarjuna in Deutsch veröffentlicht wird (abgekürzt, aus dem Sanskrit, MMK):



"Verse des tiefgründigen Mittleren Weges".



Nachdem das englische Buch zum MMK von Nishijima Roshi und Brad Warner veröffentlicht wurde, sind einige meiner eigenen früheren Verständnisprobleme lösbar geworden, sodass ich mich daran wage, die Übersetzung ins Deutsche anzugehen. Es ist in der Tat kein einfacher Text, aber Nishijima schätzt ihn außerordentlich: er sei auf dem selben ganz hohen buddhistischen Level wie das Shobogenzo von Meister Dogen. Dies sei der wahre und nicht verflachte oder dogmatisierte Buddhismus.


Es handelt sich nicht um eine ganz wörtliche Fassung, die noch schwerer zu verstehen wäre.


Zum Teil habe ich bei der Edition die Kommentare des neu erschienenen englischen Buches des MMK zu Hilfe genommen und verkürzt zugesetzt. Dadurch konnte das Verständnis im Sinne von Nishijima Roshi m. E . wesentlich verbessert werden; er hat mich dazu ausdrücklich ermutigt.



Mit herzlichen Grüßen


Yudo J. Seggelke