Vers 12
Wenn Lust, Großartigkeit und
auch Laster sich immer mehr vergrößern und mit fantastischen Illusionen
verbunden werden, kann man die Dinge und Phänomene der Wirklichkeit überhaupt
nicht mehr erkennen.
Die realen Dinge und
Phänomene haben dann das Aussehen fantastischer Fiktionen, sie sind gerade
nicht mehr die realen Dinge.
Vers 13
Nagarjuna möchte noch einmal
unterstreichen, dass fantastische Einbildungen und Fiktionen dazu neigen, sich
mit immer neuen Fiktionen und Illusionen zu verbinden, sich immer mehr zu
vervielfältigen.
Diese Tatsache in der Welt wird
von allen Buddhas Pratyeku-Buddhas und Shravakas gelehrt.
Pratyeku-Buddhas haben die
Erleuchtung aus sich selbst erlangt und Shravakas sind Hörer der Lehre, sie
sind zwar eher theoretisch orientiert, aber haben große Klarheit. Sie waren
meist Hörer von Gautama Buddhas.
Vers 14
Gleichnis des Fliegens: Beim
Fliegen gibt es fortlaufende Bewegungen der Flügel und dies ist genau die
Wirklichkeit des Handelns. Nur durch diese Bewegungen gibt es die Wirklichkeit
des Fliegens, statisches Fliegen gibt es nicht
Die vier physikalischen
Elemente (Erde, Wasser, Feuer und Luft) gehören zur Wirklichkeit und sie sind
Teil-Wirklichkeiten der Welt, die genauso sind wie sie sind.
Die Einteilung der
physikalischen Elemente im alten Indien basierte noch nicht auf der
naturwissenschaftlichen Forschung wie heute. Wir können sie aber einfach als
Einteilung der physikalischen Welt verstehen. Die ganze Wirklichkeit bildet
selbstverständlich eine Einheit, sodass die physikalischen Elemente nur deren
Dimensionen wiedergibt.
Vers 15
Es macht für uns meist einen
Unterschied, ob eine Arbeit vollständig beendet wird oder als Tun nur für eine
bestimmte Zeit anhält. Aber was heißt eigentlich vollständig. Es handelt sich nämlich dabei um Einschätzungen durch
unseren Geist.
Die Zeit schreitet ohne
Unterbrechung und Beendigung unaufhaltsam voran. Nach der Annahme der linearen
Zeit gibt es dadurch bestimmte Ergebnisse. Die Wirklichkeit der Zeit existiert aber immer nur im Augenblick. Gleichwohl mag die lineare
Zeit eine sinnvolle Annahme sein, die für viele Bereiche des Lebens nützlich
ist, z. B. in der Organisation.
Vers 16
In Bezug auf das Handeln als
wahres Tun ist es gleich, ob es sich um „vollständiges Beenden“ oder
vorübergehendes Arbeiten an einer Aufgabe handelt. Maßgeblich ist das wahre Handeln,
das tatsächlich durchgeführt wird.
Wenn wir den Sinn für die
Wirklichkeit verlieren, geht damit meist automatisch der Sinn für ethisches Handeln verloren. Böse
Ideologien und Fantasien beherrschen dann den Menschen. Die damit
zusammenhängende Zerstörung übersteigt dann jedes vernünftige Maß wie z. B. bei
ideologischen Glaubenskriegen.
Vers 17
Es gibt verschiedene Arten
von Streben, die sich unterscheiden und oft miteinander verbunden sind. Es gibt
aber immer einen direkten Bezug zum wirklichen Handeln und darauf kommt es an.
Handeln kann z.B. mit dem
Streben religiöser Ideale oder mit materiellen Zielen, wie Geld und Ruhm
verbunden sein. Es kommt dabei immer auf das wahre Handeln selbst an, also wie man handelt: ethisch gut oder
nicht.
Es gibt verschiedene
materielle Dimensionen, die sich auch ändern können. Nur die Wirklichkeit
selbst manifestiert sich als ein einheitlicher Bereich.
Vers 18
Die wirklichen Tatsachen
dieser Welt basieren immer auf Handeln.
Handlung ist also die fundamentale Wahrheit dieser Welt, während die Dinge und
sogar wir selbst als Personen daraus abgeleitet sind: Wir sind, was und wie wir handeln. Eine Person ist
also eine Abstraktion. Noch einmal: In Wirklichkeit geht es um das Handeln des
Menschen, das die eigentliche Realität ist.
Die Welt und das Universum
können wir also nicht vom Handeln trennen. Handeln und Universum sind in einem
guten gereiften Zustand genauso wie sie sind.
Vers 19
Was Resultat genannt wird, ist unveränderlich und unabhängig von der
Zeit, es hat keine Beziehung zum Entstehen und Vergehen der Dinge und
Phänomene. Meistens ist ein Ergebnis aber mit einem bestimmten starren Bild
verbunden und beinhaltet subjektive Bewertungen
wie günstig, ungünstig, leidvoll oder
Glück bringend.
Daraus wird deutlich, dass
das Resultat eine Vorstellung im Gehirn
ist und nicht die Wirklichkeit selbst, ob bewusst, aber viel häufiger unbewusst.
Vers 20
Der Gleichgewichtszustand
wird in Sanskrit Shunyata (oft als
Leere übersetzt) genannt und kennzeichnet einen Augenblick, sodass er nicht erscheint und nicht vergeht.
Wenn wir nicht im
Gleichgewicht sind und keine Selbststeuerung haben, machen wir viele Fehler im
Leben, z.B. wenn wir zu naiv und
leichtgläubig sind oder wenn wir dauernd
zweifeln und zögern und daher richtiges Handeln verpassen. Viele Menschen leiden daher, machen unnötige Fehler und
kämpfen sich mühsam durchs Leben. Dies liegt daran, dass sie ihre wahre Natur noch nicht erkannt haben.
Gautama Buddha lehrt jedoch,
dass dies nicht dauernd so sein muss, sondern beendet werden kann.
Handlungen sind etwas, das
immer weiter fortwirkt, sodass man
sagen kann, dass sie ewig sind.
Vers 21
Wenn es noch keine konkrete
Handlung gibt, spielt sich alles als Vorstellung
im Gehirn ab. Dann können sich die konkreten Dinge und Phänomene nicht zeigen
wie sie sind. Dies gilt auch für Vorstellungen
jetzt und auch in Zukunft.
Hypothetische Situationen
gibt es nur im Bereich der Vorstellung und des subjektiven Denkens.
Auch die Lehren Nagarjunas
müssen daher in der Praxis erprobt
werden, sonst bleiben sie reine Theorie und beinhalten nur Vorstellungen.
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