Über mich

Mein Bild
Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Dienstag, 17. September 2013

Untersuchung der subjektiven Existenz (Svabhava pariksha), Nagarjuna, MMK, Kapitel 15


Die subjektive Existenz des Menschen wird aus dem Sanskrit (Svabhava) häufig als mit Selbstnatur oder auch Selbstexistenz übersetzt. Ich verwende dafür den Begriff Idealismus, also das Weltbild und die Lebensphilosophie, die dahinter stehen: nämlich dass Denken, Ideen und Ideale als die wahre Wirklichkeit angenommen werden. Entsprechend wird das Materielle abgewertet oder sogar als unwirklich bezeichnet. Der Buddhismus geht darüber hinaus und nimmt die umfassende Wirklichkeit zur Lebensgrundlage. Das subjektive Denken in unserem Gehirn kann die Wirklichkeit meist nicht annähernd erfassen, sie ist nur ein Teil der Wirklichkeit.

Bei der Wahrnehmung der materiellen Welt mit unseren Sinnesorganen arbeitet unserer Gehirn durchaus ähnlich, denn  auch bei diese Abbildungen wird nur ein gewisser Teil der Wirklichkeit erkannt: Wir müssen uns davor hüten das, was wir sehen, hören usw. als die umfassende Realität zu verstehen. Aber gerade um diese große Realität geht es, wenn wir aus den Täuschungen des Lebens herauskommen wollen, um unsere Potentiale und Entwicklungsmöglichkeiten auszuschöpfen

Vers 1
Die totale Existenz ist die Wirklichkeit und gehört niemals zum Subjektiven. Sie wird von der Vierfachen Wahrheit gesteuert.

Die Vernunft und die Vierfache Wahrheit bilden immer eine Einheit. Dagegen kann die subjektive Existenz so verstanden werden, dass sie weitgehend künstlich durch die Menschen erzeugt wurde.

Damit greift Nagarjuna die Aussagen des ersten Kapitels des MMK auf und verweist auf die vier Grundwahrheiten: Vernunft, äußere Welt, gegenwärtiger Augenblick und Wirklichkeit.

Die Vernunft wird nicht allein durch das menschliche Gehirn erzeugt, das unsere Gedanken hervorbringt, sondern sie ist Teil der Realität der Welt und des Universums.

Vers 2
Die subjektive Existenz wird künstlich von den Menschen erzeugt und ist an unser Gehirn gebunden. Sie ist daher ein vorübergehendes Phänomen und kann nicht oder nur sehr begrenzt in die Zukunft fortwirken. Das ist beim Handeln in der Wirklichkeit anders.

Die Menschen interessieren sich allerdings für die angeblichen subjektiven Existenzen, weil diese auch von den Gehirnen andere Menschen erzeugt wurden. Sie gehören aber niemals wirklich zur realen Welt.

Vers 3
Die Sinnesreizungen werden ebenfalls im Gehirn subjektiv verarbeitet und gehören deshalb nicht zur realen Welt.

Die Sinnesreizungen sind Abbilder der materiellen Welt, der Formen, Farben, Gerüche usw. aber sie sind diese Wirklichkeit nicht selbst.

Die Informationen über die Objekte der materiellen Gegebenheiten der Welt werden im Gehirn verarbeitet und sind auch in bestimmtem Umfang mit Worten kommunizierbar. Wir können uns daher über Formen, Farben usw. unterhalten, aber diese kommunizierten Bilder sind nicht die Wirklichkeit selbst.

Vers 4
Die subjektive Existenz der Ideen und objektbezogene Existenz der Wahrnehmung müssen eine Einheit bilden, damit sie konkrete Wirklichkeit sind und nicht realitätsfremde Abstraktionen und Verzerrungen.

Das heißt die reale Welt verwirklicht sich, wenn die subjektive und objektbezogene, objektive Existenz eine Einheit bilden. Als objektive Existenz wird Wahrnehmung und Sinnesreizung bezeichnet.

Wenn die wirkliche Existenz realisiert ist, verschwinden realitätsfremde Abstraktionen und Täuschungen, denn es geht um konkrete Erfahrungen im Hier und Jetzt.

Wir können uns etwas einbilden und denken, dass etwas Unwirkliches vorhanden sei, denn denken können wir grundsätzlich alles, ob es stimmt oder nicht. Wir sollten uns aber darüber klar sein, dass Nicht-Existierendes niemals verwirklicht werden kann, auch wenn wir uns noch so anstrengen.

Das Gesetz von Ursache und Wirkung gilt ganz grundsätzlich für die Realitäten in dieser Welt, es kann nicht ausgehebelt werden. Wenn wir uns aber etwas Unwirkliches vorstellen, hat das keine Ursachen in der Wirklichkeit und ist daher ebenfalls keine Realität.

Vers 6
Nagarjuna erinnert an Gautama Buddha, der uns dringend aufgefordert hat, alles genau zu beobachten und nicht nach subjektivem Belieben oder Abneigung auszuwählen oder abzulehnen: bei Fragen der subjektiven und objektiven Existenz und auch generell bei der Frage der Existenz und der Nicht-Existenz.

Besonders eine subjektive Beliebigkeit, nämlich das anzunehmen und zu unterstützen, was uns gefällt, ist nicht die Lebensphilosophie des Mittleren Weges.

Vers 7
Katyayana war ein wichtiger Schüler Gautama Buddhas. Er hatte eine sehr kritische Einstellung zu langwierigen Diskussionen über Existenz oder Nicht-Existenz.

Derartige abstrakte Diskussionen waren für ihn überflüssig und führten vom Eigentlichen des Buddhismus weg. Sie seien weitgehend sinnlos und nicht von hohem Niveau.

Vers 8
In diesem Vers geht es um die Wirklichkeit, das Dasein, also die wirkliche Existenz in der Welt. Dabei ist es unmöglich, dass irgendeine Tatsache nicht wirklich ist.

Ideen, Gedanken und Bilder sind nicht die Wirklichkeit selbst, sondern nur Abbild und Ersatz für sie. Wir sollten sie auf keinen Fall mit der Wirklichkeit verwechseln.

Vers 9
Wenn alles in unserem Leben die authentische Wahrheit behält, benötigen wir keinen Ersatz für das Wahre, z. B. keine Ideologien und keine fadenscheinigen Heilslehren. Denn ein solcher Ersatz ist schlicht und einfach unwahr.

Umgekehrt kann etwas Wahres, auf keinen Fall ein Ersatz sein für etwas Unwahres sein. Dies kann man auch so verstehen, dass Erleuchtung und Wirklichkeit übereinstimmen und dass durch die Erleuchtung die Wirklichkeit nicht neu erzeugt wird: Erleuchtung und Wirklichkeit sind identisch. Durch die Erleuchtung ändert sich die ursprüngliche Wahrheit also nicht.

Vers 10
Wenn wir an einen unveränderlichen und festen, ewigen Kern der Wirklichkeit glauben, widerspricht das der Augenblicklichkeit und Veränderung der Realität. Eine Augenblicklichkeit kann es gar nicht geben, wenn etwas unveränderlich ist.


In der Wirklichkeit sind Konkretes und Abstraktes immer zu einer Einheit verschmolzen. Aber diese Wirklichkeit ist von großer Komplexität und daher nicht immer mit dem Verstand präzise erkennbar. Trotzdem ist die Wirklichkeit eine einfache Tatsache: wenn sie durch Emotionen, Erregungen und sonstige Ideen und Vorstellungen verzerrt ist, erscheint sie uns unscharf und verschwommen.

Keine Kommentare: