Nach buddhistischer Lehre,
der Nagarjuna hier folgt, kann man die Welt in fünf Bereiche einteilen, die auf
Sanskrit Skandhas heißen und hier Komponenten genannt werden. Es handelt
sich um Folgende: Materie/Körper, Sinneswahrnehmung, Denken, Handeln und
Bewusstsein. Dabei entspricht die materielle Seite der äußeren Welt. Die
Sinneswahrnehmungen bezeichnen die Fähigkeit, Informationen aus der Welt aufzunehmen.
Letztlich handelt es sich dabei um Reizimpulse, die von unseren Sinnesorganen
in Informationen über die Außenwelt umgewandelt werden und damit nicht zu letzt
unser Überleben mit der Welt sichern.
Durch Denken erschließen wir
vor allem den Inhalt und auch die Bedeutung dessen, was wir wahrnehmen. Dabei
sind logische Verknüpfungen und andere Prozesse des denkenden Gehirns
maßgeblich. Von zentraler Bedeutung ist das Handeln im Augenblick, denn es ist
die Grundlage unseres Lebens und Überlebens. Denken und Wahrnehmung können wir
daher eher als Hilfsfunktionen des Lebens bezeichnen. Das Bewusstsein ergibt
sich vor allem aus der Kombination von Denken und Wahrnehmung.
Die Lehre von den Skandhas
geht also über die materielle Sicht und das materielle Verstehen der Welt
hinaus. Die Skandhas schließen Denken, Handeln und Bewusstsein mit ein. Sie
verbinden Materie mit Bedeutung. Man darf die Skandhas allerdings nicht als
getrennte Bereiche verstehen, sondern sie bilden nach der buddhistischen Lehre
und Praxis wiederum eine umfassende Einheit. Auf der Ebene der buddhistischen
Wirklichkeit kann es daher keine Trennung zwischen Körper und Geist, Materie
und Geist usw. geben. Das ist genau die Lehre des Mittleren Weges.
Nagarjuna untersucht in
diesem Kapitel als nächstem Schritt seiner umfassenden Lehre des Mittleren
Weges die Materie oder Form, sie dient als Beispiel für die fünf Skandhas (Komponenten)
des Universums und des Menschen.
Vers 1
Wenn Form und Inhalt
getrennt sind, kann sich nicht einmal die wirkliche Form manifestieren.
Der Inhalt manifestiert sich
nicht wegen der Form, aber er ist nicht unabhängig von der Form, denn Form und
Inhalt bilden immer eine Einheit.
Im vorherigen Kapitel wurden
die Grenzen der materialistischen Dimension aufgezeigt, welche die Form vom
Inhalt trennt. Die Wirklichkeit besteht immer sowohl aus der Form als auch dem
Inhalt. Beide können nicht getrennt werden und bilden eine unauflösbare
Einheit.
Vers 2
Wenn Form und Inhalt
(fälschlich) getrennt sind, verengt sich die Sichtweise des Menschen auf die
Form. Dadurch entsteht das materialistische Weltbild, das immer nur ein Teil
der Wirklichkeit ist und meist zur Verödung des spirituellen Lebens führt.
In dieser Welt existiert
nichts ohne die Vernunft. Aber durch die Fixierung auf Ziele wird gegen die
Vernunft verstoßen, insbesondere wenn Ziele egoistisch und von der Gier
gesteuert sind. In unserem gewöhnlichen Leben unterscheiden wir allerdings
selten zwischen Tatsachen und angestrebten Zielen sowie erzielten Ergebnissen.
Dann steuern die Ziele unser Denken, das dann aber nicht mehr den Gesetzen der
Vernunft und Logik folgt.
Fehlerhafte Ideen führen zu
falschem und oft unmoralischem Handeln. Insofern haben derartige Ideen eine
sehr begrenzte Realität, die aber von der wahren Wirklichkeit stark abweicht.
Vers 3
Im Denken können wir Form
und Inhalt trennen. Obwohl wir sie als getrennt ansehen, sind sie in
Wirklichkeit eine unteilbare Einheit.
Etwas Unlogisches, das z.B.
gegen das Gesetz von Ursache und Wirkung verstößt, kann niemals in der Welt
existieren. Wenn wir an etwas Unlogisches glauben bedeutet dies nach Nagarjuna,
dass wir geistig unklar sind. Danach gibt es keine Inhalte, die unlogisch und
gegen die Vernunft sind; die Inhalte sind die mentale Seite der Wirklichkeit.
Vers 4
Es ist nicht sinnvoll zu
sagen, dass der Inhalt, also z.B. der Geist oder die Bedeutung in der Form
enthalten ist. Genausio unsinnig ist es zu sagen, dass der Inhalt nicht in der
Form enthalten ist. Beide Aussagen basieren auf dem Irrtum, dass Form und
Inhalt etwas Verschiedenes sind und dass es Fälle gibt, in denen der Inhalt in
der Form existiert oder nicht in der Form existiert.
In der Wirklichkeit sind
Form und Inhalt unauflösbar miteinander verbunden und bilden eine Einheit. Nur
auf der Ebene des Denkens und der Worte können wir also Inhalt und Form
unterscheiden: es handelt sich nur um zwei Sichtweisen der Einheit.
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