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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Freitag, 22. März 2013

Untersuchung der Augen und der anderen Sinnesorgane, Nagarjuna, MMK Kapitel 3 (1)


Vers 1
Es gibt die sinnliche Wahrnehmung des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens, Tastens und das Sinneszentrum im Gehirn.
Diese sechs Sinne sind uns vertraut und selbstverständlich. Wir sehen, hören usw. die Objekte der Sinnesfunktionen.
Die Objekte sind die einzelnen Dinge der materiellen Lebensdimension von unserer Umgebung und auch von uns selbst.

Vers 2
Die Funktion des Sehens erzeugt bei uns die Vorstellung eines Subjekts, das sieht. In der materiellen Dimension gibt es also den Dualismus eines Subjekts, das ein Objekt sieht. Dem Subjekt wird dabei ein individueller Geist zugeordnet.
Einen solchen Geist kann aber die reine Sinneswahrnehmung des Sehens nicht erkennen, denn die Augen sehen nur Objekte außerhalb ihrer selbst.

Da es kaum möglich ist, den eigenen Geist klar zu erkennen und vor Täuschungen sicher zu sein, wird im Buddhismus die Bedeutung eines erfahrenen Lehrers für notwendig angesehen. Er kann uns damit Fakten und Vermutungen über unseren Geist rückkoppeln. Ein wirklich guter Lehrer kann unseren Geist viel klarer erkennen, als wir selbst. Durch genaue Beobachtung mit unseren eigenen Augen können wir uns vor schwerwiegenden Täuschungen bewahren.

Nagarjuna betont, dass wir möglichst unverzerrt sehen sollen; nicht durch eigene Emotionen und Vorurteile verändert. Aber mit der äußeren Wahrnehmung der Dinge durch die Augen, können wir nicht die ganze Wirklichkeit der Dinge und Phänomene erkennen. Denn wir sehen nur die äußeren Formen und Farben.

Vers 3
Die Bilder, die wir durch die Augen wahrnehmen, sind nicht die vollständige Erfahrung der Wirklichkeit. Ein Beispiel dafür ist das Bild des Feuers, das wir sehen, das aber von der Wirklichkeit des Feuers total verschieden ist.
Eine zusätzliche Unsicherheit kommt hinzu, wenn wir dieses Bild beschreiben und subjektiv erklären.
Es handelt sich dabei um den fundamentalen Unterschied zwischen der Vorstellung und den Bildern einerseits und der Wirklichkeit andererseits, die am Beispiel des Gehens im vorigen Kapitel erläutert wurde.

Vers 4
Wir können über gesehene Bilder und die Fähigkeit zu sehen nur sprechen, weil wir auch die Fähigkeit zum Denken haben. Ohne die Verarbeitung der durch Sehen erzeugten Daten im Gehirn können wir uns also nicht in der Welt zurechtfinden und nicht mit anderen verständigen.

Die sensorischen Fähigkeiten der Sinne, die wir uns selbst zuschreiben, sind daher mit unserem Denken unauflösbar verbunden. Gleichzeitig entsteht die Vorstellung eines Ichs, das die Gegenstände der Umgebung sieht. Zudem gibt es Täuschungen, die wir für wahr halten, wie z.B. eine Fata Morgana in der Wüste.

Daraus ergibt sich, dass es erhebliche Unsicherheiten und Fehlerquellen bei der Funktion des Sehens gibt.

Andere Menschen können nicht direkt erkennen, was und wie wir selbst wahrnehmen. Wir machen häufig den Fehler, dass wir glauben, andere Menschen sehen und hören genau dasselbe wie wir. Wenn man z. B. zu einem anderen Menschen sagt: „Ich sehe, dass es dahinten in der Wüste Wasser gibt“, ist diese Aussage über die angebliche Wirklichkeit des Wassers falsch. Es ist eine Sinnestäuschung, oder genauer gesagt wir denken und hoffen, dass es sich um Wasser in der Wüste handelt. Ähnliche Fehler bei der Wahrnehmung gibt es immer wieder im Alltag ohne, dass wir die Fehler erkennen.

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