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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Samstag, 2. August 2008

Wie trifft man einen wahren Meister? (Teil 2)
Aus dem Buch: Begegnung mit dem wahren Drachen, erscheint demnächst


Fragen und Antworten

Wie können wir einen wahren Meister des Buddhismus finden?

Sie müssen ihn suchen und ihm zuhören.

Aber wenn wir einem buddhistischen Lehrer begegnen, wie können wir wissen, dass er ein wahrer Lehrer und ein wahrer Meister ist?

Buddhistische Meister sind sehr verschieden und haben ausgeprägte Persönlichkeiten. Sie mögen dick oder dünn, langweilig oder gut aussehend, jovial oder ernsthaft sein. Daher gibt es leider keine bestimmten äußeren Merkmale oder einfache Richtlinien, um einen wahren Meister von einem geschickten Schwindler zu unterscheiden. Wenn wir einem guten Lehrer begegnen, sollten wir bei ihm eine gewisse Ernsthaftigkeit erkennen können. Wir sollten ein intuitives Gefühl haben, dass seine Lehren wahr sind. Wenn wir jemanden gefunden haben, von dem wir fühlen, dass er ein wahrer Lehrer ist, besteht der nächste Schritt darin, uns selbst für diesen Lehrer wirklich zu öffnen und das, was er sagt, ganz aufzunehmen. Manche seiner Aussagen mögen ziemlich fremd oder gar ungeheuerlich klingen.

Der Meister könnte zum Beispiel sagen, dass Buddha das Unkraut im Garten oder ein vom Baum fallendes Blatt ist. Wir müssen dann bereit sein, diese Aussagen ernst zu nehmen und uns auf sie einzulassen: Ja, vielleicht ist Buddha das Unkraut oder ein fallendes Blatt. Wenn wir dann die Lehren des Meisters mit einem offenen Geist betrachten, müssen wir seine Lehren für unser eigenes Leben überprüfen. Dies ist eine wichtige Phase des buddhistischen Studiums. Am Anfang unseres buddhistischen Lebens unterliegen wir normalerweise einem Prozess von Versuch und Irrtum. Wir müssen dann durch unsere eigenen Anstrengungen herausfinden, was wahr ist und ob wir dem Lehrer vertrauen können.

Sensei, in Ihrem Vortrag haben Sie von Ihrer frühen Einführung in den Buddhismus gesprochen. Aber ich bin an Ihrem Leben als Ganzem interessiert. Ich habe einiges über Ihren Lebensweg auf der Rückseite Ihrer Bücher gelesen. Ich habe erfahren, dass Sie an der Universität von Tokyo studiert haben, dass Sie für die Regierung im Finanzministerium und später für eine Versicherungsfirma gearbeitet haben. Wir verbinden im Allgemeinen solche beruflichen Aktivitäten nicht mit dem Leben eines Mönches oder eines Priesters. Aber ich weiß, dass Sie später in Ihrem Leben in der Tat als Priester ordiniert wurden. Welche Unterschiede haben sich da in Ihrem Leben bemerkbar gemacht, nachdem Sie Priester geworden sind? Wie hat es Sie persönlich verändert und Ihr Verhalten gegenüber anderen Menschen beeinflusst?

Ganz grundsätzlich gab es da keine großen Unterschiede. Mein Leben war im Grunde dasselbe, bevor ich Priester wurde. Bevor ich Priester wurde, lebte ich mein Leben als Buddhist. Nachdem ich Priester geworden war, setzte sich dieses Leben als buddhistisches Leben fort. Ich lebte mein buddhistisches Leben von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick – manchmal in meinem Büro, manchmal zu Hause und manchmal im Tempel. In jeder Situation gab es nur mein buddhistisches Leben. Durch eine bestimmte Zeremonie wird man Priester. Aber dies ändert nicht die grundsätzliche Lebensweise und diese ist das buddhistische Leben hier und jetzt. Das ändert sich nicht.

Hatten Sie in Ihrer Jugend das Gefühl, ein Mönch zu sein?

Was meinen Sie mit „das Gefühl, ein Mönch zu sein“?

Nun ja, manche Menschen scheinen besondere Fähigkeiten und ein besonderes Verhältnis zum Leben zu haben.

Ja, ich glaube, ich hatte das Gefühl eines Mönches. Aber daneben hatte ich auch das Gefühl eines Laien. Ich hatte das Gefühl eines Menschen im Beruf, eines Vaters usw. Alles zur selben Zeit. Ich hatte das Gefühl, ein Mensch zu sein.

Wie kam es, dass Meister Kodo Sawaki einen so großen Eindruck auf Sie gemacht hat? Warum war er ein so guter Lehrer?

Ich glaube, es lag daran, dass seine Lehre so rein war. Wenn ein Mensch normalerweise irgendetwas Bestimmtes tut, hat er dabei meist eine besondere Motivation oder ein bestimmtes Interesse. Oft steht ein teils bewusstes und teils unbewusstes Verlangen dahinter, etwas im Gegenzug für den eigenen Aufwand zu bekommen. Aber bei Meister Kodo Sawaki konnte ich solche Motive nicht erkennen. Er lehrte einfach, weil es für ihn natürlich war, dies zu tun. Seine Lehre war rein und seine Theorie einfach und klar. Er lehrte, dass Zazen der Kern des Buddhismus ist – ja, dass Zazen identisch mit dem Buddhismus selbst ist.

Als ich die Worte von Meister Sawaki hörte, hatte ich zwar noch die Neigung, daran zu zweifeln und kritisch zu sein, aber ich konnte seine Worte nicht wirklich in Frage stellen. Als ich ihm begegnete, berührte mich tief etwas in seinem Verhalten und seinen Worten. Es war eine Art von intuitivem Gefühl. Ich fühlte, dass die Lehren von Meister Kodo Sawaki wahr waren – dass er eine Verkörperung der Wahrheit selbst war.

Hatten Sie nicht das Gefühl, dass Sie durch eine besondere Veranlagung so aufnahmebereit für Meister Sawaki waren? Sie müssen ein besonderer Schüler gewesen sein.

Ja, ich nehme an, dass ich besonders unbedarft war. Wollten Sie das sagen?

Unbedarft?

Ja, unbedarft im wörtlichen Sinne. Menschen haben im Allgemeinen wenig Zeit für philosophische Fragen wie zum Beispiel über das Verhältnis von Körper und Geist oder die grundsätzlichen Wesensmerkmale der Religion usw. Aber derartige Fragen waren für mich von ganz großer Bedeutung. In gewissem Sinne war ich zu ernsthaft, zu gradlinig und mein Geist zu einfach. Aber ich denke, es waren gerade diese Eigenschaften, die mich für die Wahrheit empfänglich machten, als ich sie hörte. Ich glaube daher, dass es nicht wichtig ist, wie intelligent wir sind, sondern dass wir an die Existenz der Wahrheit glauben und sie ernsthaft suchen.

Warum betonte Meister Kodo Sawaki die Bedeutung von Zazen so stark?

Meister Kodo Sawaki schätzte die Praxis des Zazen außerordentlich und erzählte uns häufig, wie es dazu gekommen war, dass er diese Bedeutung des Zazen erkannte. Er war noch ein Teenager, als er sich entschied Mönch zu werden. Er wollte in das große Kloster Eihei-ji eintreten, das von Meister Dogen gegründet worden war. Aber zu jener Zeit war es nur jungen Männern aus wohlhabenden Familien möglich, in dem Tempel als Novize aufgenommen zu werden. Leider hatte der junge Kodo seine Eltern früh verloren und war sehr arm.

Um überhaupt in den Tempel eintreten zu können, war er gezwungen, als Diener für die älteren Mönche zu arbeiten. So war sein Leben im Tempel sehr hart und wenig inspirierend. Seine Vorgesetzte war eine alte, strenge Frau, die ihre Untergebenen vom Morgen bis in den späten Abend mit Saubermachen und untergeordneten Pflichten für die Mönche in Atem hielt. Ihr dauerndes Schelten und Schimpfen klang ihm den ganzen Tag in den Ohren und er musste feststellen, dass er keine Zeit hatte, Zazen zu praktizieren oder an den anderen religiösen Aktivitäten des Tempels teilzunehmen.Einmal war ein besonderer Feiertag, an dem alle Mönche den Tempel verließen, um ihre Familien zu besuchen oder die Zeit mit Freunden zu verbringen.

So fand sich der junge Diener Kodo allein im Tempel wieder und entschied, dass es für ihn eine gute Gelegenheit war, Zazen zu praktizieren. Er ging in die große Halle und setzte sich ruhig in eine Ecke auf ein Kissen. Es war dunkel und friedlich. Nach einer gewissen Zeit kam die alte Reinmachefrau, seine Chefin, in den Raum und sang leise vor sich hin. Zunächst hatte sie die Anwesenheit des jungen Sawaki gar nicht bemerkt. Aber als sich ihre Augen dann an die Dunkelheit des Raums gewöhnt hatten, sah sie ihn plötzlich in der Ecke sitzen.

Sie fiel vor Überraschung auf die Knie und verbeugte sich wieder und wieder vor ihm. Da erkannte Meister Sawaki, dass Zazen eine ganz besondere Kraft hat, eine wirklich mystische Qualität, die sogar einem armen jungen Diener Achtung und Würde verleiht. Diese Erfahrung hatte eine zentrale Bedeutung für das Leben von Meister Sawaki. Zu jeder Gelegenheit praktizierte er nun Zazen. Je mehr er praktizierte, desto tiefer wurde sein Vertrauen in die Kraft des Zazen.

Seine tägliche Praxis ermöglichte es ihm, sich eine fundierte Basis der buddhistischen Lehre zu erarbeiten und er wurde ein außerordentlich guter Meister. Als er zu lehren begann, war das wahre Verständnis des Buddhismus und des Zazen in Japan bereits im Niedergang begriffen. Viele Priester praktizierten Zazen, wenn überhaupt, nur als formale Pflicht, aber Meister Kodo Sawaki erkannte die natürliche, wesentliche Bedeutung der Zazen-Praxis. Er lehrte uns die Freude an der Praxis. Er führte das Zazen in Japan wieder ein.

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