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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Samstag, 28. Juni 2008

Begegnung mit dem wahren Drachen (Teil 2)
Aus dem gleichnamigen Buch, erscheint demnächst


Ich möchte Ihnen noch eine Geschichte erzählen. Man muss bei dieser Geschichte wissen, dass Drachen in Ostasien anders als im Westen sehr als sehr positive und großartige Fabeltiere gelten, die den Menschen viel Gutes tun und viel Kraft haben:

Es gab einmal einen Mann, der war von Drachen begeistert. An den Wänden seines Hauses hatte er viele Bilder von Drachen und alle seine Borde und Regale standen voll mit Statuen und kleinen Figuren von Drachen. Sein ganzes Haus war in der Tat mit Bildern und Darstellungen von Drachen angefüllt. Eines Tages schaute ein wirklicher Drache in sein Fenster. Als er alle die Bilder der Drachen sah, erfüllte ihn das mit Freude, denn hier gab es ganz klar einen Mann, der Drachen liebte. Sicher würde er sich darüber freuen, wenn ihn ein wirklicher Drache in seinem Hause besuchte. Aber als der Mann aus dem Fenster schaute und den wirklichen Drachen sah, bekam er einen gewaltigen Schrecken und flüchtete Hals über Kopf.

Genau dies meint Meister Dogen: Wir sollten nicht den Abbildungen der Wahrheit nachrennen. Wir sollten uns nicht von Theorien und verstandesmäßigen Erklärungen gefangen nehmen lassen. Wir sollten stattdessen lieber der Wahrheit direkt begegnen. Zazen zu praktizieren bedeutet, der Wahrheit der Buddhas direkt zu begegnen, und bedeutet, den wirklichen Drachen von Angesicht zu Angesicht zu sehen und zu erleben.

Fragen und Antworten

Die Worte am Anfang des Fukan Zazengi scheinen mir sehr wichtig zu sein. Meister Dogen sagte, dass die Wahrheit überall vorhanden ist und dass die Mittel, sie zu erlangen, auch in jeder Situation da sind. Wie Sie erklärt haben, sprach er dann weiter über die Illusionen und dass unser dualistisches Denken dazu neigt, eine Trennung zwischen uns und der Welt zu erzeugen, und dass dies in der Folge zu Verwirrungen und Leiden führt. Dies mag richtig sein, aber es scheint mir, dass das zentrale Problem nicht die Verwirrung selbst ist, sondern die Folgen und Reaktionen darauf. Wenn die Wahrheit in jedem Augenblick existiert, muss sie auch in der Verwirrung enthalten sein.
Daher mag eine Situation, die als vollkommen verwirrend und nicht handhabbar erscheint, in Wirklichkeit im Gleichgewicht sein. Sie ist dann völlig in Ordnung so, wie sie ist. Es ist nämlich unsere dauernde Bemühung, Situationen zu verändern und zu manipulieren, die das Gleichgewicht tatsächlich stört. Daher ist es unsere Aufgabe, so wie ich die buddhistische Lehre verstehe, einfach die Dinge so zu lassen, wie sie sind. Wenn wir uns entspannen und zulassen, dass die Ereignisse ihren eigenen Lauf nehmen, würden sich viele Probleme von selbst erledigen. Nicht wahr? Es gibt wirklich keine Notwendigkeit, besondere Anstrengungen zu unternehmen, uns selbst zu verändern oder unsere Situationen zu steuern. Oder?

Ich fürchte, dass solches Denken genau die Art von verstandesmäßiger Rationalisierung ist, über die Meister Dogen spricht. Zu denken, dass alles in Ordnung ist, das es keine Notwendigkeit gibt, irgendetwas zu tun oder zu ändern, dass es keine Notwendigkeit für Anstrengungen gibt, um einen Zustand des Gleichgewichts zu erreichen, ist genau die Art des fehlgeleiteten Denkens, gegen das wir uns schützen müssen.
Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich das so direkt sage.

Die Welt verändert sich in jedem Augenblick, und wir sind Teil der sich wandelnden Welt. Wir können uns nicht in einem bequemen Sessel zurücklehnen und die aufrichtigen Anstrengungen der anderen Menschen beobachten, so als ob sie zu einem komischen Film oder einem Spiel gehörten. Wir müssen uns in die Bewegungen des Lebens hineinbegeben. Wir müssen dem sich ständig verändernden Universum folgen, von dem wir ein Teil sind. Indem wir ihm folgen, bewegen wir uns in jedem Augenblick mit dem Universum. Dies bedeutet, dass wir Schritt halten mit den dauernden Veränderungen und den Umständen unseres Lebens. Wenn wir Zazen praktizieren, tun wir genau das. Wir folgen dem Universum direkt hier und jetzt. Es ist unser bestmögliches Leben, wenn wir auf diese Weise ruhig und ehrlich von Augenblick zu Augenblick leben. Dies ist unser natürliches Leben. Es ist eine natürliche Anstrengung, ein solches Leben zu leben: Sie entsteht aus unserem natürlichen Zustand als Mensch.

Leider haben wir die Neigung, diesen natürlichen Zustand zu vergessen und zu verlieren. Wir haben die Angewohnheit, zu viel zu denken und zu viel zu wollen. Wir denken und denken und denken immer mehr - und das oft im Kreis. Denken wird unser ganzes Leben, und wir können nichts außerhalb des Bereichs des Denkens sehen. In einem solchen Leben voller Illusionen betreten wir dann vielleicht in unserer Vorstellung ein erträumtes paradiesisches Reich Gottes. Im vorgestellten Reich Gottes zu wandern ist aber nicht unser natürlicher Zustand.

Es ist nicht unser ursprünglicher Zustand als menschliche Lebewesen. Vielleicht folgen wir aber auch der umgekehrten Richtung und werden übermäßig abhängig von unserem Körper, unseren Gefühlen, von Sex oder Geld, Macht oder Ruhm. Wenn man fortwährend nur im Bereich der Sinne und des Materialismus lebt, ist dies ein Leben, wie es Tiere haben. Es ist auch nicht das wirkliche Gleichgewicht menschlicher Wesen.

Gautama Buddha lehrte uns, wirklich Mensch zu werden. Er riet uns eindringlich, zu unserem natürlichen Zustand, zu unserem ursprünglichen Zustand, zurückzukehren Wenn wir dies tun wollen, erfordert dies einige Anstrengungen. Wir müssen die Kette der Gedanken mit Sorgfalt durchtrennen. Wir müssen unsere Fixierungen auf den Geist oder auf den Körper durch aufrichtiges Handeln auflösen, hier und jetzt. Einige einfache und direkte Bemühungen sind also unbedingt notwendig, und wir sollten uns dieser Tatsache nicht verschließen. Wir sollten uns nicht durch Theorien verführen lassen, die uns Begründungen für Inaktivität und Trägheit liefern. Bemühung und Anstrengung ist sehr wichtig. Es ist das Leben selbst.

Vielleicht ist es nötig, einige Anstrengungen in unserem Leben zu unternehmen. Aber ich frage mich immer noch, in welche Richtung solche Anstrengungen gehen sollen. Zazen zu praktizieren ist eine sehr persönliche Anstrengung, die sich auf uns selbst bezieht. Was ist mit jenen Anstrengungen, die sich nach außen richten? Sollten wir nicht versuchen, die Welt zum Besseren zu verändern, oder sollten wir die Welt und unsere eigene Situation nur sich selbst überlassen und nicht auf eine positive Entwicklung einwirken?

Ich fürchte, es gibt keine festen Regeln, um jeder Lebenssituation gerecht zu werden. Manchmal ist es sinnvoll und richtig zu versuchen, die Welt zum Guten zu verändern, und manchmal ist das nicht möglich. Wir sind immer in einem gewissen Maß an die Bedingungen und Umstände der jeweiligen Situation gebunden. Wir sollten daher unsere Fähigkeit auch nicht überschätzen, unsere Situation vollständig verändern zu können. Es gibt immer Zeiten, wo wir es versuchen müssen. Dann kann die Entscheidung, etwas zu tun, jedoch nicht durch rein verstandesmäßige Überlegungen allein gefällt werden, denn nur durch unsere intuitiven, ganzheitlichen und klaren Entscheidungen ist es möglich, in unterschiedlichen Situationen sinnvoll und wirkungsvoll zu handeln. Ein solcher intuitiver Sinn wird richtig sein, wenn unser Körper und unser Geist richtig sind. Wenn wir im Zustand des natürlichen Gleichgewichts sind, möchten wir vielleicht manchmal versuchen, die Welt zu verändern, und manchmal sollten wir es, um mit Ihren Worten zu sprechen, sein lassen. Beide Situationen sind für uns natürlich. Wir sollten nicht versuchen, unsere Antworten auf die realen Lebenssituationen zu starr festzulegen.

Meister Dogen sagte, dass das Geheimnis des Zazen etwas anderes ist als Denken. Was bedeutet dies?

„Etwas anderes als Denken“ drückt das positive Handeln und Tun aus. Es bedeutet, etwas anderes zu tun, als nur zu denken. Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir damit, unseren Gedanken und Empfindungen nachzulaufen, ohne uns dessen bewusst zu sein. Wir haben kaum Zeit, uns dem eigentlichen Handeln zu widmen. Wenn wir Zazen praktizieren, müssen wir nicht denken und nicht fühlen. Wir handeln nur. Wir sitzen nur. „Nur sitzen“ ist etwas anderes als Denken. Das ist Zazen.

Zu sagen, dass wir nicht denken oder fühlen müssen, erscheint mir doch sehr seltsam. Wenn ich Zazen praktiziere, merke ich, dass meine Gedanken und Gefühle fast genauso weiterlaufen wie vorher.

Ja, das stimmt. Der Zustand in Zazen ist kein Zustand frei von allem Denken und allem Fühlen, sondern ein Zustand, in dem wir schrittweise aufhören, den Gedanken und Gefühlen aktiv oder willentlich nachzujagen. Wenn wir uns anfangs auf dem Kissen niedersetzen, laufen unsere üblichen Muster des Denkens und Fühlens eine Zeitlang weiter. Aber an einem bestimmten Punkt wird die Kette der Gedanken immer häufiger unterbrochen. Es entstehen Lücken beim Herumspringen der Gedanken und diese Lücken werden langsam größer und treten immer häufiger auf, bis wir schließlich einen Zustand der Ruhe, des Gleichgewichts und der Balance erreichen.

Selbst dann sind wir nicht ganz ohne Gedanken und Gefühle, aber die Bilder, die erscheinen, sind sehr einfach und konkret und stören uns nicht weiter. Wir sehen vielleicht einen Punkt auf der Wand oder eine Fliege, die auf dem Boden krabbelt. Wir hören vielleicht die Vögel singen oder fühlen einen deutlichen Schmerz in unseren Beinen. Solche Wahrnehmungen sind nicht mit Denken, Konzepten und Gefühlen überfrachtet. Sie sind sehr direkt und einfach. Sie erscheinen ganz natürlich und verschwinden auch wieder, ohne eine Spur zu hinterlassen.

Wenn wir diesen Zustand genießen, stören wir nicht den natürlichen Fluss der Bilder und Wahrnehmungen. Wir machen dann keine Anstrengungen, die Bilder, die erscheinen, festzuhalten, zu bekämpfen oder zu manipulieren. Wir vermindern und beenden das gewöhnliche Verhalten, dass wir unseren Gedanken und Empfindungen aktiv oder willentlich nachjagen, und widmen uns ganz dem einfachen Sitzen in Ruhe. Dies meine ich, wenn ich sage, dass wir im Zazen nicht zu denken oder zu fühlen brauchen.

Sollten wir uns also nicht durch unsere Gedanken stören und beunruhigen lassen?

Ja, das ist richtig.

Aber wenn wir uns unserer Gedanken bewusst werden, erscheinen sie sehr bedeutend und oft neurotisch. Wir haben den Eindruck, dass wir die Gedanken nicht steuern und kontrollieren können.

Es gibt keinen Grund, die Gedanken zu kontrollieren. Wenn wir unsere Gedanken kontrollieren wollen, ist dies auch wieder eine andere Art von Denken. Im Zazen sollten wir Denken und Nicht-Denken einfach hinter uns lassen. Wir sollten nur aufrichtig in unserem Sitzen sein. Das ist das Geheimnis des Zazen.

Aber wie können wir das tun?

Indem wir darauf achten, dass unser Rücken gerade und senkrecht aufgerichtet ist. Dies erscheint Ihnen vielleicht zu einfach, aber es ist der Kern unserer Bemühungen im Zazen. Wir benötigen keine ausgefeilten Methoden, um unseren Geist auf etwas zu konzentrieren oder den Körper im Gleichgewicht zu halten. Die richtige Haltung einzunehmen und ehrlich aufrecht zu sitzen bedeutet, direkt in den Zustand des Gleichgewichts zu gelangen. Wenn Sie also merken, dass Sie denken, sollten Sie sich an Ihre Sitzhaltung erinnern. Ist Ihr Rücken aufgerichtet? Sind Sie etwas zur rechten oder linken Seite geneigt? Aufrichtig zu sitzen ist nur eine Frage von wiederholten einfachen Anpassungen. Aufrichtig sitzen ist „nur sitzen“. Das ist alles. Es gibt keine sensationellen verborgenen oder mystischen Bedeutungen. Es ist genauso einfach, wie es sich anhört: „nur sitzen“. Und dies bedeutet einfach, mit dem ganzen Körper und Geist zu sitzen. Aber das hat eine große positive Wirkung auf unser Leben, ganz von allein.

Wie lange sollten wir Zazen praktizieren?

Ich empfehle normalerweise 45 Minuten am Morgen und wenn möglich, 30 oder 45 Minuten abends. Aber zuerst mag dies viel zu lang sein. Sitzen Sie daher so lange, wie Sie können. Vielleicht sind dies am Anfang nur fünf oder zehn Minuten. Aber wenn Sie jeden Tag praktizieren, werden die Sitzperioden von allein länger, auch weil Sie sich immer wohler dabei fühlen. So kann man zum Beispiel heute fünf Minuten und morgen zehn Minuten sitzen usw., wie es Ihnen möglich ist.

Was ist, wenn es während der fünf oder zehn Minuten nur Geschwätz und Durcheinander im Kopf gibt?

Wir müssen nicht zwischen Zazen unterscheiden, das voll von Geschwätz ist, und Zazen, das ruhig und gelassen ist. Die ersten fünf Minuten mit fortwährendem Geschwätz sind genauso wichtig wie die letzten Minuten der ruhigen Gelassenheit. Manchmal ist Zazen ruhig, manchmal ist Zazen unruhig. Beide Situationen sind grundsätzlich dasselbe. Wir brauchen daher keine Sorge zu haben, eine bestimmte Ebene oder einen bestimmten Zustand der Gelassenheit zu erreichen. Dies wird sich mit der Zeit ganz von selbst einstellen. Das Ziel der Praxis ist nur zu praktizieren. Es ist gut am Anfang und gut am Ende. Zazen ist Zazen.

Ich möchte gern jeden Tag Zazen sitzen, aber ich habe einen anstrengenden Beruf und eine Familie, so dass ich normalerweise von morgens bis in die Nacht hinein tätig bin. Es erscheint mir nicht möglich zu sein, regelmäßig zu praktizieren.

Zeit für die Praxis von Zazen zu finden ist meist eine Frage der Organisation und Veränderung der Prioritäten im Leben. Allerdings haben wir alle unsere speziellen Probleme und unsere besonderen Anforderungen. Wir müssen daher Lösungen finden, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Ich denke, dass wir normalerweise einen Weg finden können zu praktizieren, selbst wenn wir sehr beschäftigt sind, wenn wir nur den ehrlichen Wunsch haben, dies zu tun.

Wenn wir zu beschäftigt sind, jeden Tag zu praktizieren, gibt es vielleicht andere Übungen, die wir stattdessen im täglichen Leben tun können, die dieselbe Wirkung wie Zazen haben. Sollten wir zum Beispiel versuchen, mit geradem Rücken zu sitzen, wenn wir arbeiten?

Die richtige Haltung ist bei all unseren Aktivitäten sehr wichtig. Wenn Sie erschöpft sind und sich abgespannt fühlen, strecken Sie Ihren Rücken und richten Sie ihn gerade auf. Meist hat dies schon eine gute Wirkung auf Ihre geistige und körperliche Situation. Wir sollten jedoch nicht auf einer solchen Haltung beharren, wenn sie unsere Aktivitäten und unsere Arbeit stört oder unmöglich macht. Wenn Sie zum Beispiel zu sehr mit Ihrem Rücken beschäftigt sind, während Sie Gemüse für die Mahlzeit zubereiten, schneiden Sie sich vielleicht in den Finger, weil Sie nicht aufpassen. Alles, was Sie tun, tun Sie es mit ganzem Herzen. Dies ist eine gute Praxis, eine Art von Zazen. Aber dies zu lernen ist natürlich recht schwierig. Deswegen müssen wir Zazen praktizieren. Es gibt wirklich keinen Ersatz für Zazen.

Aber wenn es wirklich zu schwierig ist .. .

Die Situation ist sehr einfach, wirklich. Wenn sie schwierig ist, solltest du praktizieren. Wenn das unmöglich ist, geht es halt nicht.

Ich finde es schwierig, die Beziehung zwischen Zazen und dem täglichen Leben zu verstehen. Wenn wir praktizieren müssen, um in ein natürliches Gleichgewicht zu gelangen, scheint es mir, als ob wir ununterbrochen praktizieren müssten, um dies aufrecht zu erhalten. Verschwindet der Zustand des Zazen nicht sofort, wenn wir die Praxis beenden?

Nein, es setzt sich eine Zeit lang fort und verändert unser alltägliches Leben.

Warum?

Weil der Zustand in Zazen keine künstlicher ist, den wir auf dem Kissen erst herstellen müssten. Es ist, wie ich schon häufiger sagte, unser natürlicher Zustand, unser ursprünglicher Zustand. Wenn wir daher in Zazen in unser ursprüngliches Gleichgewicht zurückkehren, wird dies danach eine Zeit lang weiter anhalten, auch wenn die Praxis selbst schon vorbei ist. Dieses Gleichgewicht bleibt mit uns verbunden und folgt uns auf natürliche Weise. Meister Dogen verglich dies mit dem Läuten einer Glocke: Wenn wir die Glocke läuten, setzt sich der Klang noch eine ganze Weile fort. Die Schwingungen der Übungspraxis tragen uns durch die danach folgende Zeit, und wir können daher fortlaufend im natürlichen Gleichgewicht leben.

Mein Problem ist, dass ich manchmal sehr schläfrig werde, während ich Zazen praktiziere. Was soll ich tun?

Du solltest aufwachen.

Vielleicht ist mein Problem ähnlich, aber ich fühle mich nicht schläfrig in Zazen, sondern ich fühle mich nur unwohl. Ich finde es wirklich sehr langweilig, 45 Minuten still zu sitzen und auf die Wand zu starren. Es ist sehr schwer für mich, mit dieser Langeweile fertig zu werden.

Das Problem der Langeweile ist sehr interessant. Diese moderne Welt, in der wir leben, schätzt Abwechslung außerordentlich hoch. Die Menschen suchen immer nach Intensität, Dramen, Interessantem und Neuem. Wir suchen nach Abwechslung und Spannung im Bereich des Denkens und der körperlichen Freuden und wir werden unruhig in Situationen, die keine speziellen Anreize bieten, es fehlt dann der gedankliche oder sinnliche Kick. Dies ist unsere moderne Orientierung, unser Verhalten oder unsere Sichtweise. Wenn wir daher unsere ersten Erfahrungen im Zazen machen, ist es natürlich, dass wir das vielleicht langweilig finden.

Vielleicht können wir uns eine Zeit lang selbst unterhalten mit unseren Gedanken, Bildern oder mentalen Fantasien, danach beschäftigt uns wahrscheinlich das Problem unserer Schmerzen in den Beinen und in unserem Rücken. Aber früher oder später werden wir der Langeweile begegnen. Ich glaube, diese Begegnung mit der Langeweile ist sehr wichtig, denn in gewissem Sinne ist das Leben selbst ja langweilig. Aber die Langeweile verschwindet nach einer Zeit und macht einer inneren Ruhe und Gelassenheit Platz, und was vorher langweilig war, wird dann immer lebendiger und spannender.

Gautama Buddha lehrte uns, dass das Leben Handeln ist. Es ist vor allem nur handeln, handeln, handeln, eine Handlung nach der anderen. Die Handlungen bestehen darin, morgens aufzustehen, sich zu waschen und das Frühstück zu essen. Das Leben ist Essen, Schlafen und das Waschen unserer Kleidung. Solche Handlungen haben keinen Unterhaltungswert. Sie sind sehr einfach, wiederholen sich immer und erscheinen vielleicht monoton. Und es scheint ermüdend zu sein, immer dieselben Dinge zu tun, Tag für Tag, Jahr für Jahr, aber, ob ermüdend oder nicht, solche Aktivitäten sind die Grundlage des Lebens. Das ist das buddhistische Verständnis, die buddhistische Sichtweise und Orientierung. Buddha-Dharma sagt, dass das Leben Essen, Schlafen und das Waschen der Kleidung ist. Essen, Schlafen und das Waschen der Kleidung sind die Essenz des Lebens in der wirklichen Welt.

Wenn wir daher die wirkliche Welt kennen lernen wollen, müssen wir sie so sehen, wie sie ist. Wir müssen lernen, die einfachen und scheinbar ermüdenden Handlungen zu schätzen, die die wirkliche Grundlage des Lebens, unserer Kultur und unserer Zivilisation sind. Eine solche Sichtweise ist das Gegenteil zu der üblichen Sichtweise der heutigen Zeit. Um diese Sichtweise zu erlangen, müssen wir eine radikale Änderung, um nicht zu sagen eine Revolution in unserem Körper und Geist vollziehen. Eine solche Revolution kann vor allem durch die Praxis des Zazen erreicht werden. Zazen kann uns den Wert der scheinbar langweiligen Aktivitäten lehren. Zazen kann uns lehren, die einfachen Handlungen, die die Grundlage des Lebens sind, zu schätzen und Freude daran zu haben.

Wenn wir Zazen praktizieren, können wir sowohl die Langeweile als auch die aufgeregte Spannung hinter uns lassen. Zunächst hängen wir vermutlich an unseren bisherigen Denkmustern. Wir suchen wahrscheinlich spannende Dinge, selbst beim einfachen Tun des Sitzens, aber nach einer gewissen Zeit werden wir diese sogenannten aufregenden Dinge und die Langeweile vergessen. Dann werden wir entdecken, dass Zazen überhaupt nicht langweilig ist, sondern das Leben selbst. Bei dieser einfachen Entdeckung können wir die wahre Bedeutung des Lebens finden. Wir können erkennen, was zu tun ist und was nicht zu tun ist, und zwar ganz klar. Wir können das tun, was getan werden muss, und das vermeiden, was nicht getan werden sollte. Wir können ein neues Leben beginnen, ein Leben des buddhistischen Handelns. Dann werden wir viel mehr Freude im Leben haben.

Wenn Sie daher Zazen langweilig finden, ist es möglich, dass Sie das Herz des Buddhismus selbst berühren und dies ist ein gutes Zeichen. Laufen Sie nicht davon weg. Begegnen Sie ihm direkt. Werden Sie ein Freund der Langeweile und haben Sie Freude an der Langeweile. Wenn Sie den Wert der Langeweile entdecken können, werden Sie den Wert des Zazen finden. Dann wird sich Ihr ganzes Leben ändern.

Wird die Revolution, von der Sie sprechen, uns notwendigerweise bewusst, wenn sie stattgefunden hat?

Wir müssen diese Revolution nicht unbedingt bewusst erkennen. Zazen zu praktizieren ist diese Revolution selbst. Zazen zu praktizieren bedeutet, auf Zazen zu vertrauen. Zazen zu praktizieren ist das sichtbare Zeichen, dass diese Revolution bereits stattgefunden hat. Aber es ist nicht der eine große Wurf. Wir müssen fortfahren, Zazen jeden Tag zu praktizieren. Indem wir dies jeden Tag tun, halten wir die Revolution und die gute Entwicklung in unserem Körper und Geist in Gang. Es ist dann klar, dass wir in einer neuen Welt leben, dies ist Welt des buddhistischen Handelns.

Sie sagten, dass Zazen zu praktizieren bedeutet, dass man auf Zazen vertraut. Ist es notwendig, an den Buddhismus zu glauben, um Zazen zu praktizieren? Können wir einfach Zazen praktizieren, ohne dass wir irgendetwas mit Glauben zu tun haben?

Wir denken normalerweise, dass der Glaube eine Sache des Geistes ist und eine Sache des Denkens. Aber ich meine, dass Glauben und Vertrauen mehr als eine Angelegenheit des Denkens ist. Es ist etwas, das wir tun. Es ist aufs engste mit unserem Handeln verbunden. Daher bedeutet das Praktizieren von Zazen bereits, dass wir auf Zazen vertrauen. Wenn Sie Zazen praktizieren wollen, sind Sie bereits Buddhist. Wenn Sie nicht Zazen praktizieren wollen, sind Sie noch kein Buddhist. Unser Handeln und unser Verhalten lehren uns, an was wir wirklich glauben.

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