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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Montag, 4. Juni 2012

Der mittlere Weg, MMK: Kap. 2: Wirklichkeit des Gehens, Fortsetzung


Vers 21

Die Welt in der wir leben, kann als konkrete umfassende Einheit erfasst und erlebt werden, sie ist zudem in viele individuelle Dinge und Phänomene unterteilt. Nagarjuna verwendet hierfür die vielleicht eigenartige Formulierung, dass die umfassende Einheit sich ausdehnt und dass dadurch die vielfältigen Dinge und Phänomene existieren.
Wer sich nur mit der Einheit der Welt beschäftigt, ist in Gefahr die Einzelheiten des konkreten Lebens zu übersehen und schwere Fehler zu machen. Wir müssen unbedingt beide Aspekte der Wirklichkeit verinnerlichen.

Vers 22

Bevor die konkrete Bewegung des Gehens Wirklichkeit ist, gibt es kein wirkliches Gehen, z.B. gibt es kein konkretes Gehen allein aus der Vorstellung oder Idee des Gehens. Die ´Ur-Idee´ des Gehens macht also keinen Sinn, sie ist nur Spekulation.
Es wäre daher unsinnig sich vorzustellen, dass eine derartige ´Ur-Idee´ des Gehens in einem großen ´Ur-Behälter der Welt´ vorhanden ist.

Vers 23

Ein Mensch, der geht, und die Tatsache des Gehens können nicht von einander getrennt werden. Beide können sich also nicht in dieser Welt getrennt manifestieren. Es gibt nur eine einzige Tatsache des Vorangehens.
Häufig sehen wir nicht den radikalen Unterschied zwischen der Idee des Gehens und dem wirklichen Gehen. Alle Dinge und Phänomene des Gehens sind direkt mit der konkreten Bewegung verbunden. Es gibt daneben keine dritte Einflussgröße, die beim wirkliche Gehen vorhanden ist. Alles basiert nach Nagarjuna daher auf dem Handeln im Augenblick, dass fundamentaler ist als der Mensch, den wir uns auch nicht als Gefäß für das Handeln vorstellen dürfen.

Vers 24

Nagarjuna betont in diesem Vers, dass wir uns davor hüten müssen, drei getrennte Bereiche anzunehmen: die wirkliche Welt, das Gehen als wirkliches Handeln und ein Mensch der geht. Ein solcher Irrtum kann z.B. dadurch entstehen, dass wir einen Menschen beobachten, dass wir sehen, wie er geht, und dass wir eine Idee von der Einheit der Welt haben. Das sind nur gedankliche Trennungen aber nicht die Wirklichkeit selbst. Denn auch die Idee einer realen Welt oder die Idee des realen Gehens ist noch lange nicht die Praxis des wirklichen Gehens im Augenblick. Und derartige Ideen und Vorstellungen können nicht in der Realität gehen.
Eine nicht reale Welt, die wir uns z.B. ausdenken oder die uns gelehrt wird, ist etwas fundamental Anderes als wirkliches Handeln.

Vers 25

Auch die nicht reale Welt gibt es in unserer Vorstellung und unserem Denken. Wie wir tagtäglich beobachten können, beeinflussen solche Fiktionen und Ideen unser Handeln erheblich. Insofern existieren derartige Ideen sozusagen als Scheinrealitäten in unserem Gehirn. Solche Ideen haben selbstverständlich auch eine Ursache und erscheinen nicht von allein aus dem Nichts.
Alles in dieser Welt entsteht und vergeht im Augenblick. Die Ideen über Bewegung, angebliche (aber gedachte) Tatsachen und die (wahrgenommene) wirkliche Welt sind immer auch Interpretationen und sehr häufig Bewertungen. Sie sind dann nicht mit den einfachen Tatsachen dieser Welt identisch, sondern durch Denken, Interpretationen usw. verändert und verzerrt.
Auch die Vorstellung, etwas erreicht zu haben, ist eine Interpretation des Menschen.
Um diese Zusammenhänge klar zu erkennen, bedarf es eines erweiterten und umfassenderen Bewusstseins. Isoliertes und vor allem bewertendes Erkennen des Intellekts reichen nicht aus.