Anmerkung: Die Beschreibung Gautama Buddhas als Mensch und seine Suche nach der Wahrheit habe ich im Wesentlichen auf der Grundlage "Gautama Buddha", Band 11 in: Die ausgewählten Werke des Hajime Nakamura von Shunjusha formuliert.
Die Lehre des Buddhismus wurde von Gautama Buddha im alten Indien zwischen dem 6. und 5. Jahrhundert vor Christus entwickelt. Er war der älteste Sohn von Suddhodana, der König eines kleinen Königreichs mit der Bezeichnung Kapilavastu war, und daher lag es nahe, dass er Nachfolger seines Vaters als König werden würde. Kurz nach der Geburt von Gautama Buddha zog sein Vater einen Weisen hinzu und zeigte ihm seinen Sohn. Der Weise sagte: "Wenn dein Sohn eine weltliche Aufgabe übernehmen wird, wird er ein großer König werden, der ganz Indien beherrschen wird. Wenn er aber ein Mönch wird, wird er ein großer Weiser und Denker, der alle Menschen der Welt retten wird". Der Vater von Gautama Buddha hatte den festen Willen, dass sein Sohn König von ganz Indien werden sollte und nicht ein Denker und Weiser, selbst wenn er alle Menschen in der Welt retten würde. Der König gab seinem Sohn drei Schlösser, die Gautama Buddha das Leben in den vier Jahreszeiten so angenehm wie möglich machen sollten. Er scheute keine Mühe, dass sein Sohn ein sorgloses weltliches Leben führen konnte, aber er sollte kein großer Weiser werden, der die Fähigkeit haben würde, alle Menschen der Welt vom Leid zu befreien. Gautama Buddha jedoch war ein außerordentlich kluger Junge, der schon in seiner Kindheit überaus feinfühlig und sensibel war. Eines Tages beobachtete er einen Bauern, der sein Feld pflügte und er sah, wie der Bauer einen Regenwurm auf dem Boden in zwei Teile zerschnitt. Genau in dem Augenblick flog ein Vogel von oben herab auf das Feld, packte die eine Hälfte des Regenwurms mit dem Schnabel und flog wieder fort. Gautama Buddha war von diesem Ereignis sehr erschüttert und erkannte, dass der Vogel und überhaupt die Lebewesen andere Lebewesen töten und fressen müssen, um ihr eigenes Leben zu erhalten. Ihm wurde klar, dass dies immer und ohne Ausnahme gilt.
Der König und Vater Gautama Buddhas war außerordentlich beunruhigt, dass sein Sohn sich für religiöse Fragen interessieren würde und vielleicht Mönch werden wollte und daher gab er ihm die schönen und bequemen Schlösser zum angenehmen Leben und sorgte dafür, dass schöne junge Frauen Gautama Buddha dienten. Gautama Buddha war ein gesunder kräftiger junger Mann, so dass wir sicher annehmen können, dass er sein schönes Leben in der wunderbaren und bequemen Umgebung nach Herzenslust genossen hat. Es wird berichtet, dass Gautama Buddha in verschiedenen Sportarten, nicht zuletzt in den Kriegskünsten, begabt und erfolgreich war und in diesen Sportdisziplinen viele Wettbewerbe gewann. Es wird berichtet, dass er die außergewöhnlich schöne junge Frau Yasodara als Frau gewinnen konnte, u.a., weil er großartige Wettbewerbe souverän gewann. Nachdem er geheiratet hatte, wurde ihm ein Sohn geboren und es erscheint völlig unmöglich, dass er in dieser Zeit nicht glücklich war. Aber allmählich nahmen Unglücksgefühle und Niedergeschlagenheit ständig zu, während man vermuten könnte, dass er in seinem Leben ausgesprochen glücklich sein würde. Dies lag darin, dass er einen starken Drang hatte, die Wahrheit über die Welt zu erlangen. Dieser Drang wurde dann immer stärker und stärker.
3. Der Wille zur Wahrheit
Durch die Fürsorge seines Vaters schien Gautama Buddha glücklich zu sein, aber in Wirklichkeit war er nicht im Gleichgewicht und litt unter schwankenden Gefühlen. Seit seiner Jugend wollte er mit großem Ernst wissen, ob die Wahrheit in der Welt existiert oder nicht und er dachte, dass er diese Wahrheit selbst in aller Klarheit erlangen wollte, wenn es sie wirklich in der Welt gab. Obgleich er verheiratet war und einen Sohn hatte, litt er an dem bohrenden Zweifel, ob es nicht besser wäre, ein Mönch zu werden. Gautama Buddha hatte in jener Zeit nicht die Freiheit einfach in die nahe gelegene Stadt zu gehen, weil dies gegen den Befehl seines Vaters verstieß, aber eines Tages versuchte er einfach das Schloss zu verlassen. Zunächst versuchte er durch das Osttor hinaus zu gelangen, aber schon bald traf er einen Menschen, der sehr alt und gebrechlich war. Dieser erschütterte ihn und er wandte sich um und wollte durch das Südtor hinausgehen, traf aber wieder einen Menschen, der von starker Krankheit gezeichnet war, so dass er wieder umkehrte und dann durch das Westtor hinausgehen wollte. Dort traf er eine Prozession, die zu einer Begräbniszeremonie gehörte und einen Toten bei sich führte. Deshalb kehrte er wieder um. Anschließend verließ er das Schloss durch das Nordtor und dort erblickte er einen Mönch, der heiter und mit großer innerer Ruhe voranschritt. Als Gautama Buddha diesen Mönch genauer ansah, war er tief beeindruckt und es verstärkte sich die große Anziehungskraft, die das Leben eines Mönches schon früher auf ihn ausgeübt hatte.
Nachdem Gautama Buddha lange Zeit hin und her überlegt hatte, entschied er sich endgültig, seine Familie zurückzulassen und ein religiöser Mönch zu werden. Haus und Familie zu verlassen bedeutet, dass ein Mann oder eine Frau Mönch oder Nonne wird, um der religiösen Wahrheit zu folgen. Ich nehme an, dass Gautama Buddha sich viele Gedanken und Sorgen darüber gemacht hatte, ob es moralisch zu vertreten sei, die Familie zu verlassen und nicht mehr für sie zu sorgen und sie zu unterstützen. Aber es erschien ihm unmöglich, dem Drang nach der Wahrheit nicht zu folgen, denn dies war sein Ziel seit langer Zeit: Er wollte den Menschen in der Welt helfen und sie retten, indem er die wirkliche Wahrheit der Welt finden und mit ihnen teilen wollte. Als er 29 Jahre alt war, sagte er seinem Diener mit dem Namen Channa, dass er sein weißes Pferd in den Garten des Schlosses bringen solle. Dann verließ Gautama Buddha das Schloss unbemerkt, er hatte seine Familie vorher nicht über seine Pläne eingeweiht. Der Diener Channa folgte Gautama Buddha zu einem Hain mit dem Namen Anupiya und dort gab Gautama Buddha Channa den Befehl, zu seinen Eltern und seiner Familie zurückzukehren. Er nahm die wertvollen Kleider Gautama Buddhas auf dessen Bitte mit sich, die dieser nicht mehr tragen wollte. So machte sich Gautama Buddha auf, nach der Wahrheit zu forschen.
5. Die beiden Denker als Lehrer von Gautama Buddha
Am Anfang seiner Suche nach der Wahrheit ging Gautama Buddha zu einem Denker mit Namen Alara Kalama, der nahe der Stadt Vaisali mit ca. 300 Schülern lebte. Er war vermutlich kein Brahmane, aber er war ein Denker mit einer neuen Lehre, der von sich behauptete, dass er "den Zustand nichts zu haben" erlangt hatte. Wir Menschen haben im allgemeinen immer Verlangen nach bestimmten Dingen, aber Alara Kalama vertrat mit Nachdruck den hohen moralischen Wert, nicht irgendeine Sache oder materielle Dinge haben zu wollen und nicht an ihnen zu hängen. Im Allgemeinen haben die Menschen starkes Begehren etwas zu besitzen und eine solche Schwäche ist manchmal sehr gefährlich und macht die Menschen blind. In diesem Sinne lehrte uns Alara Kalama, nicht gierig zu sein. Aber Gautama Buddha verstand schon bald, dass der Ansatz von Alara Kalama sehr intellektuell und nicht sehr praktisch war. Daher entschloss er sich, ihn zu verlassen und einen anderen Denker aufsuchen.
Dieser zweite Denker, den Buddha besuchte, war Udraka Ramaputra. Es wird berichtet, dass Udraka Ramaputra nicht weit entfernt von dem Ort des Alara Kalama lebte, aber die Überlieferung ist in diesem Fall nicht ganz sicher, weil auch andere Orte infrage kommen. Der Name Udraka Ramaputra bedeutet “das Kind von Rama“ und es wird berichtet, dass dort insgesamt ca. 700 Schüler zusammenlebten. Er war überzeugt von seiner Lehre, die wie folgt bezeichnet wird: "Der Zustand des Nichtdenkens/des nicht Nichtdenkens". Dies könnte Folgendes bedeuten: "Der Zustand, in dem man Denken und Sinneswahrnehmung überschreitet". Wir können annehmen, dass diese beiden ersten Lehrer und Denker im Bereich des abstrakten Denkens verharrten, obgleich sie teilweise durchaus realistische Philosophien vertraten. Gautama Buddha fand es jedoch schwierig, ihre philosophischen Standpunkte als eine Form des fundierten Realismus anzunehmen.
6. Gautama Buddhas Leben als Asket
Obgleich Gautama Buddha von Alara Kalama die Lehre "des Zustandes, nichts zu haben" erhalten hatte, die eine Gleichgültigkeit gegenüber jedem Eigentum beinhaltet und von Udraka Ramaputra die Lehre: "Den Zustand des Nichtdenkens/des nicht Nichtdenkens zu überschreiten", waren diese Philosophien dieser beiden Denker doch sehr intellektuell und nicht sehr praktisch. Weil Gautama Buddha jedoch sehr praktisch veranlagt war, konnte er durch die Lehren dieser beiden Weisen nicht befriedigt werden, da sie für die Lebenspraxis wenig geeignet waren. Daher änderte Gautama Buddha seine Richtung der Suche um einhundertachtzig Grad in das Gegenteil der Theorie. Er wollte jetzt ein asketisches Leben erproben, das im alten Indien durchaus populär war und wollte Asket werden. Gautama Buddha wollte die großen Fragen und Probleme des Lebens klären, indem er die physischen Bedingungen so schmerzhaft wie möglich gestalten wollte. Als Asket war daher seine Lebenseinstellung und Praxis überaus ernsthaft und extrem. Er reduzierte seine Nahrung und den Schlaf so weit, dass er manchmal sogar in Ohnmacht fiel. Das Gerücht "Gautama stirbt" lief dann auch mehrmals durch die Wälder der Asketen. Aber Gautama Buddha fand dabei nur die einfache Tatsache, dass sein Geist gleichzeitig mit dem Körper dahinschwand und verdorrte. Je mehr und je härter er seinen physischen Körper peinigte, desto labiler wurde sein Geist. Mit anderen Worten wurde sein Leben mit jedem Tag immer instabiler, je länger er sein asketisches Leben fortsetzte. Dies traf ihn unerwartet, aber es war eine außerordentlich wichtige Erfahrung. Weil er ein sehr praktischer Mensch war, wurde ihm immer klarer, dass ein asketisches Leben überhaupt nicht sinnvoll ist, um eine authentische Form und geistige Freiheit des Lebens zu erreichen. Wenn er diese wichtige Erfahrung nicht hätte machen können, ist es höchst unwahrscheinlich, dass der Buddhismus überhaupt erkannt hätte, dass ein asketisches Leben für die Suche nach der Wahrheit keinen Wert hat und daher das Asketentum auf dem Weg zur Wahrheit sogar schädlich ist.
7. Gautama Buddhas Erleuchtung
Gautama Buddha hatte am eigenen Leibe erfahren, dass ein asketisches Leben völlig sinnlos ist, um Erleuchtung zu erlangen, und darüber hinaus nur eine schwere körperliche und geistige Zerstörung anrichtet. Daher verließ er den Wald des asketischen Lebens in aller Entschiedenheit. Die dort übenden Asketen waren sicher, dass Gautama Buddha den Wald des asketischen Lebens verließ, weil es ihm an Ausdauer und Disziplin mangelte und daher lachten sie über ihn und überhäuften ihn mit Verachtung und Vorwürfen. Wir können jedoch davon ausgehen, dass Gautama Buddha die starke und reine Absicht im Sinn hatte, die Wahrheit zu suchen und es gab sicher bei ihm nur den Willen, diese Wahrheit zu erlangen. Daher hatte Gautama Buddha die Askese abgebrochen, ohne überhaupt weiter von der Kritik der Asketen Notiz zu nehmen. Als Gautama Buddha sich dann am Ufer des Flusses Nairanjana entlang schleppte, bemerkte ein kleines Mädchen mit Namen Sujata den siechen und bemitleidenswerten Zustand von Gautama Buddha und bot ihm Haferschleim an, den sie bei sich hatte.
Als Buddha den Haferschleim gegessen hatte, fühlte er sich etwas kräftiger und sein Körper und Geist erholten sich. Er begann nun auf einem anderen Weg nach der Wahrheit zu streben, indem er bei der Yogapraxis anknüpfte. Gautama Buddha benutzte dabei eine Yogahaltung, die als die beste und wirkungsvollste im Yoga angesehen wird. Diese Sitzpraxis ist dieselbe, die bis in die heutige Zeit beim Zazen verwendet wird. Nachdem er eine solche Praxis mehrere Jahre fortgesetzt hatte, saß er an einem Wintermorgen im Zazen und bemerkte mit einem Mal, dass er nicht mehr im Bereich der Gedanken und Wahrnehmung weilte, sondern dass er nur im Bereich der Wirklichkeit lebte. Diese Wirklichkeit war die Wahrheit, die er so lange gesucht hatte! In einem wichtigen Sutra heißt es, dass "Berge, Flüsse, Gras, Bäume vollkommen die Wahrheit geworden sind" und im Shobogenzo von Meister Dogen heißt es in derselben Weise: "Berge, Flüsse und die Erde sind zur Wahrheit geworden". Daher können wir verstehen, dass Gautama Buddha plötzlich die eindeutige Erfahrung machte, dass diese Welt genau die Wirklichkeit ist und dass diese Welt genau die Wahrheit selbst ist. Was wir in unserem Gehirn erzeugen, wird niemals die Wahrheit werden und was wir durch unsere Sinneswahrnehmungen aufnehmen, kann ebenfalls niemals die volle Wahrheit oder Wirklichkeit sein. Was wir genau im gegenwärtigen Augenblick tun, ist die Wahrheit und ist genau die Wirklichkeit. Daraus wird schlagartig klar, dass die beiden großartigen westlichen Philosophien des Idealismus und Materialismus niemals die volle Wahrheit sein können. Sie sind nur eine Art von Vorstellung oder Illusionen im Gegensatz zum Handeln im gegenwärtigen Augenblick, durch das wir direkt in die Wirklichkeit und die Wahrheit kommen. Außerdem ist das Handeln, das wir im gegenwärtigen Augenblick vollziehen, die wirkliche Existenz des Universums und daraus ergibt sich zwingend die Einheit des menschlichen Handelns mit dem realen Universum als je die Wirklichkeit selbst. Dies ist eine einfache Tatsache im gegenwärtigen Augenblick und dies ist genau die Erleuchtung.