Über mich

Mein Bild
Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Sonntag, 11. August 2013

Untersuchung des wirklichen Handelns (Samskara parikasha) Nagarjuna, MMK, Kapitel 13



Nach dem buddhistischen Weltbild gliedert sich das Universum und insbesondere der Mensch in fünf Komponenten die in Sanskrit Skanda heißen: 1. Materie, 2. Sinneswahrnehmung, 3. Denken, 4. Handeln und 5. Bewusstsein. Samskara oder das wirkliche Handeln im höchsten Zustand des Menschen ist also das vierte Skanda.

In Chinesisch und Japanisch wird Samskara durch ein Zeichen repräsentiert, das Handeln oder Tun bedeutet. Ähnliches ist in dem Wörterbuch Sanskrit – Englisch von Monier – Williams aufgeführt, nämlich zusammenfügen, gut formen, perfekt machen, vervollständigen, schmücken, reinigen, fertigmachen, vorbereiten, usw.

Damit wird deutlich, dass dieser Begriff ganz eng mit dem wirklichen Handeln zusammenhängt. Er unterscheidet sich damit von abstrakten Vorstellungen und Konzepten oder einem losgelösten Geist. In diesem Kapitel geht es um den Zusammenhang der subjektiven Existenz mit den vielfältigen Gegebenheiten der Dinge und Phänomene und mit dem augenblicklichen Handeln in der wirklichen Welt im gegenwärtigen Augenblick.

Das wirkliche Handeln kann man als Schnittstelle zwischen der subjektiven Existenz und der heterogenen Welt verstehen. Und das wirkliche Handeln in der Realität kann sich nur vollziehen, wenn wir im Gleichgewicht des Mittleren Weges sind.

Ich habe daher den Begriff „wirkliches Handeln“ als Übersetzung für das Wort Samskara gewählt. Für mich ist damit das wirkliche Handeln in der wirklichen Welt im gegenwärtigen Augenblick bezeichnet.

Vers 1
Wenn in einer Gesellschaft oder Gruppe Täuschungen und Betrug normal sind, ist die Wirklichkeit oder Wahrheit bedeutungslos geworden, und es gibt keinen Platz für Wahres, Heilige und Erleuchtete.

In einer solchen Welt ist es nicht bedeutungsvoll, das Leben auf der Wirklichkeit aufzubauen und nach der Wahrheit zu leben.

Vers 2
In einer Welt der Täuschung und des Betruges ist alles Wesentliche verschwunden. Im Gegensatz dazu hat Gautama Buddha ein Leben im ruhigen Gleichgewicht gelehrt. Er wird hier bei Nagarjuna als Heiliger bezeichnet.

Ich habe den Sanskrit - Begriff Shunyata als Gleichgewichtszustand übersetzt. Denn die üblichen Begriffe wie Leerheit oder Leere, die im Westen häufig benutzt werden, sind eher irreführend. Denn es geht nicht um das Nichts, sondern gerade um die Wirklichkeit der Welt und des Lebens. Shunyata bezieht sich also auf eine Welt, die nicht durch Ideologien oder sinnliche täuschende Wahrnehmungen sowie Emotionen verdeckt und verzerrt ist, sodass für mich der Begriff Zustand des Gleichgewichts besser geeignet erscheint.

Vers 3
Unsere subjektiven Gedanken sind weitgehend getrennt von der Realität und nicht an sie gebunden. Wenn uns das klar ist, können wir erkennen, dass die wirkliche Welt sich direkt vor uns manifestiert. Dadurch ist wahres Sehen erst möglich, das sich von der Subjektivität unterscheidet.

Ein solcher Zustand in der sich bewegenden Welt ist im Gleichgewicht und durch das Wort Shunyata gekennzeichnet.

Vers 4
Alle Abstraktionen vollziehen sich in unserem Gehirn und werden oft durch Begriffe gekennzeichnet, die ebenfalls abstrakte Inhalte haben. Beispiele sind: Gerechtigkeit, Frieden, Erleuchtung und auch Liebe, wir nehmen oft mehr oder minder bewusst an, dass sie unabhängig vom konkreten Handeln sind.

Aber solche Abstraktionen sind nicht die Wirklichkeit denn sie bestehen aus Gedanken, Ideen und Worten.

Wenn wir ganz von solchen mentalen Abstraktionen ausgefüllt sind, fragt es sich, wo die wirkliche Welt existiert.

Vers 5
Eine isolierte abstrakte Welt ist in der Wirklichkeit nicht vorhanden und die wirkliche Welt ist auch nicht an Abstraktionen gebunden.

Wenn sich also abstrakte Ideen und Ideologien selbständig machen und von der Wirklichkeit ablösen, so leben wir in einer Scheinwelt, die oft genug in Katastrophen führt, wie z.B. der faschistische Imperialismus.

Wenn wir den gegenwärtigen Augenblick als die einzige reale Zeit annehmen, gibt es kein Älterwerden und kein Siechtum zum Tode. In dem ganz kurzen Augenblick kann es auch keine Änderung und keinen Wandel geben, weil die Zeit zu kurz ist.

Vers 6
In diesem Kapitel geht es um die Wirklichkeit der Dinge und Phänomene im jeweiligen Augenblick, die für sich da sind. Nagarjuna wählt das Beispiel von Milch und Joghurt, der aus der Milch gewonnen wird. Milch und Joghurt sind jeweils eine eigene Wirklichkeit.

Da wir gedanklich den Prozess der Joghurt-Herstellung aus der Milch kennen, neigen wir dazu zu sagen, dass der Joghurt aus der Milch entstanden ist und dass er daher in der Milch vorher bereits vorhanden gewesen sein muss. Dies ist jedoch ein gedachter Zusammenhang im zeitlichen Ablauf.

In der Wirklichkeit des Augenblicks existiert beides jeweils für sich. Die Verbindung wird durch das Denken hergestellt und ist damit nicht mehr Wirklichkeit.

Der Zen – Meister Dôgen verwendet in dem Kapitel der Sein – Zeit das alte indische Beispiel von Feuerholz und Asche und interpretiert es neu: Wenn das Feuerholz vollständig verbrannt ist, wird es aus unserer Erfahrung zu Asche, aber dieser Zusammenhang wird durch das Denken hergestellt. Dôgen sagt, dass das Feuerholz eine eigene Wirklichkeit im Augenblick hat und dass die Asche etwas anderes in einem anderen Augenblick ist.

Vers 7
Wenn es nur ein kleines Ungleichgewicht gibt, kann das Gleichgewicht selbstverständlich niemals existieren. Wenn wir daher nicht im Gleichgewicht sind, können wir die großartige Erfahrung dieses Gleichgewichts von uns selbst und der Welt nicht erleben. Im unbalancierten Zustand können wir also niemals das Gleichgewicht verwirklichen und erfahren.
Das Gleichgewicht ist auch in Zukunft unmöglich.

Vers 8
Der Zustand im Gleichgewicht ist die Grundlage intuitiver Entscheidungen und klaren intuitiven Wissens. Dies wurde von den großen Meistern und Heiligen gelehrt.

Sie sagten, dass der Zustand im Gleichgewicht die ewige Wahrheit selbst ist, also die klare Sicht und das Verständnis dieser wirklichen Welt.


Keine Kommentare: