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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Freitag, 5. Januar 2007

Was ist Erleuchtung?


1. Die Erleuchtung im Licht der modernen Wissenschaft
Erleuchtung ist die reale Erfahrung, dass wir genau hier und jetzt in der wirklichen Welt leben, die sich grundsätzlich von unserem Denken und von der Sinneswahrnehmung unterscheidet und beides weit übersteigt. Es ist eigentlich eine einfache Tatsache, dass wir genau in dieser Wirklichkeit des gegenwärtigen Augenblicks leben. Vor etwa 2500 Jahren fand Gautama Buddha diese einfache Tatsache und er lehrte dies viele Menschen, die die Wahrheit ernsthaft studieren und erlangen wollten. Diese Menschen strengten sich dadurch an, die Wahrheit direkt zu erfahren. Eine solche menschliche Anstrengung wurde in den vielen Jahrhunderten seit jener Zeit unternommen, denn Zazen, die große Praxis des Buddhismus, hat eine enorme Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit, um die Menschen zur Wahrheit und zum Glück zu führen.
Durch die wissenschaftliche Forschung wurde glücklicherweise die Ursache erkannt, warum die Praxis des Zazen so wirkungsvoll ist. Damit wir glücklicher und gesünder werden, wurde dies wissenschaftlich herausgearbeitet und Klarheit geschaffen, warum die Praxis des Zazen uns so sehr hilft. Es ist wahrhaftig ein glücklicher Umstand, dass im 19., 20. und 21. Jahrhundert die moderne Psychologie und Physiologie sich so weit entwickelt hat und wir verstanden haben, dass in unserem Körper und Geist ein besonderes Nervensystem vorhanden ist, das vegetatives (oder auch autonomes) System genannt wird. Es ist in zwei zusammenwirkende Teilsysteme gegliedert, nämlich das sympathische und das parasympathische Nervensystem. Das sympathische Nervensystem ist eng mit unseren Funktionen des Denkens verbunden, das parasympathische System ist dagegen eng mit unseren Sinneswahrnehmungen gekoppelt. Wenn nun die Stärke des sympathischen und parasympathischen Systems gleich ist, ergibt sich ein im Buddhismus bekannter Zustand des inneren und äußeren Gleichgewichtes, der im Sanskrit shunyata genannt wird. Dieser ursprüngliche Zustand des Gleichgewichts des vegetativen Nervensystems ist also mit shunyata gemeint und dann sind Körper und Geist ruhig und ausgeglichen. Unsere physischen Bedingungen sind gesund, wir können aktiv handeln und unser Verhalten im täglichen Leben ist von Moral bestimmt. Wenn wir jeden Tag Zazen praktizieren, können wir dieses Gleichgewicht erhalten und auch im täglichen Leben umsetzen.
Gautama Buddhas Lehre ist auf der Grundlage der täglichen Praxis des Zazen entstanden. Die Gründe, warum wir Menschen im Buddhismus unsere ursprüngliche Gesundheit, unsere Aktivität und Moral seit über 2500 Jahren entwickeln und aufrechterhalten, kann nun also durch die westliche Wissenschaft klar nachgewiesen werden. Wir haben damit zum ersten Mal auch den wissenschaftlichen Beweis für den wahren Zustand des wertvollen Zazen.

2. Die Arten der Erleuchtung

In Bezug auf die Erleuchtung gibt es seit alten Zeiten eine Auseinandersetzung zwischen Tongo und Zengo. Tongo bedeutet, dass plötzlich eines Tages die Erleuchtung erscheint, wenn wir fortgesetzt für eine ziemlich lange Zeit Zazen praktizieren. Ton bedeutet schnell und go bedeutet Erleuchtung. Im Gegensatz dazu bedeutet bei Zengo der Begriff Zen allmählich und go bedeutet wiederum Erleuchtung. Zengo steht also für eine allmähliche und nicht plötzliche Erleuchtung. Bei Meister Dogen können wir jedoch feststellen, dass er sowohl Tongo als auch Zengo bestätigte. In seinem Werk Shobogenzo beschreibt er seine Lehre, die Shushou-itsuto genannt wird. Dabei bedeutet Shu die Praxis des Zazen und shou Erleuchtung. Weiterhin bedeutet itsu jemanden, der als vollkommen angesehen wird. Schließlich bedeutet to gleich. Daher ist also die Bedeutung von itsuto: vollständig dasselbe. Diese Idee der Einheit leitet sich ab von seinem buddhistischen Denken, also von der Lehre des Handelns. Meister Dogen besteht darauf, dass es allgemein gesprochen im Handeln keine Trennung zwischen dem Handeln als Tätigkeit selbst und dem Ergebnis als Erfahrung gibt. Dies bedeutet also, dass in der Lebensphilosophie des Handelns die sonst übliche Trennung von Praktizieren und Ergebnis als Erfahrung aufgehoben ist. Dieser Ansatz ist von größter Bedeutung, um die gesamte buddhistische Lehre zu verstehen, damit man nicht falschen Zielen nachjagt und falsche Erwartungen hat.
Meister Dogen vertritt in aller Klarheit die Ansicht, dass es keine Trennung zwischen dem Handeln und dem Ergebnis als Erfahrung gibt und daher sollten auch wir auf keinen Fall eine derartige Trennung vornehmen. Dies bedeutet also zusammengefasst, dass Praktizieren gleich Erleuchtung ist und Erleuchtung ist genau die Praxis des Zazen selbst.
Wenn wir dieses genauer bedenken, scheint es so, als ob die Idee von Zengo von Meister Dogen bei seinem Ansatz des Zazen vielleicht abgelehnt wird. Das ist aber nicht so. Er beschreibt z.B., dass Meister Joshu Jushin und Meister Rei-un Shigon eine solche Art von Erleuchtung in ihrem Leben erfahren hatten: Obgleich sie große Meister waren, vergingen bei ihnen mehr als 30 Jahre der Zazenpraxis, bevor sie die zweite Erleuchtung erlebten. Daher können wir ganz klar sehen, dass Meister Dogen zwei verschiedene Arten von Erleuchtung kannte: Eine direkte im Zazen für jeden, der richtig praktiziert und eine plötzliche Erleuchtung nach vielen Jahren der Übungspraxis. Für Meister Dogen gab es den Streit Tongo und Zengo also nicht.

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